Skepsis im deutschen Heimatdorf von Trumps Großeltern

Kallstadt in der Pfalz
"Hätte den Amerikanern mehr Arsch in der Hose zugetraut."

Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten rückt das Heimatdorf seiner Großeltern in der Pfalz noch mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Auch in Kallstadt ist der Sieger das Thema Nummer eins. Man mag ihn nicht.

Weinreben wachsen bis zum Ortseingang, ein Schild verkündet: "Es grüßt die Kallstadter Weinprinzessin Melanie I.". "Vielleicht ändern sie das Schild jetzt in "unser großer Trump"", sagt Benita Gerdon und lacht. Die 56-Jährige holt am Mittwoch Brötchen beim Dorfbäcker. Gesprächsthema Nummer eins ist der Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl. Schließlich war Kallstadt einst die Heimat der Großeltern des Immobilienmoguls.

Skepsis im deutschen Heimatdorf von Trumps Großeltern
(FILES) This file photo taken on June 8, 2016 shows a town sign of the village of Kallstadt, western Germany. Kallstadt owes its reputation to crisp white wines, stunning hiking trails and the local delicacy of pig's stomach (Saumagen). The village is also home of ancestors of US president-elect Donald Trump. / AFP PHOTO / DANIEL ROLAND
"Als ich aufgewacht bin, dachte ich, das kann nicht wahr sein", erzählt Gerdon. Damit meint sie gleichermaßen die Wahl des Milliardärs in eines der mächtigsten Ämter der Welt und den Ansturm der Kamerateams auf ihr Dorf. "Schon um halb sieben hat ein Mikrofon an mein Fenster geklopft und ich sollte was fürs Fernsehen sagen." Die Wahl der Amerikaner kommentiert die Hausfrau trocken: "Ich hätte den Amerikanern mehr Arsch in der Hose zugetraut." Sie habe Bekannte in North Carolina, die seien total von Trump begeistert. "Ich habe denen dann geschrieben: "Good Night, America"."

Übertragungswagen stehen auf dem Dorfplatz des 1200-Einwohner-Ortes. In den Weinstuben und Geschäften des Dorfes drehen sich viele Gespräche um Trump und seine Wurzeln in der Pfalz. Im Linienbus, der am Vormittag durchs Dorf fährt, raunt ein Fahrgast seinem Nachbarn zu: "Die müssten doch jetzt feiern!"

Skepsis im deutschen Heimatdorf von Trumps Großeltern
(FILES) This file photo taken on June 8, 2016 shows the main street of the village of Kallstadt, western Germany. Kallstadt owes its reputation to crisp white wines, stunning hiking trails and the local delicacy of pig's stomach (Saumagen). The village is also home of ancestors of US president-elect Donald Trump. / AFP PHOTO / DANIEL ROLAND
Doch viele Kallstädter scheinen das anders zu sehen. "Der hat sich die ganze Zeit nie um Kallstadt geschert", sagt Gabriele Riede, Verkäuferin in der Bäckerei. Ändern werde sich für das Dorf kaum etwas. "Durch unseren Wein haben wir das ganze Jahr viele Besucher", erklärt Riede. Jörg Dörr, Leiter der Tourismusinformation im Ort, rechnet zumindest mit mehr englischsprachigen Touristen. Ansonsten werde man erst mal abwarten, wie sich Trump als Präsident verhält. "Nicht jede Publicity ist gute Publicity", sagt Dörr.

Das Geburtshaus von Trumps Großeltern ist ein unscheinbares weißes Gebäude mit blauem Hoftor in einer Nebenstraße. "Journalisten haben schon Drohnen über den Hof fliegen lassen, um Fotos zu machen - die Bewohner tun mir Leid", berichtet Dorfbewohnerin Benita Gerdon.

Am Tor hängt denn auch ein Schild, die neuen Bewohner wollen das "Anwesen der Zeitgeschichte" an die Gemeinde Kallstadt verkaufen - sie sind den Rummel um ihr Haus leid.

Auf einen Besuch des neuen US-Präsidenten in der Heimat seiner Großeltern könnte Gerdon deshalb gut verzichten. "Den brauchen wir hier nicht." Schon nach den ersten Wahlkampfauftritten sei klar gewesen, dass der Milliardär mit seinen frauen- und ausländerfeindlichen Sprüchen nicht zu Kallstadt passe. Den Aufwand mit den ganzen Sicherheitsmaßnahmen für einen möglichen Trump-Besuch solle man sich lieber sparen. Und falls er doch kommt, gibt Bäckereiverkäuferin Gabriele Riede die Marschrichtung vor: "Seinen Kaffee muss er genauso bezahlen wie jeder andere auch!"

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Skepsis im deutschen Heimatdorf von Trumps Großeltern
Houses and the church of Kallstadt, western Germany, are seen on November 9, 2016 behind vineyards. Kallstadt owes its reputation to crisp white wines, stunning hiking trails and the local delicacy of pig's stomach (Saumagen). The village is also home of ancestors of US president-elect Donald Trump. / AFP PHOTO / dpa / Uwe Anspach / Germany OUT
Donald Trumps Großvater war 16 Jahre alt, als er 1885 einen Abschiedsbrief auf den Küchentisch legte und sein pfälzisches Heimatdorf Kallstadt verließ, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in den Vereinigten Staaten. Auf der anderen Seite des Atlantiks machte Friedrich Trump ein Vermögen - und begründete eine Dynastie, aus der nun das nächste Staatsoberhaupt der USA kommt.

Kallstadt ist ein adrettes Dorf in der pfälzischen Weinregion mit Fachwerkhäusern und gepflegten Straßen, die Gasthöfe servieren Saumagen. Zu der Zeit, als Friedrich Trump seinen Geburtsort verließ, machten sich jährlich mehr als 100.000 Auswanderer aus deutschen Gebieten auf den Weg in die USA. Noch heute sind US-Bürger mit deutscher Abstammung die größte Bevölkerungsgruppe der Vereinigten Staaten - auch wenn ihre Wurzeln im Alltag praktisch nicht mehr zu erkennen sind.

Nach seiner Ankunft in New York änderte Friedrich Trump seinen Vornamen in Frederick. Der Neuankömmling zog bald an die Westküste weiter. Später stieg er in den Goldhandel ein, erwarb Grundbesitz - und legte damit das Fundament für das Familienvermögen.

Als reicher Mann kehrte Trump nach Kallstadt zurück, heiratete die Nachbarstochter und reiste weiter nach New York. Weil seine Frau Heimweh bekam, bemühte er sich um eine dauerhafte Rückkehr - die ihm aber verweigert wurde, weil er seinen Wehrdienst in Deutschland nicht abgeleistet hatte. Die Trumps blieben in Amerika.

Angesichts anti-deutscher Stimmung in den USA während der beiden Weltkriege gaben die Trumps lange vor, schwedischer Abstammung zu sein. Auch Donald Trump schwieg über seine deutschen Wurzeln. In einem 2014 veröffentlichten Dokumentarfilm bezeichnete er sich dann aber als "stolz, das deutsche Blut zu haben". Wie die Menschen in Kallstadt sei er "stark und sehr verlässlich".

Die 1200-Einwohner-Gemeinde hat sogar noch einen zweiten US-Exportschlager zu bieten: Die Familie Heinz - Begründer des gleichnamigen Ketchup-Imperiums - stammt ebenfalls aus Kallstadt.

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