Voller Durchblick im Hamburger Rathaus

Voller Durchblick im Hamburger Rathaus
Die Hansestadt hat ein umfassendes Transparenzgesetz – dank der direkten Demokratie

Was es kostet – das kann noch keiner sagen. Was es bringt – auch noch nicht. Das Hamburger Transparenzgesetz ist trotzdem schon jetzt ein Vorbild. „Einige Länder sind stark daran interessiert“, sagt Hansjörg Schmidt, SPD-Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit Oktober ist das Gesetz in Kraft.

Beschlossen wurde es von allen Fraktionen einstimmig. Aber: Möglich wurde es nur durch eine Bürgerinitiative – und durch die direkte Demokratie. Die Sektion 8, eine kritische Gruppe in der SPÖ Wien, hat Schmidt und einen Vertreter der Initiative „Mehr Demokratie“ Ende Oktober eingeladen, um das Modell vorzustellen. Das Hamburger Gesetz ist knallhart: Die Stadt muss amtliche Vorgänge kostenlos zugänglich machen. Verträge der Stadt, Baupläne, Gutachten, sogar das Baumkataster – fast alles.

In zwei Jahren muss ein Register im Internet eingerichtet sein; bereits jetzt sind Anfragen möglich. Während neue Transparenzgesetze in Österreich nur nach einer Serie von Skandalen durchzusetzen sind, verordnet sich Deutschlands zweitgrößte Stadt freiwillig den Zahlen-Striptease – warum? Daniel Lentfer von „Mehr Demokratie“ erklärt den Hintergrund: In Hamburg gibt es noch etwas, von dem in Österreich alle nur reden: verpflichtende Volksabstimmungen, wenn Volksbegehren genug Unterstützung bekommen. „Letztes Jahr im Oktober haben wir die Volksinitiative gestartet“, sagt Lent­fer. Binnen sechs Wochen kamen 15.000 Unterschriften zusammen und die Parteien haben eingelenkt. „Sie mussten sich fragen, ob sie einen Transparenz-Wahlkampf gegen ein schlagkräftiges NGO-Bündnis gewonnen hätten.“

Guter Start

Die Regierung konnte die Sache nicht aussitzen. Hätte sie nicht eingelenkt, wäre als nächste Stufe ein Volksbegehren gekommen und letzten Endes eine Abstimmung. Deshalb habe die Stadt von Beginn an ernsthaft verhandelt, sagt Lentfer.

Hamburg habe die größten Mitbestimmungsmöglichkeiten aller Bundesländer, sagt der SPD-Mandatar Schmidt. Vor drei Jahren gab es eine
Wahlrechtsreform – seither dürfen alle Hamburger ihre Stimme in fünf Punkte teilen, die sie auf beliebige Kandidaten aufteilen dürfen, auch von verschiedenen Parteien. Die Verhandlungen der Stadt mit der NGO-Initiative (auch der Chaos Computer Club hat mit gewirkt) haben dazu geführt, dass nicht alles offengelegt werden muss. So sind etwa manche Einsatzdaten der Polizei zu sensibel.

Aber selbst alte Verträge müssen offengelegt werden: Private Partner der Stadt können dagegen Einspruch erheben, im Zweifelsfall wird das öffentliche Interesse aber höher bewertet. In Zukunft müssen Verträge sogar vor Inkraftreten veröffentlicht werden. „Bürger sind jetzt nicht mehr passiv. Sie haben jetzt die Pflicht, zu schauen, was die Stadt eigentlich macht“, sagt Lentfer.

Was die Offenlegung kosten wird, das ist eben noch offen. Inklusive Infrastruktur könnte es ein dreistelliger Millionenbetrag werden. Andererseits gebe es viel Sparpotenzial, sagt Lentfer: „Allein 2010 gab es 40 Millionen Euro nachgewiesene Korruptionsschäden in Hamburg.“

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