Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen
Der US-amerikanische Wahlkampf geht ins Finish und nirgends wird er skurriler und erbitterter ausgetragen als vor dem Trump Tower.

Es ist eines der schönsten Bilder eines irritierenden Wahlkampfs: Der "Naked Cowboy", auf dessen Unterhose an der Rückseite ein glitzernder "Trump"-Schriftzug aufgebracht ist, steht neben einem Mann mit einem Kackhaufen als Mütze, der Buttons mit der Aufschrift "Dump Trump" verkauft, auf der Trump eben als Kackhaufen zu sehen ist. Sie schauen sich skeptisch an, werfen sich einen kurzen Gruß zu, wenden sich wieder an die Traube von Menschen, die von ihnen mehr unterhalten als überzeugt werden will.

Der Wahnsinn des Wahlkampfs, seine Bruchlinien, Argumente und Skandale, die Spaltung des Landes, all das lässt sich destillieren in nur einer Stunde an jenem Ort, der sie alle anzieht; die Fans und die Gegner des Mannes, der bald der mächtigste Mann der Welt sein könnte. Trump Tower, 5th Avenue, New York City.

Trump Tower - die Zentrale des Wahnsinns

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

Hier im Trump Tower ist Trumps Wahlkampfzentrale, hier ist er am 16. Juni des Vorjahres die goldene Rolltreppe hinuntergefahren, um Mexikaner als Vergewaltiger zu bezeichnen und seine Kandidatur um die Präsidentschaft bekannt zu geben. Niemand nahm ihn damals ernst. Viele haben jetzt Angst.

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

Zwei ältere jüdische Frauen stehen vor dem Eingang unter dem – ebenfalls goldenen – Trump-Tower-Schriftzug, ihre ganze Familie musste damals aus Österreich und Polen vor der Nazis und dem Holocaust flüchten. Und so etwas kann wieder passieren, sagen sie. Sie haben Voodoo-Puppen in der Hand, Die beiden ermuntern Passanten, Nadeln hineinzustecken. Zwischen die Beine zielt eine von ihnen amüsiert. "Genau da verdient er es!", ruft die Frau, die sie in der Hand hält. Sie ist kein Clinton-Fan, sie hat sogar Angst vor ihr. "Schleimige Betrüger" seien die Clintons, sie benutzt das selbe Wort wie Trump: "crook". Aber für einen chancenlosen Drittkandidaten zu stimmen mache auch keinen Sinn. Sie habe also keine andere Wahl. Alles sei besser als Trump. "Er hat die Aufmerksamkeitsspanne eines Vierjährigen", sagt sie.

"Warum hasst ihr arme Menschen?", brüllt sie ein Mann plötzlich an. "Ich hasse niemanden", schreit sie zurück, und ein bisschen leiser: "Außer Trump." Was der Mann schreit, verlangt dennoch nach einer Erklärung – der Immobilienmogul Trump, der ständig mit seinem Reichtum prahlt, als Kandidat der Armen? Der Mann ist obdachlos, trägt seine Habseligkeiten in roten Plastiksäcken herum, stützt sich auf Krücken und trägt einen blauen "Poor for Trump"-Pulli.

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

Trump, sagt er, sei kein Kandidat der beiden Parteien, und allein deshalb müsse er besser sein als Clinton. Denn für die Armen würden beide Parteien nichts tun. Aber Trump tritt doch für die Republikaner an? "Nein, er hat sich gegen die Widerstände in der Partei durchgesetzt", sagt er. New York hingegen sei eine durch und durch demokratische Stadt – den Armen hätten sie null geholfen.

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

Drinnen im Tower ist es ruhiger, Securitys sichern den Eingang, alles glänzt gülden, nicht nur die Rolltreppen. Man kann Merchandise kaufen, die "Make America Great Again"-Caps in Rot oder Camouflage, wie sie Trump nun immer trägt. Die spendableren Touristen nehmen ihr Lunch im Trump Grill ein, die anderen sitzen im Starbucks, aber sie drehen ihren Kopf Richtung Eingang, weil sie plötzlich junge Frauen kreischen hören.

Trump am Hintern

Der "Naked Cowboy" ist hier, ein nur mit Unterhose, Stiefeln und Gitarre bekleideter Mann, der bereits eine lokale Berühmtheit ist. An den wenigen Dingen, die er trägt, glitzert ein Trump-Schriftzug in den Farben der amerikanischen Flagge und singt ein Ständchen für seinen Kandidaten: „Trump is gonna build a wall, that's going to protect us all“ („Trump wird eine Mauer bauen, die uns alle beschützt“) und „If you want to make America great again, vote for the man who's name is on my rear end“ („Wenn ihr Amerika wieder groß machen wollt, wählt den Mann, dessen Name auf meinem Hintern steht“). Oft kommt er aber gar nicht zum Singen, ständig wollen sich Frauen mit ihm fotografieren lassen.

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

"So toll sieht er gar nicht aus", sagt eine Frau genervt, sie hält ein "Stop Trump"-Schild hoch; mit dem "Naked Cowboy" kann es nicht mithalten; sie wird weitgehend ignoriert. Dafür bleibt ein Radfahrer stehen, er brüllt (es wird viel gebrüllt dieser Tage vor dem Trump Tower): "Der Betrüger Trump muss gestoppt werden. Amerika muss ihn stoppen, der Rest der Welt schaut auf uns. Er darf nicht die Stimme Amerikas oder der Welt sein. Das ist unmöglich! Bitte! Er ist eine ekelerregende Person! Danke!“ und fährt weiter.

An der Ecke steht eine Frau mit einem "Women for Trump"-Button. Steht sie auch hier, um Menschen zu überzeugen? "Aber nein, ich warte nur auf meine Verabredung zum Lunch. Aber wissen Sie, was ich nicht verstehe: Dass diese ganzen Peaceniks Hillary wählen. Sie wird uns in den nächsten Krieg führen, einen Krieg mit Russland. Trump verspricht Nichteinmischung. Das ist wichtiger als alles, das gegen Trump spricht. Ich will ihn ja nicht daten, ich will ihn als Präsidenten."

Der Mann neben ihr protestiert hingegen wirklich. "Drain the Swamps" ("Legt die Sümpfe trocken") steht auf seinem Schild, "Wir müssen die Illegalen draussen halten! Wir müssen ISIS draussen halten!", ist seine Forderung. Es soll Werbung für Trump sein, aber von den Clinton-Fans wird er verhöhnt, sie nehmen die Sümpfe wörtlich: "Er hasst Alligatoren! Warum hasst du Alligatoren?", rufen sie. Einer von ihnen ist fast genauso oft hier wie der Naked Cowboy, sagt er zumindest. Er trägt den Kackhaufen-Hut, seit Monaten schon ist das sein Protest hier vor Trumps Hauptquartier.

Der nackte Cowboy gegen den Kackhaufen

„Ich habe noch nie jemanden außerhalb der USA getroffen, der Trump-Fan ist“, sagt er. „Alle sollten mitstimmen dürfen, nicht nur die Amerikaner, das wäre viel besser.“ Unterdessen ist ein Kamerateam vom konservativen TV-Sender FOX News aufgetaucht, es stürzt sich sofort auf den Naked Cowboy. „Schau Dir das an, dieser Clown bekommt immer die ganze Aufmerksamkeit – so funktioniert Politik in Amerika!“ Das ist dann doch ein erstaunliches Statement für einen Mann, der einen Kackhaufen auf dem Kopf trägt.

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