Anwalt bringt Kurden historischen Wahlsieg

Der 42-jährige Anwalt Selahattin Demirtas hat Geschichte geschrieben.

Der Chef der Demokratischen Partei der Völker (HDP) brachte seine türkische Kurdenpartei bei der Parlamentswahl am Sonntag mit 13 Prozent der Wählerstimmen und 80 Abgeordneten in die Volksvertretung von Ankara. Noch nie hat eine Kurdenpartei so viele Stimmen auf sich vereinigen können. Demirtas persönlich hat großen Anteil an dem historischen Erfolg – doch Hilfe vom politischen Gegner spielte auch eine Rolle.

Demirtas, der aus dem osttürkischen Elazig stammt, ist kein Parteichef wie jeder andere. Zum einen bildet er nur die Hälfte einer Doppelspitze in der Führung der HDP – seine Kollegin Figen Yüksekdag ist sein weibliches Pendant als Parteiführer. Zum anderen ist Demirtas, der es mit seiner Schlagfertigkeit und seinem rhetorischen Talent mit Präsident Recep Tayyip Erdogan aufnehmen kann, eine ganze Generation jünger als andere Spitzenpolitiker. Mit ihm als Führungsfigur wirkte das Wahlkampf-Image der HDP als junge, liberale und weltoffene Partei glaubhaft.

Tatkräftige Hilfe erhielten Demirtas und die HDP ausgerechnet von Erdogan. Der Präsident wollte die Kurdenpartei mit aller Macht unter zehn Prozent halten und so einen Parlamentseintritt der HDP verhindern. Doch Erdogan wählte die falschen Mittel dazu und schadete am Ende der eigenen Partei, der AKP. So stieß Erdogan viele potenzielle kurdische AKP-Wähler mit der Bemerkung vor den Kopf, die Türkei habe überhaupt kein Kurdenproblem. Für Unmut bei den Kurden sorgte auch die Entscheidung Erdogans, die kurdischen Verteidiger der nordsyrischen Stadt Kobane bei der Belagerung durch den "Islamischen Staat" 2014 ihrem Schicksal zu überlassen.

Geschickt appellierte Demirtas an alle Erdogan-Gegner und ans kurdische Nationalgefühl: Die HDP stand für die allererste Chance der Kurden, ihre eigene Partei direkt ins Parlament zu schicken. Bisher hatten sich kurdische Politiker gleichsam durch die Hintertür in die Volksvertretung geschmuggelt, indem sie bei Wahlen als nominell parteilose Kandidaten antraten. Für unabhängige Bewerber gilt die Zehn-Prozent-Hürde nicht.

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