New York sucht einen Bürgermeister

Bill de Blasio - im Bild mit Ehefrau Chirlane McCray - hat die Herzen der New Yorker im Sturm erobert.
Am Dienstag entscheidet der Big Apple, wer Michael Bloomberg beerben wird - ein Machtwechsel kündigt sich an.

Glaubt man den Meinungsforschern, so ist die Bürgermeister-Wahl in New York City bereits geschlagen, bevor das erste Wahllokal seine Pforten geöffnet hat. Zu deutlich ist der Vorsprung des demokratischen Kandidaten Bill de Blasio auf seinen republikanischen Kontrahenten Joe Lhota. Letzte Zahlen prognostizieren gar einen Erdrutschs-Sieg, von bis zu 40 Prozent mehr Stimmen ist die Rede.

Familienmensch

Eigentlich als Warren Wilhelm, Jr. geboren, nahm de Blasio später den Namen seiner italienischstämmigen Mutter an - zum besseren Verständnis seiner Entscheidung beschrieb er das Verhältnis zu seinem Vater: "Er war ein von seinen Erlebnissen im zweiten Weltkrieg gebeutelter Alkoholiker (...). Er konnte seine eigenen Dämonen nicht bezwingen."

Der fast zwei Meter große gebürtige New Yorker ist seit 1994 mit Chirlane McCray verheiratet und hat zwei Kinder. Dass es zur vermeintlich klassischen Familienkonstellation kam, war dabei jedoch alles andere als absehbar. Bis sich die beiden im Jahr 1991 kennenlernten, war McCray bekennende Lesbe. "Ich dachte nicht, dass ich mich jetzt zu Männern hingezogen fühle. Ich fühlte mich zu Bill hingezogen. Er schien der perfekte Mensch für mich zu sein", erklärte de Blasios nunmehrige Ehefrau ihren Sinneswandel.

Doch nicht nur McCray, auch ihre beiden Sprösslinge sind weit über ihre Klassenzimmer hinaus bekannt. Neo-Studentin Chiara und Sohn Dante, der eine öffentliche Highschool besucht - ein Novum unter den Bürgermeister-Kandidaten der Stadt -, rührten kräftig die Wahlkampf-Werbetrommel für ihren Dad. Dantes Afro-Frisur sorgte gar weit über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen

Glaubwürdigkeit

Zwar kann sich de Blasio, der sich bei den demokratischen Vorwahlen für viele überraschend gegen einige bekanntere Parteikollegen durchsetzen konnte, auf prominente Unterstützer wie Sarah Jessica Parker oder Alec Baldwin stützen, doch de Blasio ist in den Augen vieler New Yorker vor allem eines: glaubwürdig.

Denn mit de Blasio könnte erstmals ein nicht Manhattan-zentrierter Bürgermeister in die City Hall einziehen. Als Kandidat der "Outer Boroughs" - also jener vier New Yorker Stadtteile abseits des Weltfinanzzentrums - fährt de Blasio ein Hybrid-Auto, trinkt Bio-Milch und im Garten hinter dem Haus wächst Gemüse. Er ist gleichsam der Brooklyner Vorzeige-Bohemian.

Mit seinem Vorschlag, jenen Bürgern, die mehr als 500.000 Dollar verdienen, extra Steuern abzuknöpfen und damit einen kostenlosen Vor-Kindergarten für alle Bürger zu finanzieren, traf de Blasio den Nerv des liberalen New York. Auch seine Ideen, die Wohnsituation im Big Apple leistbarer zu machen, unterstreichen seine bisherigen politischen Ambitionen.

De Blasio profitiert dabei wohl auch vom scheidenden Stadtchef Michael Bloomberg. Ursprünglich als republikanischer Kandidat und Nachfolger seines "Parteigenossen" Rudy Giuliani ins Amt gewählt, kehrte Medienmann Bloomberg zwar 2007 der Partei den Rücken, bleibt den New Yorkern aber wohl vorwiegend ob seines kompromisslosen Regierungsstils in Erinnerung.

Stationen

Bereits mit seinem Start ins Arbeitsleben sollten die Weichen für di Blasios spätere politische Positionen gestellt werden. Die Arbeit für eine NGO mit Fokus auf die Gesundheitsversorgung in Mittelamerika, sowie seine Unterstützung der Sandinisten in Nicaragua (welche zu dieser Zeit in Opposition zu den USA unter Präsident Reagan standen) haben noch heute großen Einfluss auf den Wertekanon seines Programms.

Nach Stationen im New Yorker Rathaus, als Chef des regionalen "Wohnbaus" und als Kampagnen-Manager für Hillary Clintons Senats-Einzug wurde de Blasio 2001 in den New Yorker Stadtrat gewählt. Dort angekommen, setzte er seine Arbeit für den ärmeren Teil der Stadt fort und war unter anderem dafür verantwortlich, dass Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, leichter an Wohnungen kommen. Seit 2009 wirkt er als Volksanwalt mit Fokus auf Bildung und leistbares Wohnen.

Eine letzte Hürde hat sich de Blasio jedoch zuzuschreiben: Im Baseball-verrückten New York hat er als Fan der Boston Red Sox keinen leichten Stand.

Joe Lhota hat als republikanischer Kandidat für das New Yorker-Bürgermeisteramt große Fußstapfen zu füllen - nach Rudy Giuliani und Michael Bloomberg wirkt Lhota für viele Beobachter farblos, lässt Ecken und Kanten vermissen.

Der bisher größte Erfolg des Republikaners kam in einer der schwersten Stunden New Yorks : Nach dem verheerenden Durchzug von Wirbelsturm "Sandy" im vergangenen Oktober organisierte der damalige Chef der Verkehrsbehörde die Aufräumarbeiten so gut, dass die U-Bahnen schon nach wenigen Tagen wieder fahren konnten. Das brachte ihm Lob von allen Seiten ein.

Der 1954 im New Yorker Stadtteil Bronx als Sohn eines Polizisten geborene Lhota, der unter anderem an der Elite-Universität Harvard Wirtschaft studierte und dann jahrelang als Investment-Banker arbeitete, gilt inzwischen als erfahrener Politiker. Unter Rudy Giuliani, dem Vorgänger des derzeitigen Bürgermeisters Michael Bloomberg, war Lhota unter anderem Chef der Finanzbehörde und Vize-Bürgermeister. Lhota, der verheiratet ist und eine Tochter hat, gilt als sehr moderater Republikaner: Abtreibung, Homo-Ehe und die Legalisierung von Marihuana unterstützt er.

Der parteilose Kandidat Adolfo Carrión Jr. gilt als indes chancenlos.

(apa)

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