USA

Wird Amerika diesen Mann wählen?

Es ist der erste Test für Donald Trump und Hillary Clinton: In Iowa finden heute die ersten Vorwahlen zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf statt.

Donald Trump setzt ein ernstes Gesicht auf. "Dies ist eine Bibel", sagt er und zeigt das Buch Gottes in die Kamera. "Meine Mutter hat sie mir einst geschenkt, sie ist mir sehr wichtig", beteuert der zweimal geschiedene und dreimal verheiratete Baulöwe aus New York im Regionalfernsehen in Iowa. Seit der Vorwahlkampf in den Vereinigten Staaten so richtig begonnen hat, scheint Donald Trump so ziemlich zu jeder Aussage bereit zu sein, wenn er nur glaubt, dass dies irgendjemandem gefallen könnte. Der Populismus regiert beim Start ins Wahljahr 2016, gewürzt mit einer gehörigen Portion Patriotismus. Egal ob Trump oder Hillary Clinton: Die Wahlkampfpodien gleichen einem Fahnenmeer aus Stars and Stripes.

Der erste Test

Heute Nacht müssen die Kandidaten ihren ersten Test bestehen, mit dem Caucus in Iowa beginnt der Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur. Während Donald Trump das republikanische Feld anführt, ist bei den Demokraten trotz unerwartet harter Konkurrenz durch Bernie Sanders weiter Hillary Clinton die klare Favoritin. 55 weitere Vorwahlen stehen nach Iowa noch aus, in 49 US-Staaten und sechs Überseegebieten. Im Sommer wählen Parteitage den jeweiligen Kandidaten von Republikanern und Demokraten.

"Ich kenne die schweren Entscheidungen, die ein Präsident treffen muss", sagte Clinton vor mehr als 2.600 Anhängern in Des Moines, der Hauptstadt. Mit Blick auf ihren Rivalen Bernie Sanders sagte sie: "Ich glaube nicht, dass Amerika warten kann auf Ideen, die sich auf dem Papier gut anhören, aber die wegen des Stillstands in Washington nicht umgesetzt werden."

Der linke Senator Sanders setzt sich für eine tief greifende Umverteilung des Reichtums und eine grundlegende Reform des Wahlspendensystems in den USA ein. Bei einem Auftritt vor 1.700 Menschen in Des Moines versprach er am Sonntagabend erneut eine "politische Revolution". Die Wirtschaft sei zugunsten der Superreichen "gezinkt", kritisierte er. "Wir alle werden der Milliardärskaste sagen: Ihr könnt nicht alles haben."

Clinton liegt in landesweiten Umfragen weit vor Sanders, in Iowa aber hat sie laut einer aktuellen Umfrage der Zeitung "Des Moines Register" mit 45 Prozent nur drei Prozentpunkte Vorsprung vor dem Senator aus Vermont. Der 74-jährige selbst erklärte "demokratische Sozialist" kommt besonders bei jungen Wählern gut an.

Am Sonntagabend dankte Sanders seinen 15.000 Wahlkampfhelfern in Iowa. "Der Grund, warum wir diesen Schwung und diese Begeisterung haben, ist das, was ihr geleistet habt." Der Senator erwähnte Clinton in seiner Rede mit keinem Wort, ging aber Trump scharf an. Die "rassistischen und fremdenfeindlichen" Äußerungen des Immobilientycoons gegenüber illegalen Einwanderern und Muslimen seien "nicht akzeptabel".

Cruz vs. Trump

Aber das ist in Iowa nicht Trumps Problem. Sein Problem ist, dass er Akzeptanzprobleme bei den tiefgläubigen Christen hat, immerhin 800.000 der drei Millionen Einwohner des Agrarstaates Iowa werden dazu gezählt. Mit dem rechtskonservativen Anwalt Ted Cruz sitzt ihm ausgerechnet ein besonders bibelfester Predigersohn im Nacken. Einer jüngsten Umfrage im Auftrag der Lokalzeitung "Des Moines Register" zufolge kommt aufseiten der Republikaner Trump in Iowa auf rund 28 Prozent und Cruz auf 23 Prozent der Stimmen. Auf Rang drei folgt Senator Marco Rubio aus Florida mit 15 Prozent. Abgeschlagen rangieren dahinter Bewerber wie Ben Carson oder Jeb Bush.

