Der nächste Bush im Anmarsch auf das Weiße Haus
Jeb wäre ein guter Präsident." Im Mai 2006 streut der damalige US-Präsident George W. Bush seinem jüngeren Bruder Rosen. Im Jahr zuvor schon meinte Vater George H.W. bei der Larry King-Show, er würde seinen zweiten Sohn eines Tages gern als Präsidentschaftskandidaten sehen. "Der Kerl ist klug, groß und stark. Trifft Entscheidungen." Damals war John Ellis Bush, genannt Jeb, gerade Gouverneur von Florida (1999–2007), freute sich und winkte dankend ab.
Jetzt aber möchte sich Jeb jenen Wunsch erfüllen, den er schon im achten Lebensjahr hegt: US-Präsident werden. Am Montag wird der 62-Jährige in Miami offiziell seine Kandidatur bekannt geben. "Coming soon" ist auf seiner Homepage jebannouncement.com zu lesen.
Segen und Bürde
Der Name Bush kann Segen wie Bürde sein. Segen, weil hinter dem Namen ein dichtes Netzwerk steht, das bereitwillig große Summen stiftet. In den ersten hundert Tagen konnte Bushs im Jänner gegründetes Politisches Aktionskomitee "Right to rise" mehr Geld lukrieren als jede andere Organisation der Republikaner zuvor. Dabei hat Bush seine Großspender gebeten, pro Person vorerst nicht mehr als eine Million Dollar auf einmal zu spenden. Damit sollten Bedenken zerstreut werden, Jeb sei von einer Handvoll Superreicher abhängig und würde in ihrer Schuld stehen. Bis Juli soll die Wahlkampfkasse mit 100 Millionen Dollar gefüllt sein.
Das Problem George W.
Und dann ist da die Bürde – in Person des Bruders George W. Dieser selbst sagte bei einer Rede Mitte April in Chicago, Jebs mögliche Kandidatur habe ein Problem: "mich".
Vier Tage lang konnte man zusehen, wie Jeb mit dem Familienerbe ringt und sich bemüht, seinen Bruder nicht öffentlich zu kritisieren. Denn es gibt da eine goldene Regel bei den Bushs: Rede niemals schlecht über einen Bush.
Und so wird der 62-jährige Jeb nicht müde, seine Eigenständigkeit zu betonen: "Ich liebe meinen Bruder, ich liebe meinen Vater,…,aber ich habe meinen eigenen Kopf". Und das spiegelt sich in seinen politischen Überzeugungen wider.
Als Jeb 1994 zum ersten Mal zur Gouverneurswahl in Florida antrat, bei der er unterlag, bezeichnete er sich selbst als echten Hardcore-Konservativen. Seinen Gegenspieler kritisierte er, nicht genügend Todesurteile vollstreckt zu haben. Als Jeb gefragt wurde, was er für die schwarze Bevölkerung umsetzen würde, meinte er schlicht: "Nichts".
Beim zweiten Anlauf klappte es: Jeb wurde Gouverneur für zwei Amtszeiten. Er senkte Steuern, was vor allem Wohlhabende begünstigte. Er setzte das Strafmaß für Wiederholungstäter nach oben und verabschiedete das "Stand your ground"-Gesetz, das die Bürger nicht mehr zum Rückzug verpflichtet, bevor sie zur Verteidigung zur Waffe greifen dürfen.
Doch die Zeit im multikulturellen Florida scheint Jeb verändert zu haben, er wurde moderater. Früher benutzte er oft das Wort Sodomie, wenn er von Homosexualität sprach. Im Jänner aber forderte er, man solle vor Homosexuellen in festen Partnerschaften Respekt zeigen.
"Akt der Liebe"
Voriges Jahr musste Bush heftige konservative Kritik einstecken, nachdem er erklärt hatte, dass viele "Illegale" aus einem "Akt der Liebe" zu ihren Familien in die USA kämen und man sie nicht wie Kriminelle behandeln dürfe.
Jeb Bush scheint erkannt zu haben, dass die Gesellschaft in vielen Fragen weiter ist als die republikanische Partei. So rief er im März 2013 den rechten Flügel der Grand Old Party zur Besinnung auf, denn die Partei habe inzwischen den Ruf, gegen alles zu sein. Die Konservativen fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Auch privat ist Bush nicht der typische Republikaner: Er ist seit 1974 mit der Mexikanerin Columba Garnica Gallo verheiratet, spricht fließend Spanisch und verbrachte mehrere Jahre im Ausland. Nach seinem Studienabschluss (Latin American Affairs) und einer kurzen Tätigkeit bei einer Bank in Houston ging das Ehepaar für zwei Jahre nach Venezuela, ehe es die Familie 1980 nach Miami zog. Dort wurde Jeb Bush Vorsitzender der Republikanischen Partei und die Politkarriere begann.
Ob sie den dreifachen Vater ins Weiße Haus führt und ihn die Republikaner als geeigneten Kandidaten sehen, wird davon abhängen, ob er die richtige Balance zwischen Konservativismus und Moderne findet.
