Wahlverstöße überschatten Referendum

epa03516310 Egyptians wait in line to vote, during the second round of a referendum for the new Egyptian constitution, at a polling in Giza, southern Cairo, Egypt, 22 December 2012. More than 25 million eligible Egyptians were called to cast their ballots 22 December in the final phase of a referendum on a disputed draft constitution that has sparked demonstrations by pro- and anti-government protesters. Voting was taking place in 17 electoral districts that are considered to be broadly conservative, meaning a yes vote is expected to prevail. EPA/ANDRE PAIN
Die Opposition fürchtet den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Vizepräsident Mekki trat zurück.

Chaotische Zustände und Verstöße gegen das Wahlrecht haben auch die zweite und letzte Runde des ägyptischen Verfassungsreferendums überschattet. Viele Wähler seien auch diesmal wieder von Islamisten beeinflusst worden, berichteten Beobachter und ägyptische Medien. Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Zur Wahlbeteiligung gab es widersprüchliche Berichte: Während lange Warteschlangen vor allem in ägyptischen Städten zu sehen waren, berichteten Beobachter von einer geringen Beteiligung in ländlichen Gebieten.

Mekki tritt zurück

Ausgerechnet in der Schlussphase der Abstimmung gab Vizepräsident Mahmoud Mekki seinen Rücktritt bekannt. Der Stellvertreter Mursis erklärte, eigentlich habe er sein Amt bereits im November niederlegen wollen. Er habe diesen Schritt aber wegen der Unruhen in seinem Land sowie wegen des aufflammenden Nahost-Konflikts verschoben. Noch Anfang Dezember hatte Mekki in der Krise um den autoritären Führungsstil Mursis eine Verschiebung des Referendums in Aussicht gestellt. Diese gab es jedoch nicht, was zu weiteren Protesten der Opposition führte.

Der im Jahr 1954 geborene Mekki hatte sich als Richter und scharfer Kritiker des Systems des 2011 gestürzten Mubarak einen Namen gemacht. Er setzte sich stets für die Unabhängigkeit der Justiz ein. Verwirrung gab es um eine weitere Rücktrittsmeldung. Das ägyptische Staatsfernsehen widerrief am Samstagabend seine kurz zuvor verbreitete Information, dass der Chef der Zentralbank seinen Rücktritt erklärt habe. Die Regierung habe den Rücktritt von Zentralbankchef Farouk al-Okda dementiert. Die Meldung wurde wenige Stunden nach dem Rücktritt von Vize-Präsident Mekki verbreitet.

Gottesstaat

Der Streit um das von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeitete Regelwerk hat Ägypten tief gespalten. Die Opposition sieht darin den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi wünschen sich genau dies. Der Machtkampf um die erste Verfassung nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder Massenproteste und tödliche Krawalle ausgelöst.

In 10 der 27 ägyptischen Provinzen war bereits vor einer Woche abgestimmt worden. Bis 23.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MEZ) waren die rund 25 Millionen Wähler in den restlichen Provinzen an der Reihe. Nach inoffiziellen Ergebnissen stimmten in der ersten Runde 56 Prozent für die Verfassung, bei einer Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent. Die Opposition beklagte später, die Muslimbrüder hätten Wahlzettel gefälscht und Wähler bedrängt.

Offizielle Ergebnisse werden voraussichtlich erst am Montag bekanntgegeben. Die Annahme des Verfassungsentwurfs gilt als wahrscheinlich. Denn in der zweiten Runde werden mehr Ja-Stimmen als beim Auftakt erwartet, da vor allem in konservativen ländlichen Provinzen gewählt wurde. Wird die Verfassung gebilligt, muss innerhalb von zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden.

Wahlrechtsverstöße

Auch in der zweiten Runde des Referendums meldeten Oppositionelle zahlreiche Wahlrechtsverstöße und Zwischenfälle: Die revolutionäre Jugendbewegung 6. April, die eigene Beobachter in verschiedene Städte entsandt hatte, beklagte, dass fünf ihrer Mitglieder festgenommen worden seien. In Giseh auf der anderen Nilseite von Kairo seien Aktivisten abgeführt worden, weil sie die vorzeitige Schließung eines Wahllokals angeprangert hätten. Die Gruppe kritisierte, dass in mehreren Regionen Islamisten die Wähler genötigt hätten, mit Ja zu stimmen. In der nördlichen Stadt Damietta sei dafür sogar Geld geboten worden.

Die ägyptische Zeitung Al-Ahram berichtete von ähnlichen Vorfällen. So habe in der Provinz Menufija ein Richter seine Wahlhelfer entlassen, weil diese versucht hätten, Wähler zum Ja zu überreden. Rund 30 Prozent der Ägypter sind Analphabeten, die bei der Abstimmung auf Hilfe angewiesen sind. In einigen Wahllokalen sei die Stimmabgabe extrem verzögert worden, da nicht genügend Richter anwesend waren. Zahlreiche Juristen hatten sich aus Protest gegen Mursi geweigert, die Abstimmung zu überwachen.

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