Barroso lässt Atomgegner abblitzen

Barroso lässt Atomgegner abblitzen
Die Atompolitik stand beim Treffen von Kanzler Faymann mit dem EU-Kommissionschef im Zentrum. Keine Chance hat eine EU-weite Anti-Atom-Initiative.

Österreich will seine Anti-Atompolitik in der EU mit allen Mitteln verteidigen. Diese Strategie beinhaltet auch Klagen, wenn Sicherheitsstandards und EU-Gesetze nicht eingehalten werden, wie dies beim AKW-Temelin und dessen Ausbau der Fall sein könnte.
Bundeskanzler Werner Faymann machte das am Mittwoch bei seinem zweiten Besuch bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso deutlich. Er sprach auch das Thema Atomausstieg in der EU an. Dass Italiens Regierung die Pläne zum Wiedereinstieg in die Kernenergie für ein Jahr auf Eis legt, wird als erster Schritt gewertet.

Nach Barroso traf Faymann EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Auch dabei standen die Folgen der Japan-Katastrophe im Mittelpunkt. Es ging auch um die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Mehr als die Hälfte der Euro-Länder sind bereits dafür.

Vor dem Treffen mit Faymann gab Kommissionspräsident Barroso dem KURIER ein Interview. Darin machte er klar, dass eine EU-Bürgerinitiative zum Atomausstieg von der Kommission nicht behandelt werden könne, weil Energiepolitik nicht in die Kompetenz der Kommission falle. Barroso sprach sich für eine strenge Überprüfung aller AKW aus - und er lobte die österreichische Landwirtschaftspolitik als Modell für die EU.

KURIER: Herr Präsident, nach dem Schock von Japan will die EU-Kommission Stresstests für alle AKW. Wollen Sie den Ländern auch eine AKW-Schließung vorschreiben?
José Manuel Barroso: Es ist unsere Pflicht, die Sicherheitsbedingungen von Kernkraftwerken nach Japan neu zu bewerten, auch wenn die EU bereits über die höchsten Sicherheitsstandards in der Welt verfügt. Wir schlagen den Mitgliedsländern vor, Stresstests ihrer Kernkraftwerke auf der Basis einer gemeinsamen Bewertungsmethode für Risiken und Sicherheit durchzuführen. Das ist das richtige Signal angesichts der Bedenken vieler Bürger. Schnelle und wirksame Maßnahmen zur Minimierung von Sicherheitsrisiken für die Bürger sind zielführender als ein langwieriger, kontroverser Prozess mit unvorhersehbarem Ausgang zur Änderung der Verträge.

Würde die Kommission eine EU-Bürgerinitiative über den Atomausstieg zulassen?
Eine EU-Bürgerinitiative wird nur in den Zuständigkeitsbereichen der EU möglich sein. Nach dem Vertrag haben nur die Mitgliedstaaten das Recht, die Bedingungen für die Nutzung ihrer Energieressourcen festzulegen, die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen zu treffen und die allgemeine Struktur der Energieversorgung zu bestimmen. Daher steht eine EU-Bürgerinitiative zur Frage, ob die Kernenergie in der EU genutzt werden soll oder nicht, nicht im Einklang mit dem Vertrag.

Barroso lässt Atomgegner abblitzen

Österreich ist atomfrei. Ist das die Zukunft der EU?
Weder die Kommission noch die EU ist befugt, den Mitgliedsstaaten vorzuschreiben, welche Art von Energie sie nutzen sollten. Der Vertrag ist hier sehr deutlich. Wir sind entschlossen, eine Ressourcen-effiziente und nachhaltige Wirtschaft zu verwirklichen. Das wollen wir mit unseren Klima- und Energiezielen erreichen, die zentral für die Strategie "Europa 2020" sind.

Wird Österreich als Folge der Agrar- und Budgetreform auf EU-Fördergelder verzichten müssen?
Die Kommission wird ihre Vorschläge für den künftigen Finanzrahmen ab 2014 Ende Juni machen. Die endgültige Entscheidung über Höhe und Verteilung der Mittel treffen der Europäische Rat und das Europäische Parlament. Erst dann sehen wir die Auswirkungen für die einzelnen Politikbereiche und Mitgliedsstaaten.

Können Sie abschätzen, was das für Österreich heißt?
Ich schätze das traditionell starke Engagement von Österreich und seinen Bauern für die ländliche Entwicklung und die nachhaltige Landwirtschaft. Dies kann in der Tat eine Inspiration sein für viele andere in Europa. Insgesamt wollen wir die Gemeinsame Agrarpolitik grüner und nachhaltiger gestalten, bei gleichzeitiger Förderung ihrer Fähigkeit zur Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Es geht auch um mehr Transparenz für den Steuerzahler.

Und wie sieht es mit der Förderung für Regionen aus?
Alle Mitgliedsstaaten und Regionen werden weiterhin von der Strukturförderung profitieren. Das ist auch ein zentrales Instrument, die Ziele der Strategie "Europa 2020". Die Ressourcen sollten auf eine kleine Zahl von Prioritäten konzentriert werden. Mit der künftigen Regionalpolitik wollen wir einen doppelten Zweck erfüllen: die Wettbewerbsfähigkeit fördern und den rückständigen Regionen dabei helfen, aufzuholen.

Sind Sie für eine EU-Steuer?
Wir planen, den EU-Haushalt bei den Ausgaben und Einnahmen einer Revision zu unterziehen. Das ist in erster Linie nicht eine Frage der Einführung einer EU-Steuer oder einer Aufstockung der Mittel. Die Kommission wird gewiss nicht zum Steuereintreiber werden. Aber wir sind dafür, die derzeitige undurchsichtige Mischung von Einnahmequellen und Rabatten einfacher, gerechter und transparenter zu machen. Wir denken auch, dass die EU weniger abhängig von Beiträgen der Mitgliedsstaaten werden sollte.

EU-Recht: Atomkraft

EU-Bürgerinitiative: Sie wurde im Vertrag von Lissabon geschaffen.
Ab April 2012 kann mindestens eine Million EU-Bürger aus mindestens einem Viertel der 27 EU-Staaten die EU-Kommission per Referendum zur Vorlage eines neuen EU-Gesetzesvorschlags auffordern.

Ausnahmen
: Die Kommission darf Initiativen nur dann zulassen, wenn das Thema in ihre Zuständigkeit fällt. Vor allem alle Gründungsverträge der EU sind ausgenommen. Dazu zählt auch der Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM), der im März 1957 geschlossen wurde.

EU-Energiepolitik: Laut Lissabon-Vertrag ausdrücklich Kompetenz der EU-Staaten, nicht der Kommission.

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