Aufregung um Snowdens Wien-Aufenthalt

A television screen shows former U.S. spy agency contractor Edward Snowden during a news bulletin at a cafe at Moscow's Sheremetyevo airport June 26, 2013. Russian President Vladimir Putin confirmed on Tuesday a former U.S. spy agency contractor sought by the United States was in the transit area of a Moscow airport but ruled out handing him to Washington, dismissing U.S. criticisms as "ravings and rubbish". REUTERS/Sergei Karpukhin (RUSSIA - Tags: POLITICS SOCIETY TRANSPORT)
Edward Snowden in Wien? Ein Online-Artikel hat für Aufregung und Belustigung im Netz gesorgt.

Die Tagespresse scheint für das Ausland eine verlässliche Quelle - auch wenn sich das Online-Magazin selbst als das "seriöseste" Österreichs bezeichnet. Unter dem Titel "Snowden in Wien gelandet: Vertraut in Trägheit der Justiz" hat das Satire-Magazin einen Artikel über einen angeblichen Aufenthalt Edward Snowdens in Wien veröffentlicht.

Über seine Landung in Wien stand dort zu lesen: Snowden "landete inkognito mit Sonnenbrille mit der ersten AUA-Maschine aus Moskau und begab sich sogleich zur Passkontrolle, wo er sich als politischer Flüchtling zu erkennen gab. Laut Angaben des Beamten, der seinen Antrag entgegennahm, entschied sich Snowden für Österreich, weil ihn die Trägheit der österreichischen Justiz zutiefst beeindruckt habe: 'Er meinte, hier fühle er sich vor den Kraken der US-Justiz sicherer als in jedem Entwicklungsland.'"

Die Folge: Auf Twitter verbreitete sich die Nachricht schnell, eine Aufklärung ließ zumindest einige Zeit auf sich warten - und die Seite der Tagespresse war einige Zeit wegen Überlastung nicht erreichbar (siehe unten). Auch Alexander Schallenberg, Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger, reagierte mit Humor auf die Meldung: "After repeated inquiries from int.media: This is a hoax! Edward Snowden is NOT in Vienna - at least not yet... ;)".

Snowden weiterhin in Moskau

Der Whistleblower hält sich weiterhin in Moskau auf - zumindest gibt es keinerlei Bestätigung von offizieller Seite, die anderes vermuten ließe. Der 30-Jährige besitze nach der Annullierung seiner Dokumente durch die US-Behörden keinen gültigen Pass, meldete die Agentur Interfax am Mittwoch unter Berufung auf den Airport Scheremetjewo in der russischen Hauptstadt; er sitzt also dort fest.

Zuletzt hieß es, er wolle von Russland aus über Kuba nach Ecuador fliegen, wo er Asyl beantragt habe. Washington fordert von Moskau mit Nachdruck die Auslieferung des "Verräters", der mit Enthüllungen über die Überwachungspraktiken britischer und amerikanischer Geheimdienste Schlagzeilen gemacht hat. Kremlchef Wladimir Putin hatte dies abgelehnt. Snowden sei ein freier Mann, der die russische Staatsgrenze offiziell nicht übertreten und in dem Land auch keine Verbrechen begangen habe, hatte Putin am Vortag gesagt. Zudem gebe es kein Auslieferungsabkommen mit den USA.

Trotzdem kann Russland Snowden an die USA überstellen, worauf auch in Moskau mehrere Experten hinweisen. Auch in der Hausordnung des Flughafens Scheremetjewo heißt es, Ausländer mit einem gültigen Flugticket dürften sich ohne russisches Visum nur maximal 24 Stunden im Transitbereich aufhalten. Putin hatte die Chefs der russischen und US-Geheimdienste aufgefordert, sich um den Fall zu kümmern. Beide Seiten haben erklärt, sie seien nicht an einer Verschlechterung ihrer ohnehin gespannten Beziehungen interessiert.

"Moderner Dissident"

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma, Alexej Puschkow, lobte Snowden als "modernen Dissidenten". Der sogenannte Whistleblower sei kein Spion, da er Informationen nicht für Geld, sondern aus Überzeugung preisgegeben habe, schrieb Puschkow auf Twitter.

Auf Antrag eines Abgeordneten des russischen Föderationsrats wird sich auch diese zweite Kammer des Parlaments mit Snowdens Aufenthalt in Moskau befassen. "Snowden ist in die Enge getrieben, das müssen wir untersuchen", sagte der Mandatsträger.

