Wie es zum Aufstand gegen Präsidentin Rousseff kam
Frenetischer Jubel schallt durch das das Abgeordnetenhaus in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia, als die notwendige 342. "Ja"-Stimme abgegeben wird. Damit ist die größte Hürde für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren von Präsidentin Dilma Rousseff genommen. Mit der Abstimmung erreicht die politische Krise in Brasilien einen vorläufigen Höhepunkt. Die Vorkommnisse der letzten Monate sind bezeichnend für ein schwer korrumpiertes politisches System. Der KURIER hat die wichtigsten Ereignisse in einer Chronologie zusammengefasst.
30. Jänner: Gegen den früheren Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva werden Ermittlungen eingeleitet. Dem einstigen Polit-Superstar wird Geldwäsche vorgeworfen. Das Objekt der Ermittlungen ist eine dreistöckige Luxuswohnung im brasilianische Badeort Guaruja, die er den Behörden verschwiegen haben soll. Das Apartment hat er offenbar vom Baukonzern OAS überlassen bekommen. Das Unternehmen ist in den Schmiergeldskandal rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobas involviert. Auch Präsidentin Dilma Roussef könnte in den Skandal verwickelt sein: Während Lula da Silvas Amtszeit als Präsident (2003 bis 2010) war Rousseff Aufsichtsratsvorsitzende bei Petrobas. Beide sind Ikonen der linken Arbeiterpartei (PT), die seit Anfang des Jahrtausends die Spitze der Regierung stellt.
4. März: Razzia bei Lula da Silva in São Bernardo do Campo. Der Ex-Präsident wird verhört. Angeordnet wurde die Hausdurchsuchung von Sergio Moro, dem Korruptionsjäger Nummer eins in Brasilien. Seit zwei Jahren leitet er die Ermittlungen im Korruptionsskandal rund um den Petrobas, in den zahlreiche Konzern-Mitarbeiter, Bauunternehmen und Politiker mutmaßlich verwickelt sind.
10. März: Die Staatsanwaltschaft will Lula da Silva wegen Geldwäsche anklagen.
11. März: Der Druck auf Lula da Silva erhöht sich weiter. Die Staatsanwaltschaft stellt einen Antrag auf Untersuchungshaft. Mit der Begründung, Lula versuche durch den Aufruf zu Massenprotesten den Druck gegen seine Anklage zu erhöhen, und wolle sich so aus der Affäre ziehen.
14. März: Neue Details rund um den Petrobas-Skandal belasten Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Sie soll sich Teile ihres Wahlkampfes durch Petrobas-Schmiergelder finanziert haben. Hoher Arbeitslosenzahlen und eine Rezession tun ihr übriges: Drei Millionen Menschen gehen auf die Straße und fordern den Rücktritt von Rousseff. Laut Umfragen fordern sechzig Prozent der Bevölkerung ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin.
16. März: Dilma Rousseff holt Lula da Silva als Kabinettschef in ihre Regierung. Das Timing für die Ernennung Lula da Silvas ist offensichtlich kein Zufall: Als Mitglied der Regierung ist nun das Oberste Gericht für Ermittlungen gegen ihn zuständig. Richter Sergio Moro wäre somit aus dem Spiel.
Noch am selben Tag ordnet Moro die Veröffentlichung von Tonmitschnitten von Telefonaten zwischen Dilma Rousseff und Lula da Silva an. Die Audiodokumente legen den Verdacht nahe, dass Rousseff Lula da Silva vor einer möglichen Verurteilung bewahren will.
17. März: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff wird eingeleitet. Eine Sonderkommission aus 65 Parlamentariern soll einen Bericht dazu vorlegen. Die Gerichte untersagen indes die Ernennung Lula da Silvas zum Kabinettschef.
19. März: Gilmar Mendes, Richter am Obersten Gerichtshof, blockierte am Freitag erneut Lula da Silvas Amtsantritt als Kabinettschef und ordnete die Wiederaufnahme von Korruptionsermittlungen durch ein normales Strafgericht an. Damit ist für Richter Sergio Moro der Weg wieder frei die Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten weiterzuführen.
29. März: Der wichtigste Koalitionspartner von der PT, Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (PMDB) verlässt die Regierung und verschärft damit die tiefe politische Krise des Landes. Damit verliert Rouseff den wichtigsten Koalitionspartner. Ein Amtsenthebungsverfahren wird immer wahrscheinlicher.
1. April: Mitglieder der PT werden bei Razzien festgenommen. Die Politiker stehen ebenfalls in Verdacht der Geldwäsche. Es wurden zwei Haftbefehle vollstreckt, außerdem wurden zwei Verdächtige für ein Verhör abgeführt. Demnach wurde auch der frühere PT-Schatzmeister Delubio Soares befragt, der wegen eines anderen Bestechungsskandals bereits in Haft sitzt.
7. April: Jovair Arantes, der Sprecher der zuvor gebildeten Sonderkommission, spricht sich für einen Antrag zum Amtsenthebungsverfahren von Dilma Rousseff aus. "Die Größe und der Umfang der von der Präsidentin begangenen Verletzungen bilden einen ernsthaften Missbrauch ihrer Amtspflichten", sagt Arantes.
12. April: Die Sonderkommission hat entschieden: Die Mehrheit der Mitglieder spricht sich dafür aus ein Amtsenthebungsvefahren einzuleiten. Von den 65 Mitgliedern des Ausschusses, stimmten 38 dafür und 27 dagegen.
13. April: Ein weiterer Koalitionspartner kehrt Dilma Rousseff den Rücken: Die rechtskonservative Fortschrittspartei (PP) kündigte die Zusammenarbeit mit der PT auf. Und das nur wenige Tage bevor im Abgeordnetenhaus über ein Amtsenthebungsverfahren der Präsidentin abgestimmt wird.
15. April: Brasiliens Oberster Gerichtshof gibt grünes Licht für eine womöglich vorentscheidende Abstimmung über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff. Per Eilantrag versuchte die Regierung ein allerletztes Mal das Verfahren zu stoppen. Der Antrag wird von den obersten Richtern abgelehnt.
18. April: Das brasilianische Parlament hat mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Staatspräsidentin Dilma Rousseff gestimmt. Damit kann nun der Senat als nächsten Schritt mit einfacher Mehrheit Rousseff für 180 Tage suspendieren. Während dieser Zeit werden die Vorwürfe gegen Rousseff unter die Lupe genommen. Bis Oktober könnte sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Senat endgültig abgesetzt werden.
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