Wiege der Christenheit ist Baustelle

Die Geburtskirche in Bethlehem wurde zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die Renovierungsarbeiten bringen den Palästinensern Jobs, die Pilgerströme zu Weihnachten Umsatz für die Herbergen, Händler und Reiseführer
Die Geburtskirche Jesu wird noch bis 2017 renoviert. Pilger lassen sich davon aber nicht abschrecken.

Mit dem Stern von Bethlehem, der den drei Weisen den Weg an die Krippe wies, erblickte dort neben Jesus auch der Beruf des Reiseführers das Licht der Welt. Sie umlagern jeden Touristen, der sich in die Nähe der Basilika über der Geburtsgrotte wagt. "Ich zeige Ihnen alles", versprechen sie. Dabei ist sogar der Blick auf die Basilika durch Baugerüste und Planen verstellt. An der niedrigen Eingangspforte, die jeden Eintretenden in eine demütige Verbeugung zwingt, sitzt heuer ein palästinensischer Polizist und winkt weiter: Zurzeit geht es nur durch den katholischen Nordflügel hinein. Die Wiege der Christenheit – eine Baustelle.

Protokoll aus Sultanszeit

"Sonst ist es genau umgekehrt", erklärt Issa Geridi, der Älteste unter den Tour-Guides, "alle kommen durch den von griechisch-orthodoxen Mönchen bewachten Mittelteil." Diesen darf, so erklärt Issa einer Gruppe Pilgern aus Nigeria, der römisch-katholische Patriarch normalerweise nur zu Weihnachten beschreiten. Heuer wird für ihn eben eine Ausnahme gemacht und er kann wie immer die vom ersten christlichen Kaiser Konstantin erbaute Basilika durch die "griechische" Hauptpforte betreten. So regelt es der "Status quo", den im 17. Jahrhundert der osmanische Sultan festgelegt hat.

"In diesem Jahr haben wir aber ein Riesendurcheinander", stöhnt Issa. Gemäuer und Säulen der uralten Basilika sind mit hölzernen Schutzverkleidungen abgedichtet. Hat doch der Sultan wieder einmal ein Machtwort gesprochen. Nicht der türkische, sondern der palästinensische. Präsident Mahmoud Abbas ist des Sultans Rechtsnachfolger. Ein Job, der auch seinen britischen, jordanischen und israelischen Vorgängern nur "Vadscha a-Ras" bereitete: Kopfweh.

Der Status quo regelt jede Kleinigkeit: Wer darf? Wo? Wann? Beten, putzen, läuten oder auch nur einfach herumstehen. Nur ein Punkt wurde vergessen: Wer darf oder muss die Kirche, ihre Bausubstanz eigentlich reparieren?

Hätte der Präsident nicht 2013 alle Vorbehalte der zerstrittenen Christen vom Tisch gefegt, ihre 1700 Jahre alte Kirche hätte darüber einstürzen können. So aber kam eine Millionen-Restaurierung in Gang, die das UNESCO-Welterbe retten soll.

Das schafft auch Jobs. "Wir haben die höchste Arbeitslosenrate unter den palästinensischen Städten", klagt Vera Babouni. Die 50-Jährige ist Bethlehems umtriebige Bürgermeisterin. Wir treffen sie zufällig vor dem Touristik-Büro: "So kurz vor Weihnachten wird nicht geklagt. Bis Heiligabend sind die Bauzäune nicht weg. Die Arbeiten dauern noch bis 2017. Aber die Pilger werden alles geschmückt und sauber vorfinden."

Hier sind zwei wichtige Informationen enthalten: Die Reparaturen am Dach sind fertig, die Restaurierung des Gemäuers geht weiter. Im Vorjahr fehlten die Millionengelder dafür noch. Die zweite Information wird vielen Besuchern nur auffallen, wenn sie verstehen, wie Dekoration und Politik verknüpft sind: Auf dem Krippenplatz vor der Kirche ist die große Kiefer traditionell mit Kugeln und Lametta behängt. Die Bühne für die Chöre steht schon. Gleich neben einer riesigen geschnitzten Krippe. So kurz vor Weihnachten müssten hier aber auch schon die palästinensischen Fahnen hängen. Wo sind die?

Bethlehem hat allen Grund, sich vernachlässigt zu fühlen. Der Sperrwall zwischen Israel und dem Westjordanland hat die Stadt von Jerusalem abgeschnitten. "Was mit dem Auto früher in fünf Minuten zu schaffen war, dauert mit der Kontrolle am Übergang heute eine Stunde", berichtet Lamia. Die 29-jährige Mutter von zwei Töchtern fährt mit dem Bus tagtäglich nach Jerusalem. Die Genetikerin schreibt an der Hebräischen Universität ihre Doktorarbeit. Über die Häufigkeit von Gebärmutterkrebs bei palästinensischen Frauen. "Das geht nur mit Sondererlaubnis, viel Zeit und Nerven." Zu Weihnachten sind die Kontrollen meist etwas kürzer. "Gut, dass wir in Bethlehem von Ende Dezember bis Mitte Jänner feiern", lacht sie.

Ausgebucht bis Februar Sind sich die Christen doch nicht einmal über das Datum des Geburtsfestes einig. Mitte Jänner feiern die Armenier, am 6. Jänner die Griechen. Am 24./25. Dezember, dem katholischen Weihnachten, feiern alle mit. Tannenbaum, Jingle Bells und Santa Claus ziehen auch orthodoxe Gläubige und sogar Muslime an. Was Händler und Herbergsbetreiber nur begrüßen.

"Wir sind bis Februar ausgebucht", teilt bedauernd die Empfangsdame im Pilgerhospiz Casa Nova mit. Dem Besucher bleibt der Trost, dass er so die Gefühle Maria und Josefs nachempfinden darf: kein Platz in der Herberge.

Die Souvenir-Verkäufer sind ebenfalls zufrieden. Was auch in Bethlehem nicht ohne Jammern abgeht. "Nicht ganz so wie letztes Jahr, aber es läuft noch", erzählt George Giacamat, dessen Familie schon seit fast hundert Jahren Krippen und Kreuze schnitzt und verkauft. Das Geschäft ist leer, aber George winkt ab: So kurz vor Weihnachten ist es bei uns immer leer. "Wer jetzt im Lande ist, wartet mit seinem Besuch bis Weihnachten."

Dann wird der Lateinische Patriarch aus Jerusalem feierlich empfangen. Soll heißen: Mit Pauken, Dudelsack und Trompeten beweisen Bethlehemer Pfadfinder, dass sie keine Wiener Sängerknaben sind. Zu Weihnachten herrscht an der Wiege Jesus ein Heidenlärm.

Natürlich kommt der Patriarch unkontrolliert durch den Sperrwall. Wie die Konsule der katholischen Schutzmächte. Zu ihnen gehört auch der österreichische. Wobei der Patriarch seinen Hermelin-Pelz trägt, den nur Fürsten tragen dürfen. Auch Kirchenfürsten. So regelt es der Status quo.

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