Zuchtmeister für die Trump-Truppe
Man kennt das aus Mafia-Filmen. Nach erledigtem Auftragsmord landet der "Hitman" wie einst Luca Brasi in "Der Pate" selbst bei den Fischen. Genau das ist im politischen Sinn Anthony Scaramucci in Washington widerfahren. Das rasante Ende von Donald Trumps Kommunikationschef lässt die nach sechs Monaten-Präsidentschaft an Schockmomente hinreichend gewöhnte US-Hauptstadt immer noch schwindeln. Welche Köpfe werden noch rollen? Kommt das Regierungsschiff durch den neuen Stabschef John Kelly endlich in ruhigeres Fahrwasser?
Höllentempo
Die Frage, ob im Hause Trump ein Masterplan hinter der an "House of Cards" erinnernden Personal-Rochade steckte, erübrigt sich nach Ansicht vieler US-Kommentatoren bereits angesichts des Höllentempos auf der Zeitachse. In nicht einmal 14 Tagen suchte Regierungssprecher Sean Spicer das Weite, weil Scaramucci ante portas lauerte. Kaum war der ölige Wall-Street-Investor und Trump-Bewunderer im Amt, nahm er mit unflätigen Tiraden Stabschef Reince Priebus ins Visier ("verfickter paranoider Schizophrener") und dichtete Trumps rechtsnationalem Chefberater Stephen Bannon die Fähigkeiten eines autoerotischen Jogis an. Priebus nahm den Hut. Nachfolger John Kelly sägte noch vor seiner offiziellen Ernennung Scaramucci ab. All das interessiert im Lande relativ wenig. Dort wollen Millionen Amerikaner wissen, was aus ihrer Krankenversicherung wird, die Trump und die Republikaner gerade wieder ein Stück mehr vor die Wand gefahren haben.
Als belastbar gilt die These, das Scaramucci (auch von Trumps Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner) allein deshalb geholt wurde, um Priebus zu erledigen. Und der 53-Jährige, dem über seine "Liebe" zu Donald Trump die eigene Ehe abhanden kam – die Frau reichte kürzlich die Scheidung ein –, lieferte prompt.
Allerdings waren die Nebengeräusche zu laut. Trump fand die nicht jugendfreien Verbal-Injurien gegen Priebus und Bannon erfrischend. Erst als sich öffentlich Entsetzen breit machte, ließ er über seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders beidrehen und nannte die Äußerungen "nicht angemessen". Für Trumps neuen Stabschef, Ex-General und Ex-Heimatschutzminister John Kelly, war Scaramucci eh "verbrannt".
Ob die Mission des 67-jährigen Elitesoldaten, der von Trump mit Lobeshymnen überschüttet wurde, gelingen kann, ist aus Sicht von US-Kommentatoren fraglich. Beteuerungen, dass künftig alle Bediensteten der Regierungszentrale durch das Nadelöhr Kelly gehen werden, um zum Chef vorgelassen zu werden, "schenkt in der politischen Klasse niemand Glauben". Zu sehr hat Trump das Klima dafür bereitet, dass ihm jeden Tag aus zig Quellen Ratschläge zugeleitet werden. Und was sich der Präsident daraus destilliert, ist bekanntlich unberechenbar.
Auf Kurs bringen
Gradmesser für Kellys Erfolg oder Misserfolg ist darum nicht die Entsorgung Scaramuccis. Wichtiger ist, ob der mit über 40 Jahren Militärerfahrung ausgestattete Neuengländer andere Info-Söldner Trumps einfängt, etwa die Erfinderin der "alternativen Fakten", Kellyanne Conway, oder den bei Sicherheitsthemen an der rechtsradikalen Demarkationslinie laufenden Sebastian Gorka, und alle auf einen gemeinsamen Kurs zwingen kann. Neutralisiert Kelly auch sie, wartet die schwierigste Aufgabe im politischen Zirkus von Washington – das Alphatier, das sich bisher jedem Dompteur verweigert hat: Donald Trump.
Scaramucci war als Kommunikationsdirektor Michael Dubke gefolgt, der im Mai „aus persönlichen Gründen“ das Weiße Haus verlassen hatte.
Wer der nächste auf Trumps Abschussliste sein könnte, bahnt sich bereits an: Es solle sich mit der Zeit zeigen, sagte Trump, ob er den in Ungnade gefallenen Justizminister Jeff Sessions feuern werde.
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