USA: Eine Rebellion gegen Realpolitik

Bestätigt vorerst seine Favoritenrolle: Trump
Was die Siege von Trump und Sanders für den Kampf ums Weiße Haus bedeuten.

Es gab zwei Favoriten für die Vorwahlen im US-Bundesstaat New Hampshire – und es wurden zwei klare Sieger daraus. Donald Trump erzielte bei den Republikanern 35 Prozent der Stimmen und damit mehr als doppelt so viele wie der Zweite, John Kasich. Bei den Demokraten kam der linke Parteirebell Bernie Sanders auf 60 Prozent und deklassierte damit die ewige Favoritin Hillary Clinton, die nur auf 38 Prozent kam. Das Ergebnis lässt das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur völlig offen. Wie geht es in diesem Wahlkampf weiter? Der KURIER beantwortet die entscheidenden Fragen.

Was ist Trumps Stärke – und wie weit reicht sie?

New Hampshire war beinahe perfektes Territorium für Donald Trumps Rechtspopulismus: Eine Industrieregion in der Krise mit fast ausschließlich weißer Bevölkerung. Trump, das machen alle Umfragen deutlich, ist der Favorit der unteren, weißen Mittelschicht – und das ist zunehmend die Kernwählerschicht der Republikaner. In anderen Teilen der USA wird er es schwerer haben. Die Latinos in den Südstaaten könnten eher zu Kandidaten mit lateinamerikanischen Wurzeln wie Marco Rubio tendieren, die religiösen Fundamentalisten im Mittleren Westen werden voraussichtlich den streng religiösen Ted Cruz bevorzugen. Nach New Hampshire aber ist klar: Trump ist nicht nur der Liebling der Umfragen und der Medien, er wird gewählt. Seine derzeitige Favoritenrolle ist ernst zu nehmen.

Wie stark sind Trumps republikanische Gegner?

Ausgesprochen schwach. Der Einzige, der sich auf soliden Zuspruch verlassen kann, ist Ted Cruz. Doch der ist ebenso wie Trump für die Parteielite der Republikaner ein rotes Tuch, weil er sich frontal gegen jede etablierte Politik positioniert. Unter den gemäßigten Kandidaten findet sich kein klarer Favorit. Egal ob Jeb Bush oder Marco Rubio: Sie alle sind unter "ferner liefen" gelandet und werden sich voraussichtlich auch weiterhin auf den hinteren Plätzen abwechseln. Das gilt auch für John Kasich, der seinen jetzigen Erfolg kaum wiederholen wird.

Was ist Bernie Sanders Stärke?

Auch der 74-jährige Senator hat in New Hampshire ein optimales Umfeld für seine Kampagne gefunden. Er punktet vor allem bei weißen Schülern und Studenten, die sich erstens eine deutlich linke politische Linie und zweitens einen Rebellen gegen das politische Establishment wünschen. Bei Latinos und Schwarzen wird sich Sanders schwerer tun. Sie sind schon seit Bills Zeiten traditionell im Clinton-Lager, suchen einen Kandidaten, der konkrete Verbesserungen für ihr Leben verspricht, keine Träume von einem politischen Wandel. Doch die Deutlichkeit des Sieges in New Hampshire zeigt, dass auch diese Bastionen für die Favoritin Hillary wanken. Sanders wird ihr weiter zusetzen und bleibt ein ernst zu nehmender Gegner, vor allem weil er stärker Wähler mobilisieren kann als Clinton.

Warum schwächelt Hillary schon wieder?

Clinton, die sich schon bei den Vorwahlen 2008 Barack Obama geschlagen geben musste, hat gegen Sanders in den vergangenen Monaten konstant an Boden verloren. Ihr größtes Problem ist ihre fehlende Glaubwürdigkeit. Demokratische Wähler, die nach Umfragen einen "vertrauenswürdigen" Kandidaten suchen, würden sich zu mehr als 90 Prozent für Sanders entscheiden. Selbst bei weiblichen Wählern hat Clinton in letzter Zeit Zustimmung eingebüßt, auch wenn sie hier noch klar in Führung liegt. Clinton gilt außerdem als Kandidatin der weithin ungeliebten Wall Street, also der Hochfinanz.

Wann fällt die Entscheidung über den Kandidaten, sind Trump oder Sanders möglich?

Die Vorentscheidung fällt üblicherweise am Super Tuesday, diesmal am 1. März, wenn 15 Bundesstaaten Vorwahlen abhalten. Doch das derzeitige knappe Rennen könnte sich weit länger hinziehen und sogar zu einem offenen Konflikt bei den Parteitagen, Ende Juli, führen, wenn die Kandidaten beider Parteien gekürt werden sollen. Die Parteispitze der Republikaner lehnt Trump strikt ab, bei den Demokraten gibt es erste Anzeichen, dass man mit Sanders leben könnte. Erste Umfragen zeigen, dass er zumindest Trump im Rennen ums Weiße Haus klar schlagen könnte.

Eine Mauer will er an der Südgrenze der USA errichten lassen – und Mexiko dafür zahlen lassen. Muslime sollen nicht mehr einreisen dürfen, und Syrien soll einfach in Trümmer gebombt werden. Donald Trumps vulgärer Rechtspopulismus ist selbst für FPÖ-geprüfte Österreicher oft schwer verdaulich. Der jüngste Erfolg aber, der bei der republikanischen Parteielite alle Alarmglocken schrillen lässt, gibt ihm vorerst recht. Amerikas vor dem sozialen Abstieg zitternde untere Mittelschicht will von einer Politik, in die sie jedes Vertrauen verloren hat, nichts mehr wissen. Sie will nur noch der politischen Elite die Rote Karte zeigen – und das übernimmt Trump für sie.

Natürlich sind die Visionen eines Bernie Sanders – zumindest aus der Sicht der politischen Mitte – sympathischer. Er wünscht sich die USA als eine Art übergroßes sozialdemokratisches Skandinavien herbei, träumt von einem neuen New Deal nach Roosevelts Vorbild – also von Milliarden an Investitionen aus der Staatskasse – und vom freien Zugang zu erstklassiger Bildung für alle Amerikaner. Ob diese Illusionen nur noch ein paar Vorwahl-Runden überstehen oder es ins Weiße Haus schaffen: Sie werden wohl Illusionen bleiben. Die Wut, die ein Donald Trump bei seinen Wählern schürt, wird weiterwachsen. Diese Wut braucht die Politik nicht als Verbündeten, sondern als Feindbild. Zwei Blasen also: Wenn sie geplatzt sind, werden nur noch mehr Politikverdrossenheit und Misstrauen gegenüber der Demokratie übrig bleiben.

Kommentare