USA verärgern Russland mit Truppen in Osteuropa

Barack und Michelle Obama zwischen Panzern im US-Staat Georgia
25 Jahre nach Ende des Warschauer Paktes wollen die USA eine Panzerbrigade an die Ostflanke der NATO verlegen.

Der Kalte Krieg zwischen Ost und West wurde 1991 durch den Zerfall der Sowjetunion gegenstandslos. Am 31. März vor 25 Jahren löste sich zudem mit dem Warschauer Pakt das Gegenstück zur NATO auf (siehe "Das Rote Bündnis" unten). Ausgerechnet zum Jubiläum der Auflösung des Militärbündnisses kündigen die USA nun eine deutliche Truppenverstärkung in Osteuropa an. Eine komplette Panzerbrigade soll ab Februar 2017 an die Ostflanke der NATO verlegt werden.

Damit konkretisiert die US-Regierung schon bisher bekannte Pläne. US-Präsident Barack Obama hatte im Jänner höhere Verteidigungsausgaben für Europa angekündigt. In der Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Washington hieß es, man reagiere damit auf die Sorgen europäischer Verbündeteter angesichts einer "russischen Aggression".

Die Begriffe des Kalten Krieges sind zurückgekehrt.

"Assymetrische" Gegenmaßnahmen

In der altbekannten Logik des gegenseitigen Belauerns kündigte die russische Seite prompt Gegenmaßnahmen an. "Wir sind keine untätigen Beobachter, wir ergreifen regelmäßig militärische Maßnahmen, die wir für notwendig erachten, um diese verstärkte Präsenz auszugleichen, die durch nichts gerechtfertigt ist", sagte der russische NATO-Botschafter Alexander Gruschko dem TV-Sender Rossija-24. Die Antwort Russlands werde "völlig asymmetrisch" ausfallen, sagte Gruschko, ohne Details zu nennen. Aber "sie wird so austariert, dass sie unserer Einschätzung der militärischen Bedrohung entspricht, maximal effektiv ist und keinen übermäßigen Mitteleinsatz erfordert", sagte der russische Botschafter bei der NATO.

Die NATO solle sich mehr um die Bedrohungen durch Terroristen aus dem Süden kümmern, forderte er. In der Unterstützung für die Ukraine spiele das westliche Bündnis schon jetzt eine "äußerst negative Rolle". Ein NATO-Beitritt, wie ihn Georgien und die Ukraine erwägen, würde einen "Sprengsatz unter den Grundfesten der europäischen Sicherheit" bedeuten, erklärte Gruschko.

Ein anderer Vertreter des Außenministeriums in Moskau erklärte, man hoffe auf eine Sitzung des NATO-Russland-Rates bis Mai. Die Sitzungen des Gremiums waren 2014 wegen der Ukrainekrise vom Westen ausgesetzt worden.

Modernere Truppen vs. "aggressives Russland"

Die US-Panzerbrigade soll zu Übungszwecken rotierend in verschiedenen Ländern eingesetzt werden. Über die exakten Orte machte das Pentagon keine Angaben. In Frage kommen als direkte Nachbarn Russlands die baltischen Staaten und Polen, außerdem Rumänien und Bulgarien. Nach dem für Ende 2017 geplanten Abschluss der Aufstockung hätten die USA dann drei Brigaden in Europa. Die geplante Verstärkung umfasst demnach 4.200 Soldaten, 250 Panzer, außerdem Haubitzen, Kampffahrzeuge und weitere 1.700 zusätzliche Fahrzeuge.

Das Pentagon erklärte, man werde in Europa modernere Truppen der USA und "größere Fähigkeiten" sehen. "Damit setzen wir die Strategie fort, unsere NATO-Alliierten und Verbündete unseres starken und angemessenen Vorgehens angesichts eines aggressiven Russland in Osteuropa und anderswo zu versichern", erklärte der Oberbefehlshaber des europäischen Kommandos EUCOM, General Philip Breedlove.

