Angeklagte Terroristen boykottieren Prozess

Bei einer Anhörung im „9/11“-Prozess wurde plötzlich die Mikrofonverbindung gekappt.

Zensur ist vorgesehen bei den Anhörungen des Militärsondergerichts in Guantanamo. Aber selbst Oberst James Pohl, ein Militärrichter mit langer Erfahrung, verliert für einen Moment die Fassung und zeigt seinen Ärger: Am Ende des ersten Tages der neuen Anhörungen über den Terroranschlag vom 11. September fällt plötzlich der Ton im Gerichtssaal auf dem US-Militärstützpunkt in Guantanamo Bay aus.

Tags darauf dann der Eklat: Die angeklagten Terroristen, mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001, boykottierten den Prozess und blieben der Anhörung fern. Die Militärrichter reagierten vorerst gelassen: Dieses Recht stünde den Angeklagten zu.

Stundenlang waren am Montag technische Einzelheiten diskutiert worden, dann fielen die Worte „geschlossen“ und „geheim“. Es wird still. Sekunden später hörte man ein Rauschen, neben Richter Pohl leuchtete ein rotes Alarmlicht auf.

Ein Mann im Anzug – kein Militär also – sitzt rechts vom Richter und hat die Aufgabe, auf einen Knopf zu drücken und die Mikrofone im Saal verstummen zu lassen, wenn über Geheimes gesprochen wird. Nun scheint aber der Zensor selbst überrascht von der Zensur. Die hat auch Pohl nicht verlangt, der das Verfahren im großen fensterlosen Saal leitet.

„Warum ist das geheim?“, hört man ihn fragen, als nach etwa einer Minute der Ton wieder da ist. „Das habe ich nicht veranlasst, und ich würde gern wissen, warum das passiert ist“, fordert Pohl Aufklärung. Es bleibt unklar, ob der Mann am Knopf ohne seine Zustimmung reagiert hat, oder ob es eine zweite Person gibt, von der man nichts weiß und die ebenfalls Kontrolle über die Lautsprecheranlage hat. Das sei jedenfalls das dritte Mal, dass so etwas passiere, erinnern sich die Rechtsanwälte. Wie vor einem Jahr, als während einer Anhörung das Wort „CIA“ fiel, aber nichts Geheimes besprochen worden sei.

Die überraschende Zensur war die große Aufregung am ersten Tag der neuen Anhörungsrunde in Guantanamo gegen Khalid Sheikh Mohammed, der als Hauptdrahtzieher der Anschläge vom 11.9. gesehen wird, Walid bin Attasch, Ramsi Binalschibh, der zur Hamburger Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehörte, Ali Abdul-Aziz Ali und Mustafa Ahmed al-Hawawi.

Fußfesseln

Die ersten drei hatte man gegen neun Uhr Früh in Fuß-Ketten in den Gerichtssaal geführt. Da sie sich bei der Anhörung ruhig verhalten, lässt Richter Pohl ihnen die Ketten abnehmen. In der ersten Reihe vor dem Richter sitzt mit seinem Verteidiger Khalid Sheikh Mohammed mit orangem Rauschebart, den er mit Beerensaft färbt. Er trägt eine Tarnjacke. Auch Bin Attasch und Binalschibh, die in den nächsten zwei Reihen sitzen, tragen eine Camouflage-Weste über langen weißen Hemden. Im Herbst war den dreien bereits erlaubt worden, so vor den Richter zu treten – in dieser Art Uniform der ehemaligen Mudschaheddin, die für die USA in Afghanistan gegen die Sowjetunion gekämpft haben.

„Nichts motiviert uns, in den Gerichtssaal zu kommen“, sagt Bin Attasch zum Richter, der ihm seine Rechte erklärt, bei jeder Anhörung dabei sein zu können oder freiwillig darauf zu verzichten. Ihr Klient sei frustriert, weil er mit seinen Verteidigern keine vertrauliche Kommunikation haben kann, da Briefe geöffnet und gelesen und Treffen gefilmt werden, sagt eine seiner Rechtsanwälte, Cheryl Bormann. Im Gerichtssaal trägt sie eine schwarze Abbaya – die Ganzkörperbedeckung religiöser muslimischen Frauen.

Folter?

Die Kommunikation zwischen Angeklagten und Anwälten ist einer der Punkte, die in der viertägigen Anhörung diese Woche geklärt werden soll. Weiters verlangen die Verteidiger, dass die US-Regierung die „black sites“ – geheime Anlagen im Ausland, wo die fünf Männer angeblich gefoltert wurden – offenlegt. Diese können wichtige Erkenntnisse darüber liefern, ob die Geständnisse der Angeklagten durch Folter erzwungen worden sind. Eine Frage, die prozessentscheidend sein könnte.

Ein Diskussionspunkt ist auch die Anhörung von hochrangigen Zeugen wie dem früheren Präsidenten George W. Bush.

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