Widersprüche um Umzug der Muslimbruderschaft nach Graz

Widersprüche um Umzug der Muslimbruderschaft nach Graz
Medien berichten von der baldigen Eröffnung eines Büros der Muslimbruderschaft in Graz. Die Behörden wissen davon nichts.

In London befindet sich das internationale Büro, von dem aus die Muslimbruderschaft ihr Netzwerk am Laufen hält. Glaubt man Berichten der englischen Boulevardzeitung Daily Mail, die sich auf nicht näher genannte Informanten beruft, dann ist dieses Büro in der englischen Metropole bald Vergangenheit. Stattdessen soll die umstrittene religiöse Gruppierung in Graz ihr neues Zuhause finden.

Auslöser für den möglichen Umzug soll eine Ankündigung von Englands Premier David Cameron sein. Dieser sagte Anfang April, dass die englische Regierung die Muslimbruderschaft auf Verbindungen zu Terrororganisationen prüfen wolle. Mit dieser Ansage könnte Cameron die Gruppierung nicht nur aus dem Londoner Stadtteil Cricklewood vertreiben, sondern gleich ganz aus Großbritannien.

Verbindungen in Graz

Die Wahl für den neuen Standort des internationalen Büros soll laut ägyptischen Berichten auf Graz gefallen sein. Auf dem Blog der Bruderschaft könnte sich auch der Grund für die Sympathie mit der steirischen Landeshauptstadt finden: Mehrere Mitglieder der Vereinigung sollen schon in Graz gelebt haben. Die Bruderschaft selbst postete auf ihrer Homepage einen Bericht des ägyptischen Nachrichtenportals youm7. Demnach sollen der "Außenminister" der Bruderschaft Youssef Nada und der Leiter der Bruderschaft in den USA, Ahmed Elkadi, in den 1960er-Jahren in Graz gelebt haben.

Einer der Top-Berater des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi soll außerdem lange Zeit ein Bewohner der Landeshauptstadt gewesen sein. Ein Umzug des Büros in bekannte Gefilde erscheint also durchaus als naheliegend.

Behörden im Unklaren

Auf der anderen Seite wissen die Behörden in Österreich noch überhaupt nichts von etwaigen Graz-Plänen der Muslimbruderschaft. Von der steirischen Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz heißt es auf KURIER-Anfrage, dass bisher noch keine Infos über ein neues Büro der Bruderschaft vorliegen.

"Wenn es zu einem Verdacht kommt, dass widerrechtliche Handlungen passieren, dann werden wir dem natürlich nachgehen", sagt der Polizeisprecher Jürgen Makowecz in Rücksprache mit dem Verfassungsschutz. "Die Bruderschaft selbst ist in Österreich aber nicht verboten", sagt Makowecz weiter.

Trotzdem sind die Behörden hellhörig und scheinen die Berichte zu verfolgen.

Es ähnelt verdächtig den Zuständen unter der Militärdiktatur des 2011 gestürzten Hosni Mubarak. Die neuen Militärmachthaber in Ägypten und ihr Kopf, Armeechef Abdel Fattah al-Sisi, haben die Muslimbruderschaft erneut für illegal erklärt.

Seit Ende des Vorjahres ist die Partei, die seit der Revolution in Ägypten alle demokratischen Wahlen klar für sich entschieden hat, wieder verboten. Doch das ist nur Teil des groß angelegten Feldzugs, den Ägyptens Militärregime gegen die islamistische Bewegung führt. Tausenden Mitgliedern der Bewegung wurde unter teils fadenscheinigen Gründen der Prozess gemacht. Hunderte Todesurteile wurden verhängt, wenn auch deren Vollzug als vorerst unwahrscheinlich gilt.

Die Muslimbruderschaft wird damit wieder in die Illegalität gedrängt. Eine Position, die die älteste islamistische Bewegung des arabischen Raumes aber ohnehin seit Jahrzehnten gewohnt ist. Auch unter Mubarak zuerst streng verboten und später stillschweigend geduldet, hat sich die Bewegung in den Armenvierteln der Großstädte und im unterentwickelten ländlichen Raum Ägyptens festgesetzt. Hier, in den Moscheen, den Koranschulen und in unzähligen sozialen Einrichtung hat sie ihre Machtbasis, genießt sie hohes Vertrauen der örtlichen Bevölkerung.

Die Ideologie der Muslimbruderschaft ist weit gefächert. In der Bewegung finden sich bürgerlich-konservative Moslems, aber auch Anhänger radikalislamischer, oft sogar militanter Strömungen. In den Jahren, in denen die Muslimbruderschaft in Ägypten politisch das Sagen hatte, zeigte sie sich vielerorts als streng konservative Bewegung, die sich strikt gegen eine moderne Gesellschaftsordnung stellt.

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