Eine Mega-Moschee als Waffe

Selbstbewusst: Muslime in den USA sind auch eine wirtschaftlich starke Gruppe.
Riesenkomplex in Maryland dient Premier Erdogan im Kampf gegen Widersacher Gülen.

Er hoffe, die USA würden Fethullah Gülen an die Türkei ausliefern, sagte vor einigen Tagen der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan im Interview mit dem renommierten amerikanischen TV-Journalisten Charlie Rose. Erdogan beschuldigt den Prediger Gülen, ihn entmachten zu wollen. Seit Monaten tobt ein Machtkampf zwischen den ehemaligen Verbündeten.

Auf der Goodluck Road im Städtchen Lanham im Bundesstaat Maryland scheint unterdessen so weit alles nach Plan zu laufen. Die Kuppel der neuen türkischen Moschee steht bereits, die zwei Minarette sind auch fast fertig. Man hat Handwerker, Marmor und Holz für die Dekoration aus der Türkei eingeflogen. Rundherum gibt es aber doch noch Einiges zu tun, denn vor der offiziellen Eröffnung im Oktober müssen insgesamt fünf Gebäude entstehen – alles Teile eines neuen türkisch-amerikanischen Gemeindezentrums (TACC), rund 20 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Washington. Erdogan wird bei der Eröffnungsfeier erwartet.

Moderner Islam

"Das wird das größte muslimische Gemeindeprojekt in den USA", sagt Yasar Colak zum KURIER. Colak ist bei der türkischen Botschaft in Washington für Religions- und Sozialangelegenheiten zuständig, kommt vom türkischen Religionsministerium Diyanet und leitet den Verwaltungsrat des neuen TACC. Er meint, es gäbe kein anderes Land weltweit, wo ein ähnlicher türkischer Sakralbau entstanden sei. Mit der Moschee wolle man das moderne Gesicht des türkischen Islam präsentieren.

Der Bauprojekt erinnert an die amerikanischen Mega-Kirchen – Riesengebäude, meist am Stadtrand, wo sich Tausende von Gläubigen wöchentlich in Konzertsälen mit Live-Musik anstatt in einem Kirchenraum zum Gebet versammeln.

In der türkischen Moschee werden "nur" etwa 700 Menschen Platz finden, aber mit großem Komfort. Gerade wird die Bodenheizung im Gebetsraum installiert, erzählt Bauleiter Dave Convis. Gegenüber der Moschee steht bereits das Hammam – ein klassisches türkisches Bad mit modernem Fitnessraum im Keller, wo auch ein Schwimmbad vorgesehen ist – rechts vom Yoga-Saal. Oben wird das Nebengebäude zum Hotel, weiter werden ein türkisches Restaurant, Kaffeehaus, Ausstellungsraum, Theater, sowie fünf Souvenirläden und eine Bibliothek errichtet. Auch ein Sportplatz im Freien, drei Springbrunnen und ein traditioneller türkischer Tulpengarten sind vorgesehen. "Der Garten wird unsere besondere Verbindung zur Natur darstellen", erklärt Hauptarchitekt Muharrem Hilmi Senalp, der aus der Türkei eingeflogen ist.

Etwa 300.000 Türken leben an der US-Ostküste – sehr viele kommen in die USA, um Ingenieur- oder Computerwesen zu studieren. Viele finden danach einen Job und bleiben. Der Moschee-Komplex sei eben für diese Menschen gedacht, aber alle anderen, auch Nicht-Muslime, seien willkommen, so Colak.

Nicht jeder in der Lanham-Gemeinde sei davon begeistert, gibt man zu. Meistens habe man Probleme mit der Riesenbaustelle vor der Haustür in einer sonst ruhigen Wohngegend. Einige seien auch über den großen islamischen Bau unglücklich. Vor allem ist aber der Bau weder in den USA noch in der Türkei wirklich bekannt – etwas ungewöhnlich für ein Projekt von so einer Größe, das den türkischen Staat, der ohnehin in der Krise ist, etwa 70 Millionen Euro kostet. "Bald kommt die Zeit, um dafür zu werben", verspricht Colak und erklärt, das Geld komme eigentlich aus privaten Spenden. Bei der Frage, ob der reiche türkische islamische Geistliche Fethullah Gülen, der im benachbarten Bundesstaat Pennsylvania wohnt, auch am Bau finanziell beteiligt sei, geht er aber in die Defensive. "Nein, mit diesem Projekt hat er nichts zu tun. Er wird dafür nicht gebraucht", versichert Colak.

Gülen gegen Erdogan

Seit 1999 lebt Gülen, geistliches Oberhaupt einer islamischen Bewegung, im selbst gewählten Exil in den USA. Er wurde durch seine privaten Schulen, wo man neben dem Islam auch weltliche Fächer studieren kann, außerordentlich einflussreich. Bis vor Kurzem galt der islamische Geistliche als Erdogans enger Verbündeter und hat dessen regierende AK-Partei finanziert, nun aber streitet Erdogan mit ihm. Die neuesten Korruptionsskandale, bei denen bereits einige Minister ihre Posten verloren haben, seien auf diesen Streit zurückzuführen, meinen Beobachter. Der türkische Premier hat vor Kurzem angeordnet, die Gülen-Schulen im Land zu schließen. Dass Erdogan auch einen großen türkischen moslemischen Komplex in den USA baut, in einem Land, das als Gülens Revier gilt, zeigt die Gegnerschaft der beiden Männer.

"Den Bau hat man vor dem Streit zwischen beiden begonnen, und vielleicht hat er damit nichts zu tun", sagte zum KURIER Bayram Balci, ein Türkei-Experte am angesehenen Washingtoner Politikinstitut Carnegie. Aber auch wenn der Lanham-Komplex ursprünglich nicht als Gegenprojekt zu Gülen gedacht war, kann ihn Premier Erdogan spätestens jetzt gut im Machtkampf gegen seinen Ex-Freund brauchen.

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