Venezuela: Wichtige Kritikerin Maduros abgesetzt

Venezuela: Wichtige Kritikerin Maduros abgesetzt
Verfassungsversammlung entließ Venezuelas Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz.

Im sozialistischen Venezuela verschärft die Regierung von Präsident Nicolas Maduro nach der faktischen Entmachtung des Parlaments die Gangart gegen Kritiker. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz wurde am Samstag von ihren Aufgaben entbunden. Dies entschied die neue Verfassungsgebende Versammlung auf Antrag des Obersten Gerichtshofs in ihrer ersten regulären Sitzung in der Hauptstadt Caracas.

Das von der Staatsführung neu eingerichtete Gremium bestimmte Ombudsmann Tarek William Saab am Samstag zum Interimsnachfolger. Die 545 Mitglieder der Verfassungsversammlung beschlossen am Samstag außerdem, "bis zu zwei Jahre" zu tagen. Die Entscheidung fiel einstimmig.

Venezuela: Wichtige Kritikerin Maduros abgesetzt
Luisa Ortega Diaz vor ihrem Büro am 5. August

Auf dem Weg zur Diktatur?

Die international scharf kritisierte Versammlung ist mit allen Vollmachten ausgestattet - Maduro preist sie als Vertretung des Volkes. Es befinden sich aber fast nur Anhänger der Sozialisten in dem Gremium, auch Maduros Frau und sein Sohn. Die Opposition fürchtet den Umbau zur Diktatur und Repression.

Vor der Entscheidung hatte die Militärpolizei den Sitz von Ortegas Strafverfolgungsbehörde, das Ministerio Publico, abgeriegelt und ihr den Zugang verwehrt. "Ich lehne diese Belagerung ab", schrieb Ortega Diaz bei Twitter. "Ich klage diese Willkür vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft an."

Sie stand lange treu an der Seite des Präsidenten, aber seit März stieg sie zur weltweit beachteten Gegenspielerin Maduros auf. Als erstes kritisierte sie die zeitweise Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments durch den Obersten Gerichtshof. Auf ihren Druck hin wurde auf Betreiben Maduros das Urteil wieder aufgehoben. In der Folge ging sie immer mehr auf Konfrontation. So kritisierte sie den Plan, eine Verfassungsgebende Versammlung wählen zu lassen als Putsch gegen die von Hugo Chavez entwickelte Verfassung, die eine Gewaltenteilung vorsieht.

Seit 2008 arbeitete die 59-Jährige als Generalstaatsanwältin, ihre Amtszeit lief eigentlich bis 2021. Aber für führende Sozialisten war sie zum Feindbild geworden, auf sie und ihr Umfeld soll massiver Druck ausgeübt worden sein. Der sozialistische Bürgermeister von Caracas, Jorge Rodriguez, warf ihr zuletzt vor, über die Zahl der Toten bei Protesten zu "lügen" und die Zahl zu übertreiben, er nannte sie vor einer Woche bereits "die künftige Ex-Generalstaatsanwältin".

Wohl nirgendwo auf der Welt finden derzeit so viele Demonstrationen statt wie seit April in Venezuela. Die Kondition der Demonstranten ist erstaunlich, im ganzen Land protestieren Menschen gegen den sozialistischen Staatschef Nicolas Maduro. Aber auch dessen Anhänger, überwiegend aus den mit Sozialleistungen alimentierten Armenvierteln, halten dagegen.

Das auf Konfliktstudien spezialisierte Institut Observatorio Venezolano de Conflictividad Social (OVCS) hat nun mitgeteilt, dass in den vergangenen vier Monaten, vom 1. April bis zum 31. Juli, exakt 6.729 Demonstrationen gezählt worden seien.

Das ist ein Schnitt von 56 Demos am Tag. Seit April starben nach offiziellen Angaben bei Protesten und Unruhen 121 Menschen, das der Opposition nahestehende Institut OVCS kommt sogar auf 157 Todesopfer. Zudem wurden laut OVCS 428 Plünderungen in ganz Venezuela gezählt.

USA erkennen Venezuelas verfassungsgebende Versammlung nicht an

Die USA gaben am Donnerstag indes bekannt, die umstrittene verfassungsgebende Versammlung in Venezuela nicht anerkennen zu wollen. Mit der Versammlung will sich Präsident Nicolas Maduro am Parlament vorbei umfassende Vollmachten sichern. Das Gremium sei das unrechtmäßige Produkt eines manipulierten Prozesses, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums am Donnerstag.

Die Versammlung sei ein weiterer Angriff der "Maduro-Diktatur" auf die Demokratie, erklärte das Ministerium weiter. Maduro hatte Manipulationsvorwürfe bei der Wahl zurückgewiesen. "Die Wahl kann von niemanden in den Schmutz gezogen werden, weil sie transparent war und vor, während und nach der Stimmabgabe überprüft wurde", sagte der Staatschef am Mittwoch (Ortszeit) in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache vor Anhängern.

Maduro reagierte auf Informationen der Firma Smartmatic, die die Wahlcomputer für Venezuela zur Verfügung stellt. Deren Chef hatte erklärt, dass die Angaben zur Wahlbeteiligung eindeutig manipuliert gewesen seien. Die Behörden hätten eine um schätzungsweise mindestens eine Million zu hohe Zahl angegeben.

Die Opposition hatte zum Boykott der auch international scharf kritisierten Abstimmung aufgerufen. In die Verfassungsversammlung wurden ausschließlich Unterstützer Maduros gewählt. Das Gremium kann andere staatliche Institutionen auflösen, darunter das von der Opposition kontrollierte Parlament. Maduro zufolge kann es auch die Immunität von Abgeordneten, die diese vor Strafverfolgung schützt, aufheben. Der Präsident hat erklärt, die Versammlung sei nötig, damit er für Frieden in dem lateinamerikanischen Land sorgen könne. Die Versammlung sollen am Freitag ihre erste offizielle Sitzung abhalten.

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