Snowden hatte unter anderem das Abhörprogramm "Tempora" des britischen Geheimdienstes GCHQ enthüllt, mit dem auch deutsche Daten erfasst werden. Die deutsche Bundesregierung hat deswegen Aufklärung von London verlangt. Die britische Regierung will die Fragen der Bundesregierung aber nicht einfach beantworten. Das geht aus einem Schreiben der britischen Botschaft an das Bundesinnenministerium hervor. Darin heißt es: "Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten."

Laut Glenn Greenwald, dem Guardian-Journalisten, der Snowden als Erster kontaktiert hat, hat der US-Whistleblower extreme Vorkehrungen getroffen, falls ihm bei seiner Flucht vor den US-Behörden etwas zustößt. Demnach habe Snowden verschiedenen Menschen weltweit all seine gesammelten Daten in verschlüsselter Form überlassen. „Wenn Edward Snowden irgendendetwas zustößt, hat er arrangiert, dass diese Menschen vollen Zugang zu den Dateien bekommen.“ So wolle er sicher sein, dass die Fakten an die Öffentlichkeit gelangen, auch, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, sie zu veröffentlichen. Wie genau Snowden dabei vorgegangen ist ist, allerdings nicht bekannt.

USA fordern Auslieferung

In der Zwischenzeit haben die USA von Russland, wo sich Snowden laut letzten Angaben von Präsident Wladimir Putin aufhalten soll, zur Auslieferung aufgefordert. „Obgleich wir kein Auslieferungsabkommen mit Russland haben, gibt es dennoch eine eindeutige juristische Grundlage, Mr. Snowden auszuliefern“, erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates in Washington, Caitlin Hayden, am Dienstag. Sie verwies auf die Beschuldigungen gegen Snowden sowie auf den „Status seiner Reiseunterlagen“. Die USA hatten den Reisepass des 30-Jährigen für ungültig erklärt.

Hayden sagte, die US-Regierung sei mit Putin der Meinung, dass dieses Problem die bilateralen Beziehungen beider Länder nicht belasten sollte. Die USA und Russland müssten auf ihre „starke Kooperation beim Gesetzesvollzug“ aufbauen.

Putin hatte am Dienstag bei einem Besuch in Finnland das Rätselraten um den Verbleib des Ex-Geheimdienstlers, der am Sonntag von Hongkong in die russische Hauptstadt geflohen war, beendet. „Herr Snowden ist tatsächlich in Moskau. Für uns war das eine echte Überraschung“, sagte er. Wohin der US-Bürger weiterreisen will, blieb zunächst unklar.

Putin: Snowden droht keine Auslieferung

Putin betonte, Snowden drohe keine Auslieferung. Da es kein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Russland gebe, seien entsprechende Forderung unbegründet. „Snowden ist ein freier Mensch, der selbst das Ziel seiner Reise bestimmen kann“, betonte Putin und wies zugleich Anschuldigungen zurück, Russland verhelfe einem Verräter von Staatsgeheimnissen zur Flucht. „Jedwede Anschuldigungen an die Adresse Russland sind Unsinn und dummes Zeug“, sagte der Kreml-Chef.

„Ich hoffe, dass sich der Fall nicht auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA auswirkt“, sagte Putin weiter. „Je schneller Snowden sein Reiseziel wählt, umso besser für ihn und für Russland.“ Russische Geheimdienste hätten nicht mit Snowden zusammengearbeitet, betonte der Kremlchef. Zu den Plänen Snowdens äußerte sich der russische Ex-Geheimdienstchef nicht.

Ecuador

Der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patino teilte am Dienstag mit, das US-Außenministerium habe sich in einer mündlichen Botschaft an sein Land gewandt. Er habe um eine schriftliche Mitteilung gebeten, fügte Patino während eines Besuchs in Vietnam hinzu. Ein US-Diplomat in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito bestätigte entsprechende Kontakte zwischen den beiden Regierungen. Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa hatte am Montag angekündigt, dass der Asylantrag des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Snowden „mit großem Verantwortungsgefühl“ geprüft werde.

Der venezolanischen Regierung liegt kein Asylantrag Snowdens vor, wie Präsident Nicolás Maduro am Dienstag bei einem Besuch in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sagte. Russische Medien hatten zuvor über einen solchen Antrag spekuliert. Sollte Snowden seine Regierung offiziell um Asyl ersuchen, würde sie das prüfen, fügte Maduro hinzu. Snowden hat nach Angaben der Regierung in Quito bereits in Ecuador um Asyl gebeten.

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