Im Trump-Lager: Siegesrausch und erste Zweifel
Als Trump Ohio nahm, begann man im Hilton in Manhattan langsam, rote Mützen zu verteilen. Als der Arbeiterstaat Wisconsin – einst "Amerikas Werkzeugkiste" genannt – zum ersten Mal seit über 30 Jahren auf den Bildschirmen das tiefe Rot der Republikaner annahm, flogen diese Mützen plötzlich fast geschlossen in die Luft. Und als die Botschaft durch die Menge flirrte, dass der Sieg mathematisch nicht mehr wegzurechnen war, brandeten die aus allen Trump-Wahlkampfversanstaltungen bekannten "USA, USA"-Chöre auf. Es dauerte nicht lange, dann war Hillary Clinton und das für viele Demokraten so empörende "Sperrt sie ein, sperrt sie ein" dran.
Ob bei der Wahlfeier in Manhattan, draußen in einer Bar in einem bürgerlichen Vorort von Washington, oder im Studio von Fox News, quasi Trumps Megafon in der Fernsehlandschaft, überall brauchte das Trump-Lager ziemlich lange, um endgültig in den Siegesrausch zu kippen. Zu sehr hatte man sich auf die Pose der ewigen Entrechteten festgelegt, die gegen eine Verschwörung aus Medien, Spitzenpolitik und globaler Elite antraten. Das ehrenvolle Scheitern war dabei eigentlich programmiert.
"Wütend"
Mit den ersten Erfolgsmeldungen kamen dann einmal die Wut und der Hass auf diese Gegner und ihre Anführerin, Hillary Clinton, hoch. "Ihre Lügen, ihr ewiges Betrügen", ereifert sich die Republikaner-Wahlkampfhelferin Cathryn beim Anstoßen auf den Sieg: "Das hat die Menschen wütend gemacht. Das hat sie vergessen lassen, dass sie mit Trump nicht immer einer Meinung waren." Dass er die Clintons nicht mehr im Weißen Haus sehen müsse, das ist dem Immobilienhändler Ross eine Runde und eine Steak-Einladung für die nächsten Tage wert. Vorerst aber, lacht der Mittfünfziger erleichtert, tue ihm der Hintern weh, "bin zu lange nervös am Stuhlrand geklebt."
Bei Fox News predigt Starmoderator und deklarierter Trump-Berater Sean Hannity inzwischen ohne Punkt und Beistrich über das "moderne politische Wunder" und dass "Amerika endgültig ,genug ist genug‘ gesagt hat". Allmählich wird man sich der Machtfülle bewusst, über die der neu gewählte Präsident verfügt. Mit beiden Häusern des Kongresses hinter ihm, könne Trump, da sind sich TV-Experten und Fans einig, wirklich Politik gestalten.
"Enorme Macht"
Dass ein Gutteil der Republikaner Trump eigentlich skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, das wird in Anbetracht des Sieges zu einem immer kleineren Problem. Die "Verräter", wie Ross sie nennt, die immer nur an ihre eigene Karriere gedacht hätten, Trump ständig in den Rücken gefallen seien, die würden sich jetzt rasch ganz brav hinter dem Sieger versammeln. "Er hat enorme Macht durch diesen Sieg", analysiert die konservative Publizistin Dana Perino – einst Pressesprecherin bei George Bush – "sie werden sich nicht gegen ihn stellen – oder sie fallen." Namen wie der von Paul Ryan, Sprecher der Republikaner im Kongress und erbitterter Trump-Gegner, werden schon jetzt als politische Opfer genannt. Der Sieg werde die Republikaner als Partei gänzlich umkrempeln.
Dass hinter diesem Sieg auch viele Fragezeichen stehen, wird in den Gesprächen erst allmählich deutlich. Seien die Versprechen des Populisten Trump nicht ein wenig übergroß gewesen, um sie auch in Realpolitik umzusetzen? "Er hat ja die richtigen Sachen gesagt", gibt sich etwa Fox News-Star Megan Kelly skeptisch, "aber haben wir eigentlich eine Vorstellung, wie Trump regieren wird?"
Trump-Fans wie Ross freuen sich vorerst über weniger heikle Dinge:"Ich werde es lieben, wenn er im Jänner ins Weiße Haus marschiert und sagt: Obama, pack ein."
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