USA betonen Bedeutung der NATO

US-Verteidigungsminister Ashton Carter hob am Mittwoch zugleich die Bedeutung der NATO hervor. Das Bündnis habe seit seiner Gründung wichtige Arbeit für die internationale Sicherheit und die Sicherheit der USA geleistet. US-Generalstabschef Joseph Dunford erklärte: "Die Bedeutung der NATO steht außer Frage."

Beide reagierten damit auf Aussagen des umstrittenen republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump. Dieser hatte in der vergangenen Woche gefordert, die US-amerikanischen Ausgaben für das Bündnis zu kürzen.

"Ich bedaure nicht das Ende des Warschauer Vertrags. Ich bedaure nur, dass es die NATO noch gibt", sagte der russische Vize-Parlamentschef Wladimir Lukin nach dem Ende des Zwangsbündnisses. Die Hoffnung auf mehr Frieden war groß, als sich der Warschauer Pakt Ende März 1991 als Folge der Revolutionen in Ost- und Mitteleuropa nach 36 Jahren auflöste. Ein Trugschluss: Dem Jugoslawien-Krieg folgten weitere bewaffnete Auseinandersetzungen, etwa in der Ukraine. Und mit dem internationalen Terror sieht sich Europa neuen Herausforderungen gegenüber.

Dass sich die NATO damals ebenfalls hätte auflösen oder zumindest reformieren müssen - diese Forderung ist auch ein Vierteljahrhundert nach Ende des Warschauer Pakts in Moskau oft zu hören. "Der Westen hat es im Triumphgefühl versäumt, Russland in eine neue Friedensordnung einzubinden", schrieb etwa die Moskauer Zeitung Kommersant vor kurzem. Eine Folge davon sei etwa die Instabilität in Jugoslawien und der Ukraine gewesen. Aus westlicher Sicht ist Russland selbst für die Lage verantwortlich. Moskau verweigere sich bis heute einer sicherheitspolitischen Integration, erklären westliche Experten.

USA verärgern Russland mit Truppen in Osteuropa
Karten Europa mit militärischen und wirtschaftlichen Bündnissen bis 1989, Factbox zu NATO, Warschauer Pakt, EG und ComeconGRAFIK 0654-05-Geschichte.fh8, Format 134 x 160 mm

NATO näher an Russland herangerückt

Seit Auflösung der militärischen Strukturen des Warschauer Pakts hat sich die einstige Trennlinie aus den Zeiten des Kalten Krieges fast 1000 Kilometer auf Russland zubewegt. Bei der schmucklosen Unterzeichnung der Auflösung am 31. März 1991 ahnte wohl niemand, dass sich die NATO innerhalb weniger Jahre bis zur Ostgrenze Polens ausdehnen würde. Die meisten Länder Mittel- und Osteuropas haben sich von Russland abgewendet. Von der früheren Sowjetrepublik Estland im Norden bis zum ehemaligen Bruderland Bulgarien im Süden sind heute ein Dutzend Staaten der Region NATO-Mitglieder.

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Mitglieder der Alternativen Liste Berlin fordern bei einer Demonstration mit einem Transparent die Auflösung von NATO und Warschauer Pakt (Archiv-Foto vom 12.04.1982). Am 5. Oktober 1978 wurde der erste Landesverband der Grünen gegründet, 25 Jahre später sind bei den Berliner Grünen nur noch Überreste der einstigen revolutionären Gesinnung zu finden. Foto: Konrad Giehr dpa/lbn ( zum dpa-KORR: "25 Jahre Berliner Grüne: Vom Sponti-Idyll in die Parlaments-Realität" am 30.09.2003)
Sie fühlten sich jahrzehntelang von Moskau unterdrückt und sehen das westliche Militärbündnis als Garanten ihrer nationalen Unabhängigkeit. Spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre war deutlich zu erkennen, dass Mitteleuropa und Russland getrennte Wege gehen. Auch in der ehemaligen DDR, die bis zur Wiedervereinigung 1990 Mitglied des Warschauer Pakts war, sind die Kontakte mit Moskau, Nowosibirsk oder Wladiwostok weitgehend abgebrochen. "Mit dem Ende des Warschauer Pakts ging nicht nur die bipolare Welt verloren. Es verschwanden auch wichtige menschliche Kontakte zwischen Ost und West", meint der russische Politologe Artjom Kretschetnikow.