Noch fast eineinhalb Jahre werden vergehen, bis im November 2016 der Name des 45. Präsidenten (oder Präsidentin?) der USA feststehen wird. Aber schon jetzt bringt sich in Stellung, wer im Kampf um das Weiße Haus mitmischen will.
Überraschend gut geschlagen hat sich bisher der Gouverneur des Bundesstaates Wisconsin, Scott Walker (47). Bei seinen konservativen Anhängern machte er sich für seinen knallharten Kurs gegen die Gewerkschaften einen Namen. In landesweiten Umfragen rangiert Walker bei den republikanischen Kandidaten stets mit Bush und Rubio unter den ersten drei.
Der Moderate
Die Favoritin
Aufseiten der Demokraten haben sich bisher vier Kandidaten deklariert. Aber nur einen Namen muss man sich merken: Hillary Clinton. Die 67-jährige ehemalige First Lady und Ex-Außenministerin der USA wird in ihren parteiinternen Reihen keinen Gegner finden und kann sich bereits jetzt auf ihre konservativen Gegner stürzen.
Sie werden alle künftigen Präsidentschaftswahlen in den USA entscheiden: die derzeit 57 Millionen Hispanics; die am schnellsten wachsende Minderheit im Land. Jedes Jahr erreichen rund eine Million Latinos das Wahlalter.
Doch die alte Rechnung, wonach Latinos traditionell überwiegend demokratisch wählen – und Republikaner es damit zunehmend schwer haben, Wahlen zu gewinnen, geht so nicht mehr auf. Auch in der konservativen Grand Old Party macht sich allmählich die Überzeugung breit, dass ohne Latino-Stimmen keine Wahlen mehr zu gewinnen sind. Und im Feld der republikanischen Präsidentschaftskandidaten finden sich erstmals zwei Politiker mit Latino-Wurzeln: Marco Rubio und Ted Cruz.
"Gringo-Spanisch"
Jeb Bush hingegen ist mit einer gebürtigen Mexikanerin verheiratet, spricht, wie eine Zeitung genüsslich witzelte, "sogar ganz gutes Gringo-Spanisch" und tritt – gegen die Parteilinie – für eine liberalere Haltung in Einwanderungsfragen ein.
Aber auch Demokratin Hilary Clinton weiß, dass ihr die Latino-Stimmen nicht automatisch zufliegen. Denn je höher die Einwanderer oder ihre Kinder die soziale Leiter aufsteigen, umso mehr verschieben sich ihre politischen Interessen in Richtung der Republikaner. Demonstrativ besetzte die Spitzenreiterin des demokratischen Bewerberfeldes deshalb zwei ihrer wichtigsten Posten im Wahlkampfteam mit Latinos.
Und noch ein mögliches Ass hat die ehemalige First Lady im Ärmel: Sie könnte den charismatischen, jungen US-Bautenminister Julian Castro zu ihrem "running mate" küren – also zu jenem Mann, der ihr Vizepräsident würde, wenn sie die Wahlen 2016 gewinnt. Das wäre der höchste Posten im Land, den je ein Latino erreicht hat.
Wie man besonders viele Latino- Stimmen holt, könnte Hillary Clinton von ihrem Mann Bill erfragen. Der hatte 1996 bei seiner Wiederwahl 72 Prozent aller Latino-Stimmen gewonnen – bis heute ein ungeschlagener Rekord.
Enorme Kosten
Jede Präsidentenwahl schlägt punkto Kosten erneut alle Rekorde: Beim Urnengang im Herbst 2012, als Barack Obama zum zweiten Mal siegte, betrugen die Wahlkampfausgaben insgesamt 1,34 Milliarden Dollar. Nächstes Jahr wird es mit Sicherheit mehr sein.
Vorwahlen
Auch wenn viele potenzielle Bewerber für das Weiße Haus ihre Kandidatur schon eineinhalb Jahre vor der Wahl bekannt geben, beginnt das echte Vorwahlprozedere erst Ende Jänner 2016. Und zwar mit dem traditionellen Kaukus im Bundesstaat Iowa und kurz danach mit ersten Vorwahlen (Primarys) in New Hampshire. Erfahrungsgemäß setzt sich der Gewinner von Iowa und New Hampshire oft auch als endgültiger Präsidentschaftskandidat einer Partei durch – aber bei weitem nicht immer. Mehrere Kandidaten, darunter Jeb Bush, haben deshalb bereits laut darüber nachgedacht, sich die Ochsentour durch Iowa zu sparen. Auf den Parteikonventen Ende des Sommer 2016 wird der jeweilige Kandidat dann offiziell nominiert.
Wahlberechtigte
Alle US-Bürger über 18 Jahre sind wahlberechtigt – ausgenommen Bewohner von Außengebieten wie Puerto Rico, aber auch Häftlinge (in Summe rund drei Millionen Personen) sowie Ex-Gefängnis-Insassen, denen das Bürgerrecht aberkannt wurde.
Wahlhürde
Weil es in den USA keine Meldeämter gibt, müssen sich Wahlberechtigte vor dem Urnengang registrieren lassen. Dieser Weg schreckt viele potenzielle Wähler ab – und ist einer der Gründe für die generell eher niedrige Wahlbeteiligung in den USA.
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