Polizisten angeschossen - Schütze flüchtig

Obama: "Gewalt gegen unsere Polizei nicht hinnehmbar". Beamte konnten Spital verlassen.

Nach den Schüssen auf zwei Polizisten in der US-Stadt Ferguson suchen die Ermittler nach dem Schützen. Der Unbekannte, der bei einer Demonstration zwei Beamte anschoss und verletzte, befand sich am Donnerstag weiter auf freiem Fuß. TV-Sender zeigten Bilder einer Spezialeinheit, die ein Haus nur wenige Straßenblocks vom Tatort entfernt umstellten und versuchten, über das Dach einzudringen.

Mehrere Menschen seien von der Polizei befragt worden, in Gewahrsam befinde sich aber niemand. Nach dem angekündigten Rücktritt von Polizeichef Thomas Jackson hatten sich in Ferguson am Mittwochabend 70 bis 150 Demonstranten vor der Polizeiwache versammelt. Einige Beamte hatten sich dort in Kampfausrüstung aufgestellt; das Gebäude wurde abgeriegelt. Als die Kundgebung sich aufzulösen begann, fielen mehrere Schüsse, sagte der Polizeichef von St. Louis, Jon Belmar. Sie seien aus etwa 110 Metern Entfernung abgegeben worden, vermutlich mit einer Pistole. Der oder die Täter hätten sich wohl unter die Demonstranten gemischt.

Die beiden Polizisten im Alter von 32 und 41 Jahren, die im Gesicht und an der Schulter getroffen wurden, konnten das Krankenhaus am Donnerstag verlassen, berichtete der "St. Louis Post-Dispatch". Die Kugel sei aus dem Kopf des 32-Jährigen nicht entfernt worden. Belmar sprach in einer Pressekonferenz von einem Hinterhalt.

"Gewalt gegen unsere Polizei ist nicht hinnehmbar", schrieb Präsident Barack Obama auf Twitter. "Der Weg zur Gerechtigkeit ist einer, den wir alle zusammen gehen müssen." Justizminister Eric Holder sicherte den Ermittlern im Bundesstaat Missouri die volle Unterstützung seines Ministeriums zu. "Solche sinnlosen Gewaltakte bedrohen genau die Reformen, an denen nicht gewalttätige Demonstranten in Ferguson und im ganzen Land seit mehreren Monaten arbeiten", teilte er mit.

Polizeichef nimmt Hut

Polizisten angeschossen - Schütze flüchtig
Police Chief Thomas Jackson speaks during a news conference at the police headquarters in Ferguson, Missouri in this August 13, 2014 file photo. Jackson resigned on March 11, 2015, following a scathing U.S. Justice Department report that found widespread racially biased abuses in the city's police department and municipal court. REUTERS/Mario Anzuoni/Files (UNITED STATES - Tags: CRIME LAW)
Der umstrittene Polizeichef der US-Stadt hatte zuvor das Handtuch geworfen. Polizeichef Thomas Jackson werde sein Amt am 19. März abgeben, sagte Bürgermeister James Knowles am Dienstag. Der Schritt sei eine "gemeinsame Entscheidung" der Polizei und der Stadt, Jackson war mit massiven Vorwürfen wegen rassistischer Diskriminierung von Afro-Amerikanern konfrontiert.

Jackson war bereits nach den Todesschüssen auf den schwarzen Jugendlichen Michael Brown im Sommer 2014 ins Visier der Kritik geraten. Die Schüsse des weißen Polizisten auf den unbewaffneten Teenager lösten damals landesweite Empörung und Unruhen in Ferguson aus. Wegen massiver Gewalt, mit der die Polizei gegen die Demonstranten vorging, wurde Jackson zusätzlich kritisiert. Einen Rücktritt lehnte er aber stets ab. Jackson war fünf Jahre im Amt.

