Berlin-Wahl: Piraten machen fette Beute

Berlin-Wahl: Piraten machen fette Beute
Fast aus dem Nichts holte die Protest-Truppe mit noch schwachem linksliberalem Profil erstaunliche 8,9 Prozent.

Als ich da gestern Abend durchgereicht wurde, habe ich das wie im Film erlebt", gestand Spitzenkandidat Andreas Baum, 33, am Montag. Erst wenige Monate zuvor war er per Losentscheid zum Chef der Piratenpartei gekürt worden. Der Internet-Techniker wird jetzt wohl Berufspolitiker werden. Bisher hatte er daran nicht gedacht. Denn der Wahlsieg mit 8,9 Prozent hat alle überrascht, die Berliner "Piraten" selbst am meisten.

Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die 2006 gegründete Zwergpartei in Berlin zwar 3,4 Prozent erreicht. Das aber hatte man mehr als Gag genommen. In die Berlin-Wahl gingen die "Piraten", die hier nur 1000 Mitglieder haben, mit nur 15 Kandidaten - von denen nun alle gewählt wurden. Und ohne Programm.

Sie formulierten nur ein paar Forderungen, von denen jene nach kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln am meisten Aufmerksamkeit erregte. Eine weitere Forderung: Mehr direkte Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen.

Internet-Wurzeln

Entstanden sind die Piraten aus der Verteidigung der Freiheit des Internets "gegen Regulierungswut und Datenschutz-Hysterie". Es war eine "Bewegung von unten", erinnerte sich ein Anhänger. Und Berlin war auch da Hauptstadt. Denn sie ist ein europäisches Zentrum der Internet-Wirtschaft mit vielen tausenden Jobs und noch mehr Aktiven. Die Wahlanalysen zeigen: Der typische Piraten-Wähler ist männlich, zwischen 25 und 35 Jahre alt und lebt im Ostteil der Stadt, wo die Internet-Firmen meist ihren Sitz haben. Die Piraten bekamen laut ARD-Analyse bei den Wählern bis 35 Jahren fast gleich viel Stimmen wie die Grünen und die CDU. Sogar von den Wählern bis Mitte 40 konnten sie zehn Prozent anziehen.

Das größte Reservoir waren Ex- Grün-Wähler, gefolgt von bisherigen Anhängern der SPD, der Linken und Ex-Nichtwählern. Baum ist davon überrascht: "Dass die FDP so schwach war und die grüne Spitzenfrau Künast so schwache Auftritte hatte, konnten wir nicht ahnen".
Den hatte zwar auch Baum in der TV-Wahlkampf-Diskussion, wo er die 63 Milliarden Euro Schulden der Stadt mit "vielen Millionen" abtat. Nun wollen er und seine Kollegen sich in die Politik rasch einarbeiten und das auf einem Blog auch dokumentieren. Ob sie damit mehr als nur ihre Berliner Wähler erreichen, wird spannend. Der Mainzer Politikforscher Jürgen Falter glaubt nicht daran.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kommentar

  • Hintergrund

  • Bilder

  • Kommentar

  • Hintergrund

Kommentare