Venezuelas drohende Pleite: Maduro will Trump sprechen

Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro zeigt sich nach der Verhängung neuer US-Sanktionen gesprächsbereit - dem Staat droht eine Riesen-Pleite.

Nicolas Maduros Not muss groß sein - immerhin streckt er seine Hand nun in Richtung Donald Trump aus. Er habe Außenminister Jorge Arreaza beauftragt, ein Telefonat mit dem US-Präsidenten oder ein persönliches Treffen am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung im September in New York zu organisieren, sagte Maduro vor der Verfassunggebenden Versammlung in Caracas.

Dennoch nutzte Maduro seine mehr als dreistündige Rede auch für neue Verbalattacken gegen die USA, denen er vorwarf, hinter einem Überfall auf einen Militärstützpunkt im Norden Venezuelas am Sonntag zu stecken. Die US-Regierung hatte nach der Wahl der Verfassungsversammlung Ende Juli Sanktionen gegen Maduro verhängt und sein Vermögen in den USA eingefroren. Washington bezeichnete den sozialistischen Staatschef als "Diktator" und kritisierte das neue Gremium als "rechtswidrig". Später erließen die USA außerdem Strafmaßnahmen gegen weitere venezolanische Amtsträger.

Die auf Geheiß von Maduro gewählte verfassunggebende Versammlung steht über dem Parlament. Sie soll die Verfassung novellieren. Die Opposition erkennt die Versammlung nicht an, mehrere Staaten der Region verweigern ihr ebenfalls die Anerkennung. In Venezuela tobt ein erbitterter Machtkampf zwischen der Regierung und der Mitte-rechts-Opposition. Das Land wird seit Monaten von politischen Unruhen erschüttert. Im Verlauf der gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden seit Anfang April mindestens 125 Menschen getötet.

Generalstaatsanwältin auf der Flucht

Auch die entlassene Generalstaatsanwältin Venezuelas, Luisa Ortega, fürchtet um ihr Leben. Sie sei auf der Flucht, aber sie werde in ihrem Kampf für Demokratie und Freiheit in Venezuela nicht nachlassen, sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters. Sie hatte im März mit Präsident Maduro gebrochen und wurde zu einer scharfen
Kritikerin des Staatschefs, der mit der Installation einer neuen Verfassungsversammlung das Parlament aushebelte. "Ich weiß nicht, welche dunklen Absichten und Pläne sie womöglich haben, um mich nicht nur meiner Freiheit zu berauben, sondern mir auch das Leben zu nehmen", sagte sie. Die 59-jährige Juristin lebt versteckt und wechselt mindestens einmal am Tag ihren Unterschlupf. Sie fühle sich permanent verfolgt, klagte sie. Dennoch arbeite sie weiter für das Land, sagte Ortega. Sie
stehe im Kontakt zu Staatsanwälten und anderen Institutionen in Venezuela und in anderen Ländern. Genauer wollte sie sich dazu nicht äußern. "Ich bin die Generalstaatsanwältin Venezuelas", betonte sie.

Staatspleite rückt näher

Maduros drohender Umbau Venezuelas in eine Diktato, betrifft nicht nur Menschenleben - bereits im Herbst könnte in Venezuela eine der größten Staatspleiten der westlichen Hemisphäre drohen. Kritisch werde es im Oktober und November, sagt der Chef der Banco Venezolano de Credito, Germán García-Velutini. "Dann sind jeden Monat rund zwei Milliarden US-Dollar zurückzuzahlen." Im Moment werde versucht, alles zu Geld zu machen. "Wie wir hier sagen: Sie verkaufen alles bis zur Schwiegermutter", sagt der oberste Banker eines der bekanntesten Geldinstitute des Landes. Venezuela wirkt gerade wie ein fragiles Kartenhaus, auch die Finanziers Russland und China werden angeblich langsam sehr nervös.

