Weltpolitik mit Briefchen aus dem Vatikan

Diskrete Vier-Augen-Gespräche im Vatikan: Präsident Obama und Papst Franziskus.
Über Monate vermittelten der Papst und seine engsten Vertrauten diskret die Einigung zwischen den verfeindeten Nachbarn.

Ein selten verwendeter Beistelltisch in einem Kämmerchen im Vatikanischen Palast, darauf ein goldenes Kruzifix, und das alles hinter verschlossene Türen: So erinnern sich einige vatikanische Kleriker an diesen Nachmittag im vergangenen März, als der Papst und der US-Präsident hinter diesen Türen verschwanden. Mehr als eine Stunde dauerte dieses Vieraugen-Gespräch an dem Tischchen, und es setzte einen Prozess in Gang, der jetzt, ein Dreivierteljahr später, eine historische Wende gebracht hat: Das Ende eines halben Jahrhunderts Kalter Krieg zwischen den USA und Kuba ist eingeleitet. Eine Einigung verhandelt und vermittelt im Vatikan und mit vollem persönlichen Engagement des Papstes.

In persönlichen Briefen wandte sich der Papst an Obama, aber zugleich an Kubas Präsidenten Raul Castro. Als "Garant" bot er sich beiden Seiten an, dafür dass das jeweilige Gegenüber die Details des heiklen Abkommens einhalten würde. Nicht nur sich, auch den Vatikan bot Franziskus an – als neutralen Verhandlungsort für offizielle Gespräche vor den Augen der Weltpresse, aber auch für diskrete Verhandlungen, von denen niemand etwas erfahren sollte.

Die praktische Verhandlungsführung übernahm ein enger Vertrauter, der vatikanische Außenminister Pietro Parolin. Er empfing die Diplomaten beider Seiten in Rom, schaltete sich ein, wenn auf direktem Weg nichts zu erreichen war – etwa beim Austausch gefangener Spione.

Kanada

Nicht nur zwischen Washington und dem Vatikan entstand so ein diplomatischer Pendlerverkehr. Die Diplomaten aus Washington und Havanna hatten einen weiteren Ort für ihre Treffen: Kanada. Sieben Treffen, so berichten US-Medien, habe es insgesamt gegeben, in Toronto oder in Ottawa. Die Kanadier beschränkten sich auf ihre Rolle als Gastgeber, wie Premier Stephen Harper am Tag der Einigung mitteilte: "Ich möchte Kanadas Rolle nicht überbewerten."

Die Rolle des Vatikan dagegen beschreibt ein hochrangiger US-Diplomat gegenüber der New York Times einfach als einen "außenstehenden Mitspieler, auf den wir uns verlassen konnten. Es war eine sehr heikle Aufgabe."

Außenminister Parolin meisterte sie, schlug Brücken, die ein halbes Jahrhundert lang abgebrochen waren. Im Oktober kamen die Verhandler ein letztes Mal im Vatikan zusammen, schlossen den Deal, den Obama im November absegnete. Der blieb trotzdem noch ein paar Wochen geheim. Seine tiefe Wertschätzung für die Rolle des Papstes aber hatte der Präsident schon zuvor deutlich gemacht: "Er fordert uns heraus. Seine moralische Autorität ist es, die seinen Worten Gewicht verleiht."

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