Vernichtende Kritik

Polizisten angeschossen - Schütze flüchtig
Police arrests a protestor outside the City of Ferguson Police Department and Municipal Court in Ferguson, Missouri, March 11, 2015. The police chief of Ferguson, Missouri, resigned on Wednesday, following a scathing U.S. Justice Department report that found widespread racially biased abuses in the city's police department and municipal court. Protesters had called for Chief Thomas Jackson's removal since the fatal shooting of an unarmed black teenager by a white Ferguson police officer on August. 9. The killing triggered nationwide protests and drew scrutiny to police use of deadly force, especially against black men. REUTERS/Kate Munsch (UNITED STATES - Tags: CRIME LAW POLITICS)
Auslöser seiner Entscheidung dürften daher eher die jüngste Kritik des Justizministeriums sein: In einem ausführlichenBerichthielt das Ministerium der Polizei weit verbreitete rassistische Diskriminierung vor. Polizisten gingen häufig mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Schwarze vor, hielten diese ohne ersichtlichen Grund an und verfolgten sie wegen Bagatelldelikten.

Außerdem würden Schwarze besonders übermäßig häufig mit Geldstrafen belegt - mit dem Ziel, die Kassen der Stadt aufzufüllen. Justizminister Eric Holder stellte den Bericht vor einer Woche persönlich vor und sprach von einer "schwer vergifteten Atmosphäre" in der Stadt. Sein Fazit: Das Verhältnis der Polizei zu den Menschen in Ferguson sei "von tiefem Misstrauen und Feindschaft" geprägt.

Auch Verwaltungschef geht

Polizisten angeschossen - Schütze flüchtig
Karte Missouri mit Lokalisierung, Chronologie Grafik 0319-15-USA.ai, Format 88 x 70 mm
"Mit Trauer gebe ich meinen Rücktritt bekannt", so Polizeichef Jackson in einem Brief, den die ZeitungSt Louis Post-Dispatcham Mittwoch veröffentlichte. Auch der Verwaltungschef von Ferguson, John Shaw, werde sein Amt abgeben, berichtete die Zeitung. Als "City Manager" war Shaw weitgehend für die Finanzen verantwortlich - und damit auch für den Missbrauch von Geldstrafen. Auch ein Richter und Polizeioffiziere hätten bereits ihren Rücktritt eingereicht, hieß es. Bürgermeister James Knowles konnte sich bisher im Amt halten, er hat tiefgreifende Reformen zugesagt - für seine 21.000-Einwohner-Stadt, in der zwei Drittel schwarz sind.

Ob die Stadt durch diese Rücktritte allerdings tatsächlich zur Ruhe kommt, ist unklar. Kritiker fordern, dass die gesamte Polizei des Vorortes von St Louis aufgelöst werden solle. Die Behörde solle von der Polizeidirektion in St. Louis übernommen werden, die bereits die Polizeiämter auch anderer Vororte mit verwalte.

9. August 2014: Darren Wilson, ein weißer Polizist, erschießt den 18-Jährigen, der ihn bedrängt haben soll. Laut Augenzeugen hat Brown mit erhobenen Händen auf dem Boden gekniet, als er getötet wurde.

10. August: In Ferguson gibt es erste Proteste, Geschäfte werden geplündert. In den Tagen darauf eskaliert die Gewalt.

15. August: Auch in anderen US-Städten gehen Menschen auf die Straße.

16. August: Die Behörden rufen in Ferguson den Notstand aus und verfügen eine nächtliche Ausgangssperre.

18. August: Bei neuen Krawallen bewerfen Demonstranten Polizisten mit Brandsätzen. Der Gouverneur ruft die Nationalgarde zu Hilfe.

20. August: Eine Geschworenenjury nimmt Beratungen darüber auf, ob ein Verfahren gegen den Polizisten eröffnet wird.

4. September: Sein Ministerium ermittle gegen die Polizei in Ferguson, sagt Justizminister Eric Holder. Es gebe viele Beschwerden.

25. November: Die Entscheidung der Geschworenenjury ist gefallen: Der Polizist muss nicht vor Gericht. Es kommt zu neuer Gewalt.

29. November: Wilson hat seinem Anwalt zufolge den Dienst quittiert.

13. Dezember: Tausende in den USA protestieren gegen Polizeigewalt.

4. März 2015: Auch die Bundesbehörden klagen Wilson nicht an. Rechtswidriges Verhalten sei ihm nicht nachzuweisen. Ermittlungen hätten jedoch ergeben, dass die Polizei in Ferguson unverhältnismäßig und rassistisch gegen Schwarze vorgehe, sagt Justizminister Holden.

11. März: Die Chefs von Polizei und Verwaltung in Ferguson treten zurück, wie Bürgermeister James Knowles mitteilt. Bei einer Demonstration werden zwei Polizisten durch Schüsse verletzt.

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