Bundespräsident Fischer für Vermögenssteuer

Bundespräsident Fischer für Vermögenssteuer
Interview: Heinz Fischer will gerechtere Steuern. Seine Teilnahme am Habsburg-Begräbnis hält er für eine Frage des Respekts.

KURIER: Herr Bundespräsident, können Sie uns schon die geänderte Version der Bundeshymne vorsingen?
Heinz Fischer: Sie ist noch nicht geändert. Aber es gibt nach einigen nicht ruhmreichen Debatten nun offenbar Konsens. Ich denke auch, dass man ein Zeichen des Respekts für die gleichberechtigte Leistung der Frauen setzen soll und hoffe, dass die weitere Beratung darüber vernünftig und kurz ist. Man wollte mit Filibusterreden ein Thema vom Tisch bringen, wodurch es erst richtig aufgeblasen wurde.

Bundespräsident Fischer für Vermögenssteuer

Ist mit dem Begräbnis Otto Habsburgs eine Ära zu Ende, das Thema aufgearbeitet?
Die historische Diskussion soll weitergehen, aber das Thema wird rationaler gesehen. Die Familie Habsburg hat mit der Republik Frieden geschlossen. Und die Republik hat mit der Familie Habsburg ihren Frieden gemacht, insbesondere durch Bruno Kreisky und seinen Handschlag mit Dr. Otto Habsburg. Zweifellos hat der Name Habsburg jahrhundertelang eine große Rolle in der österreichischen Geschichte gespielt - aber nicht immer nur eine positive .

Warum besuchen Sie als Republikaner und Nicht-Katholik das Begräbnis von Otto Habsburg?
Ich werde das Requiem besuchen, genauso wie ich am Requiem für Kurt Waldheim oder anderen Persönlichkeiten teilgenommen habe. Das hat weniger mit politischen Auffassungen, sondern mit Respekt zu tun.

Sie sind hier in der Hofburg ja immer mit der Geschichte Habsburgs konfrontiert. Mit welcher Persönlichkeit haben Sie sich "angefreundet"?
Ich habe keine Lieblings-Habsburger. Aber Joseph II war ein interessanter Monarch, weil er ein Reformer war, etwa bei der Frage der Religionsfreiheit.

Bundespräsident Fischer für Vermögenssteuer

Themenwechsel: Wissen Sie was ein Credit Default Swap ist?
Ja, eine Versicherung für einen nicht mehr finanzierbaren Kredit.

Wir fragen, weil selbst Bankmanager nicht mehr alles verstehen, womit Banken handeln. Ist es nicht das Hauptproblem, dass Experten und Politiker dieser Entwicklung hilflos gegenüberstehen?
Hilflos würde ich nicht sagen, aber natürlich gibt es dafür in den Lehrbüchern keine brauchbaren Handlungsanleitungen. Ich denke, dass wir in Europa nicht zuschauen dürfen, wie ein Land zum Opfer von Spekulationen wird. Man muss jetzt Nerven bewahren und Gemeinschaftsgeist entwickeln. Ich habe Grundvertrauen in das europäische Konzept, der gemeinsamen Bewältigung von Problemen.

Zulauf haben aber Parteien, die billigen Anti-Europa-Populismus betreiben.
Das ist nicht zu leugnen. Es gibt in der Geschichte immer wieder Phasen, wo Positionen, die sich später als unhaltbar und inhaltsleer erweisen, zuerst großes Hurra auslösen. Wir gehen im Moment ökonomisch und politisch durch eine Unwetterzone - in Europa und in der Welt.

Brauchen wir vielleicht mehr statt weniger Europa? Müssten die EU-Länder gemeinsam eine Finanztransaktionssteuer einführen und problematische Börsepraktiken stoppen?
Die Einführung einer gemeinsamen Transaktionssteuer ist vernünftig und richtig. Aber wir wollen nicht den uniformen europäischen Einheitsstaat schaffen, sondern etwas ganz Neues: ein pluralistisches, ein solidarisches, ein starkes Europa.