NATO-Gipfel in Warschau

25 Jahre nach der Auflösung des "Roten Bündnisses" richten sich die Blicke in diesen Tagen wieder auf Warschau. Im Juli trifft sich die Allianz in der polnischen Hauptstadt zum NATO-Gipfel. "Der Ort, in dem der Warschauer Pakt als Bündnis gegen die NATO gegründet wurde, hat zwangsläufig symbolische Bedeutung", sagt der russische Politologe Dmitri Trenin. Er meint, dass 1991 eine Chance auf ein neues Miteinander von Ost und West vergeben wurde. "Bleibt zu hoffen, dass diesmal von Warschau ein Signal der Kooperation ausgeht", betont der Experte vom Carnegie Centre in Moskau.

(Von Wolfgang Jung/dpa)

Die "Organisation des Nordatlantikpakts" (NATO) wurde am 4. April 1949 in Washington von zunächst zwölf Staaten gegründet. Laut NATO-Vertrag wird ein Angriff auf ein einzelnes Bündnisland als Angriff auf die gesamte Allianz betrachtet. Alle NATO-Mitglieder sind so zum militärischen Beistand verpflichtet. Österreich ist als neutraler Staat nicht NATO-Mitglied.

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Zentralbild/prasa 14.5.1955 Vertragsunterzeichnung in Warschau Auf der 4.Plenarsitzung der Warschauer Konferenz zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit in Eruopa, stimmten am 14. Mai 1955 alle Regierungsdelegationen dem Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zu. Noch am gleichen Tage wurde der Vertrag von den Vertretern der acht Staaten unterzeichnet. UBz: Ministerpräsident Otto Grotewohl unterschreibt dür die Deutsche Demokratische Republik.

Warschauer Pakt als Reaktion

Als Reaktion auf die NATO-Gründung einigten sich am 14. Mai 1955 unter Moskaus Führung acht osteuropäische Staaten auf den "Warschauer Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand". Darin verpflichten sich die Mitglieder des im Westen "Warschauer Pakt" genannten Bündnisses zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bei einem bewaffneten Überfall dem Angegriffenen auch mit militärischen Mitteln Beistand zu leisten.

Zu den Unterzeichnern gehörten Albanien, Bulgarien, die DDR, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei, Ungarn und die Sowjetunion. Als offiziellen Grund für den Zusammenschluss nannten sie den NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland am 9. Mai 1955.

Kontrolle der Bruderstaaten

Der Pakt diente wohl vor allem der Kontrolle Moskaus über die kleineren Bruderstaaten. Bereits ein Jahr nach Gründung marschierten sowjetische Soldaten in Ungarn ein, um die dortige Reformbewegung zu beenden. Und 1968 erstickten die eigentlich verbündeten Einheiten den Prager Frühling. Mit Gründung des Warschauer Pakts begann auch das Wettrüsten der beiden mächtigsten Militärorganisationen jener Zeit. Zeitweise hatte der Warschauer Pakt fünf Millionen Mann unter Waffen.

1968 verkündete Kremlchef Leonid Breschnew, die Pakt-Staaten hätten nur eine eingeschränkte Souveränität und dürften das "sozialistische Lager" nicht verlassen. Michail Gorbatschow verwarf die Breschnew-Doktrin, und die Zwangsgemeinschaft zerbrach 1991.

NATO expandiert

Die NATO besteht weiter. Beim Fall der Berliner Mauer 1989 hatte das Bündnis 16 Mitglieder. Aktuell sind es 28, darunter frühere Staaten des Warschauer Paktes und ehemalige Sowjetrepubliken.

Eine KURIER-Grafik zum Thema Warschauer Pakt als PDF

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