Eigentlich müsste das Parlament grünes Licht geben für den Verkauf der "Juwelen", zum Beispiel von Ölfeldern in der Orinoco-Region. Aber die von Maduro geschaffene "Volksversammlung", die das Parlament einfach abgelöst hat, gibt dem Präsidenten mehr Handlungsspielraum. Gegen den Willen der Opposition wurden auch die Goldsreserven mehr als halbiert, von über 360 Tonnen Gold auf geschätzt 170 Tonnen.

Venezuela hat vier Hypotheken, die es nun zu erdrosseln drohen.
- Der Ölfluch: Das Land hat mit den Quellen etwa am Maracaibo-See die größten Reserven der Welt. Das hat aber auch eine fatale Abhängigkeit geschaffen - 95 Prozent der Exporteinnahmen kommen vom Öl, allein rund zehn Milliarden Dollar vom größten Abnehmer, den USA. Wenn die Vereinigten Staaten plötzlich die Einfuhr stoppen wegen Maduros Marsch in die Diktatur, ist das Land wohl pleite. Dessen Vorgänger Hugo Chávez hatte das Glück eines Ölpreises von zeitweise 100 Dollar je Barrel. Heute gibt es gerade noch 43 Dollar.
- Staatliche Misswirtschaft: Tausende Ölarbeiter mit viel Know-how, aber zu wenig Linientreue wurden gefeuert. Das Militär, das viele Sektoren dominiert, erwies sich als schlechter Unternehmer. Staatlich festgesetzte Preise ließen ganze Branchen kollabieren, weil sich die Produktion nicht mehr lohnte. Früher half der Staat Bauern bei der Finanzierung von Saatgut und Dünger, das Geld fehlt nun. So muss immer mehr importiert werden. Weil Schulden bedient werden müssen, fehlt Geld dafür. Plötzlich hungern Menschen im ölreichsten Land.
- Korruption: Es kommt nicht von ungefähr, dass die USA gegen mehr als 20 Funktionäre Finanzsanktionen verhängt haben. Konten, auf die US-Behörden Zugriff haben, wurden eingefroren. Viel Geld scheint in dunklen Kanälen zu versickern, in den „Panama Papers“ gibt es viele Hinweise auf Geldanlagen der Regierungselite in Steueroasen. Ein Privatunternehmer sagt, die Beteiligungen des Militärs an Unternehmen hätten den Zweck, Loyalität zu sichern. „Sie dienen der Bereicherung für mittlere und niedere Generalsränge.“ Und Lebensmittelpakete, die vom Militär an Anhänger der Regierung verteilten soll, landen oft auf dem Schwarzmarkt. Die USA bezichtigten zudem Vizepräsident Tareck El Aissami, sich am Kokainhandel zu beteiligen, was er bestreitet.
- Benzin-Irrsinn: Der Raffinerie-Komplex Paraguaná gilt von der Kapazität her als der drittgrößte der Welt. Bis zu 950 000 Barrel Öl könnten pro Tag verarbeitet werden. Aber heute werden keine 40 Prozent davon geschafft. So muss Venezuela für mehrere Milliarden Dollar Benzin einführen - selbst vom Erzfeind USA. Der Sprit ist dennoch der billigste der Welt. Man bekommt derzeit für einen US-Dollar bis zu 1500 Liter. Gerade die Armen haben aber kein Auto, die Folgen der horrenden Benzin-Subventionierung treffen sie am stärksten - denn auch deshalb fehlt Geld für den Lebensmittelimport.
Viele aus der sozialistischen Führungselite verfolgen in diesen Tagen sehr kapitalistische Motive. Man scharrt sich um Maduro, damit der weiter dafür sorgt, dass die Schulden bezahlt werden. Viele halten Anteile am staatlichen PDVSA-Ölkonzern - ihnen drohen bei einer Pleite massive Verluste. Doch der wahre Verlierer wäre „ihr“ Volk.

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