China übt gerade auf die USA Druck aus. Die Chinesen sind die größten Gläubiger der Amerikaner, sind immer stärker in Afrika präsent, kaufen sich in Europa ein, stellen sich aber taub, wenn Menschenrechtsfragen angesprochen werden. Glauben Sie, dass sich West und Ost wirtschaftlich annähern und China dafür die bei uns praktizierten Menschenrechte ernster nimmt?
Unseren Prinzipien treu zu bleiben heißt nicht, dass wir die Chinesen diesen Prinzipien voll und ganz unterwerfen können - und umgekehrt. China ist keine imperialistische Macht. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man mit Chinesen sehr wohl über Menschenrechte reden kann, wenn man das nicht in einem belehrenden, herablassenden Ton macht. Reden heißt aber auch nicht, dass alle Unterschiede überwunden werden.

Bundespräsident Fischer für Vermögenssteuer

Sie legen sich klar für die Einführung von Vermögenssteuern und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer fest. Da gibt's Widerspruch aus der Politik. Werden Sie trotzdem darauf beharren?
Ein Staat darf Gerechtigkeit nicht nur mit Lippenbekenntnissen pflegen. Man muss sich mit Problemen der Einkommens- und Vermögensverteilung ernsthaft auseinandersetzen. Sollten im Zuge der weiteren Entwicklungen in Europa Belastungen auf die österreichische Bevölkerung zukommen, wird diese Frage zusätzliche Bedeutung erlangen. Es ist eine alte Erfahrung, dass es nicht nur darauf ankommt, wie sich die Einkommenssituation der Menschen darstellt, sondern auch, wie die Relationen zwischen verschiedenen Einkommens- und Bevölkerungsgruppen aussehen.

Damit schüren Sie womöglich den nächsten Koalitionskrach. Die ÖVP ist strikt gegen neue Vermögenssteuern.
Als Bundespräsident habe ich Verantwortung und darf nicht aus taktischen Grünen oder Koalitionsräson die Augen vor einem Problem verschließen, dass unübersehbar ist. Auch der jüngste OECD-Bericht sieht dringenden Reformbedarf im österreichischen Steuerrecht. Arbeit und Unternehmertum würden stark belastet, Vermögen kaum in die Pflicht genommen. Gerade das ist auch meine Sorge.

Das heißt es doch schon ewig. Warum hat sich dann nie etwas geändert?
Da gibt es offenbar ungleich starke Lobbys. Mir ist der sensible Umgang mit dem Prinzip Gerechtigkeit, speziell Einkommensgerechtigkeit und Belohnung von Leistung ein Anliegen. Daher stellt sich auch die Frage, wie groß die Leistung ist, wenn man etwas erbt.

Ihre Partei hat die Erbschaftssteuer abgeschafft.
Ich sehe das nicht partei- sondern staatspolitisch, aber als Gewissensfrage.

Sehr viele Österreicher sagen aber: Die Oma hat so lange gespart, warum sollen wir dafür Steuern zahlen.
Die Oma ist natürlich außer obligo.

Aber kommt denn dann genug raus? Die Rede war von 500 Millionen Euro.
500 Millionen sind immerhin drei Mal so viel wie die Summe dessen, was die heftig umstrittenen Studiengebühren jährlich ergeben würden. Gerechtigkeit herzustellen ist außerdem ein wichtiger Beitrag zur politischen Stabilität und gegen die Politikverdrossenheit.

Gerechtigkeit ist der nebulose Schlachtruf der Sozialdemokraten.
Keine Partei hat ein Monopol auf Gerechtigkeit. Das ist auch ein Prinzip der katholischen Kirche, der evangelischen Diakonie, von Nobelpreisträgern, der OECD und vielen anderen.

Die Sommerlektüre des Präsidenten

Henry A. Kissinger " China. Zwischen Tradition und Herausforderung" (Bertelsmann-Verlag)

Arno Geiger "Der alte König in seinem Exil" (Carl Hanser)

Hans Fallada "Jeder stirbt für sich allein" (Aufbau-Verlag)

Hans Fallada hat Heinz Fischer wiederentdeckt, den Ex-US-Außenminister Kissinger liest er gerade. Das berührende Buch des österreichischen Autor Geigers über seinen an Alzheimer erkrankten Vater steht als Nächstes auf dem präsidialen Sommer-Programm.

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