Zwei Tschetschenen wollten Breivik stoppen

Zwei Tschetschenen wollten Breivik stoppen
Erst Wochen nach der Tat wurde die Geschichte von zwei Tschetschenen bekannt, die als einzige versuchten, Breivik zu stoppen.

Knapp einen Monat nach dem schrecklichen Anschlag auf ein Ferienlager spricht nun ganz Norwegen über jene beiden Jugendlichen, die als einzige versucht hatten, Breivik zu stoppen: Drei Tage, ehe auf der norwegischen Ferieninsel Utøya die Hölle losbrach, lernten Rustam Daudov (16) und Movsar Dzhamayev (17) einander im Ferienlager kennen. Die beiden Burschen mit tschetschenischen Wurzeln wurden sofort Freunde und wollten gerade essen gehen, als sie Schüsse hörten. "Wir sahen eine Gruppe Teenager bei einem bewaffneten Mann stehen. Er hat sie aus nächster Nähe erschossen."

Rustam erstarrte vor Schreck, doch sein Freund zerrte ihn in ein Gebüsch und rief seinen Vater an. Der riet den beiden, Ruhe zu bewahren. "Er sagte mir: Ihr müsst versuchen, so viele Leben zu retten, wie nur geht", schilderte der Jugendliche einem Reporter der norwegischen Tageszeitung Dagbladet . "Und er sagte auch: Wenn ihr den Täter angreift, müsst ihr es richtig machen."

Mit Steinen bewaffnet

Also "bewaffneten" sich die zwei Jugendlichen mit Steinen und schlichen sich bis auf drei Meter an Anders Breivik heran. Sie hofften ihn am Kopf zu treffen und k.o. zu schlagen. Doch die Steine verletzten den Angreifer nicht. Der fluchte nur und ehe er auf sie losgehen konnte, rannten die beiden um ihr Leben. Seinem Anwalt gegenüber bestätigte Breivik später, dass ihn während des Angriffs "etwas getroffen" habe.

Rustam und Movsar retteten sich in eine Höhle. Von ihrem Versteck aus sahen die beiden Jugendlichen verzweifelte Kinder im eiskalten Wasser um ihr Leben kämpfen. "Ich konnte sie ja nicht ertrinken lassen", erinnert sich Movsar. "Drei Mal bin ich raus. Aber dann war ich vollkommen erschöpft, und einem Buben, der nur ein paar Meter entfernt von mir war, konnte ich nicht mehr helfen. Er ist ertrunken."

23 Kinder, die jüngsten davon acht Jahre alt, haben die beiden jungen Norweger gerettet. Ihre Heldentat wurde erst Wochen nach dem Massaker bekannt, nachdem mehrere Überlebende dem Dagbladet übereinstimmend geschildert hatten, dass sie den beiden jungen Männern ihr Leben verdanken.

Kriegserfahrungen

"Vielleicht haben wir so gehandelt, weil wir Tschetschenen sind", wehren Rustam und Movsar alle Huldigungen als "Helden" ab. "In Norwegen sind sie so etwas nicht gewöhnt, aber wir sind als Kinder durch einen Krieg gegangen."

Die selben schrecklichen Erfahrungen hatte auch ein dritter tschetschenischer Jugendlicher gemacht. Doch Anzor Djukajev reagierte auf das Massaker auf Utøya im Schock völlig kühl. So ruhig und scheinbar ungerührt, dass die Polizei den Jugendlichen zunächst verdächtigte, mit dem Massaker zu tun zu haben und ihn 17 Stunden lang einsperrte. "Dass ich so reagiert habe", gab der Jugendliche zu Protokoll, hat damit zu tun, "was ich in Tschetschenien erlebt habe." Als kleines Kind war Anzor einen Tag lang nach einem Bombenangriff auf sein Dorf zwischen Leichen herumgeirrt.

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