Werde Cruz denn gewählt wird, wolle er gleich am ersten Tag im Amt als 45. Präsident der Vereinigten Staaten folgendes tun: Den Atomdeal mit dem Iran rückgängig machen, Barack Obamas Gesundheitsreform auslöschen, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen und - natürlich - die Rechte amerikanischer Christen stärken. Außerdem liebe er seine Frau, ließ der Texaner eine Zuhörerschaft in Des Moines wissen.

Trump und Cruz sind bei weitem nicht die einzigen im Feld der Bewerber beider großer Parteien, die dazu neigen, genau das zu erzählen, was die jeweilige Zielgruppe gerade hören will. Das Draufschlagen auf das, was derzeit in Washington passiert, bietet sich für beide Seiten an. "Genug ist genug", ruft Sanders vor 5.000 Studenten. "Genug ist genug", sagt Cruz vor 2.000 jubelnden Bauern in Iowa City. Sie waren in die Halle einer Landwirtschaftsausstellung gekommen, um ihr Idol reden zu hören.

Clinton vs. Sanders

"Cannabis ist im Bundesgesetz mit Heroin gleichgestellt, das muss sich ändern", ruft der Demokrat Sanders in das Rund an der Iowa University in Iowa City. Die Studenten johlen. Sanders lieferte der hohen Favoritin Hillary Clinton in Iowa einen heißen Kampf und liegt im zweiten Vorwahl-Staat New Hampshire deutlich vorn.

Weil im darauffolgenden South Carolina die bei der schwarzen Minderheit beliebte Clinton haushoch führt, darf in Sanders Reden eine Umarmung für die Afroamerikaner nicht fehlen. "Es werden immer noch Menschen wegen ihrer Hautfarbe benachteiligt. Ich werde dafür sorgen, dass das aufhört." Cruz schafft es gar, die Sicherung der US-Außengrenzen und das Beenden sexueller Sünden in einen Satz zu packen.

Der "demokratische Sozialist" Sanders mit seiner Anti-Wall-Street-Masche macht Punkt um Punkt gegen Clinton wett. So kann auch die frühere Außenministerin ordentlich holzen. "Wenn ganze Branchen gegen das Gesetz verstoßen, dann werde ich hinter ihnen her sein", kündigt sie, ohne allzu konkret zu werden. "Wir holen es uns von den Reichen", ruft sie ins Volk.

"Die Angst, die von der Rechten geschürt wird, und das Wohlstandsgefälle, das so groß geworden ist, dass es die Linke beflügelt, hat wohl auf beiden Seiten zu einem Diskurs geführt, der eine Anti-Establishment-Richtung eingenommen hat", sagt Cornelia Flora-Butler, Soziologie-Professorin von der Iowa State University in Ames und bekennender Sanders-Fan. Trump dagegen sei nicht einmal populistisch. "Er hat ja gar kein Programm, außer sich selbst als großen Problemlöser darzustellen."

Auf Iowa folgt New Hampshire

Im ersten Vorwahl-Staat Iowa haben die Kandidaten ein Mammutprogramm absolviert. Sie traten bei 1.500 Kundgebungen auf, schalteten 60.000 Werbespots im Fernsehen. Allein Hillary Clinton will am Wochenende vor dem Caucus 125.000 Hände geschüttelt haben. Bis tief in die Nacht standen Sanders und Cruz noch am Sonntag auf der Bühne. Das Abschneiden ist wichtig, als psychologische Stütze, als Gradmesser, als Motivationsschub für die nächsten anstrengenden Monate. Mit ersten Trends wird nicht vor 06.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit am Dienstag gerechnet; die nächste Vorwahl steht am 9. Februar in New Hampshire an der Ostküste auf dem Programm.

Kommentare