Stefan Sengl: "Es ist politisch eine Zeitenwende"

Präsident Nummer 45: Donald Trump.
Wahlkampf-Experte Stefan Sengl erklärt in einem ersten Statement was die Wahl von Donald Trump für die USA und den Rest der Welt bedeutet.

Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Während die einen feiern, fragen sich die anderen, wie das passieren konnte. Polit- und Wahlkampfexperte Stefan Sengl, der unter anderem erfolgreich den zweiten Wahlkampf von Heinz Fischer koordinierte, im Gespräch.

Kurier.at: Herr Sengl, wie konnte das passieren?

Stefan Sengl: Clintons "Firewall" (Staaten wie Michigan, Wisconsin) hat nicht gehalten – ein Szenario, das als unwahrscheinlich galt und dem in den Kampagnenüberlegungen der Demokraten offensichtlich zu wenig Bedeutung zugemessen wurde.

Hätten Sie mit einem Sieg von Trump gerechnet?

Nein, definitiv nicht. Clinton lag den gesamten Wahlkampf über in den (kumulierten) Umfragen vor Trump. Trumps Wahlsieg ist eine weitere, sehr bedenkliche Niederlage für die Meinungsforschung. Es ist politisch eine Zeitenwende – und auch eine für die Wahlkampagnen der Zukunft. Trump hat mit seinem Erfolg die bisher geltenden Regeln des US-Wahlkampfs außer Kraft gesetzt.

Was bedeutet das Ergebnis für Amerika?

Die Republikaner haben nun alle Hebeln der Macht in ihrer Hand: das Weiße Haus, das Repräsentantenhaus, den Senat und damit wohl bald auch eine Mehrheit im SCOTUS. Die politischen Errungenschaften der Ära Obama werden unter diesen Rahmenbedingungen relativ rasch zurückgebaut werden und die Republikaner werden wenig Kompromisse machen müssen. Die Spirale der Polarisierung wird sich so wohl weiterdrehen.

Was bedeutet es für den Rest der Welt?

Trump ist außenpolitisch schwer einschätzbar, zumindest deutlich schwerer als Clinton. Es ist aber z. B. nicht auszuschließen, dass er das in Wien verhandelte Iranabkommen torpedieren wird – mit entsprechenden Auswirkungen auf die angespannte Situation im Nahen Osten. Auch TTIP ist damit wohl vom Tisch. Was den politischen Ton betrifft, können wir uns in Europa außerdem auf eine Intensivierung des antidemokratischen Populismus im Stil Trumps einstellen.

Hat man Trump unterschätzt?

Eindeutig. Die Vorwahlen der Republikaner hätten eigentlich Warnung genug sein müssen – aber man konnte sich nicht vorstellen, was man sich nicht vorstellen wollte. Ich nehme mich da nicht aus. Ein Typ wie Trump im Weißen Haus, das hätte man vor ein paar Jahren für einen sehr trashigen Filmplot gehalten.

Was haben die Demokraten falsch gemacht?

Es ist noch etwas früh für präzise Analysen, aber die Demokraten haben wohl eine Kandidatin ins Rennen geschickt, die zu sehr für die Vergangenheit steht. Ihre Erfahrung und ihre politischen Verdienste waren im Wahlkampf kein Vorteil für sie, eher im Gegenteil. Damit bestätigt sich mal wieder die alte Weisheit: Dankbarkeit ist keine politische Kategorie.

Wird es Konsequenzen innerhalb der demokratischen Partei geben?

Mit Sicherheit. Clintons Niederlage ist Wasser auf die Mühlen der Sanders-Fans bzw. des linken Flügels der Demokraten. Es wird nun wohl früher zu einem Generationenwechsel kommen. Die Lust auf politische Kompromisse mit den – immer weiter nach rechts gehenden – Republikanern wird damit allerdings nicht steigen. Auch das wird die Polarisierung weiter vorantreiben.

Werden die Demokraten Ihrer Meinung nach die Wahl anfechten wie es eigentlich Trump vorhatte?

Damit rechne ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht, aber ich habe in diesem Wahljahr schon manche Ereignisse für sehr unwahrscheinlich gehalten, die dann eingetroffen sind – nicht nur in den USA.

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