Belgien hat wieder eine Regierung

Belgien hat wieder eine Regierung
Eineinhalb Jahre nach den Parlamentswahlen einigten sich Sozialisten, Christdemokraten und Liberale auf eine Koalition.

Eineinhalb Jahre nach den Parlamentswahlen hat Belgien nun endlich eine neue Regierung. Sozialisten, Christdemokraten und Liberale aus den beiden zerstrittenen Landesteilen Flandern und Wallonie einigten sich am Mittwochabend in Brüssel auf eine Koalition unter dem französischsprachigen Sozialisten Elio Di Rupo (60). Der Durchbruch gelang vor allem wegen der Euro-Krise, die auch das hoch verschuldete Belgien zu erfassen droht. In den vergangenen Tagen waren die Aufschläge auf belgische Staatsanleihen massiv gestiegen.

Mit Di Rupo wird erstmals seit 1974 wieder ein wallonischer Politiker an der Spitze der belgischen Regierung stehen. In den vergangenen drei Jahrzehnten war das Amt des belgischen Ministerpräsidenten fest in den Händen des bevölkerungsreicheren und wohlhabenderen Landesteils Flandern gewesen. Die Besetzung des neuen Kabinetts ist noch offen, es soll aber höchstens 15 Minister geben, meldete die Nachrichtenagentur Belga.

Di Rupo wird den flämischen Christdemokraten Yves Leterme ablösen, der in den vergangenen eineinhalb Jahren eine geschäftsführende Regierung leitete. Kein Land in der Welt brauchte länger für die Regierungsbildung als das Königreich im Herzen Europas mit gut 10 Millionen Bürgern.

Ein Kompromisstext der Parteien mit 185 Seiten soll am Donnerstag noch einmal gemeinsam überprüft werden. Am Wochenende sind die Parteien aufgefordert, der Koalition zuzustimmen. Zum Beginn der kommenden Woche könnte die neue Regierung vereidigt werden - dann ist auch die Vertrauensabstimmung im Parlament geplant.

Blockade

Der Streit zwischen den frankophonen Wallonen des Südens und den Niederländisch sprechenden Flamen im Norden Belgiens hatte nach den Wahlen vom Juni 2010 eine Regierungsbildung lange blockiert. Dabei ging es vor allem um eine Staatsreform, mit der der Status von flämischen Gemeinden im Umland der Hauptstadt Brüssel mit einem hohen Anteil von frankophonen Belgiern geregelt werden musste. Der flämische Nationalistenführer und Wahlsieger von 2010, Bart De Wever, verwarf im Sommer ein ausführliches Kompromisspapier Di Rupos komplett und nahm sich damit aus dem Spiel. Der Chef der Neuflämischen Allianz (N-VA) dürfte laut politischen Beobachtern der neuen Koalition künftig das Leben schwermachen. Die N-VA tritt offen für das Ende des belgischen Bundesstaates ein.

Zuletzt verständigten sich die künftigen Regierungsparteien auf ein Sparbudget 2012. Für Tempo bei den Budgetverhandlungen sorgte die Entscheidung der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P), die Kreditwürdigkeit Belgiens um eine Note von "AA+" auf "AA" zu senken. Belgien steht auch unter Druck der Europäischen Union, Sparzusagen einzuhalten und das Budget zu sanieren. EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte dem Land bereits mit Sanktionen gedroht.

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