US-Luftschlag tötete mehr als 100 Assad-Kämpfer

F-15-Kampfjets, Symbolbild
Syrien bezeichnet den US-Angriff auf die Regierungskräfte als "Aggression", das US-Militär spricht von "Selbstvereidigung".

Die US-geführte Militärkoalition hat bei einem der bisher blutigsten Angriffe auf regierungstreue Kämpfer in Syrien dutzende Menschen getötet. Ein US-Militärvertreter in Washington sprach am Donnerstag von mehr als hundert getöteten Kämpfern, die zuvor Stellungen der mit den USA verbündeten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) attackiert hätten. Damaskus sprach von einem "Kriegsverbrechen".

Derweil wurden bei Angriffen auf die Rebellenhochburg Ost-Ghouta erneut dutzende Zivilisten getötet.

Laut dem US-Militärvertreter hatten die Regierungstruppen das SDF-Hauptquartier in der Provinz Deir ez-Zor mit Panzern und Artillerie beschossen. Daraufhin habe die US-geführte Koalition in der Nacht zu Donnerstag zur "Selbstverteidigung" einen Gegenangriff mit Kampfflugzeugen und Artillerie gestartet. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von 45 Toten auf Seiten der Regierungstruppen.

Syrien spricht von "Aggression" und 150 Toten

Syriens Führung hat den Angriff der US-Armee auf regierungstreue Truppen als "Aggression" zur Unterstützung des Terrorismus bezeichnet. "Wir schätzen, dass mehr als 100 syrische Pro-Regime-Kräfte getötet wurden." Aus syrischen Militärkreisen hieß es, mehr als 150 regierungstreue Kämpfer seien getötet oder verletzt worden. Unter den Toten seien auch afghanische Kämpfer gewesen.

Die Regierung in Damaskus verurteilte ein "Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Diese Angriffe bestätigten "die schändlichen Absichten der Amerikaner hinsichtlich Syrien und dessen Souveränität", schrieb das syrische Außenministerium in einem Brief an UN-Generalsekretär Antonio Guterres und den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates.

US-Luftschlag tötete mehr als 100 Assad-Kämpfer
A handout picture released by the Syrian Arab News Agency (SANA) on December 18, 2017 shows Syrian President Bashar al-Assad speaking to the press after receiving a Russian delegation in Damascus. / AFP PHOTO / SANA / HO / == RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HO / SANA" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS ==

Die Anti-IS-Koalition erklärte, regierungstreue Kräfte hätten am Mittwoch im Euphrat-Tal ein Hauptquartier der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) angegriffen. Dort hätten sich auch Soldaten des Anti-IS-Bündnisses aufgehalten. Der Angriff auf die Anhänger von Syriens Präsident Bashar al-Assad war demnach eine Verteidigungsmaßnahme nach einem "unprovozierten Angriff". Die Pro-Regime-Kräfte hätten dabei Panzer und Artillerie eingesetzt, zitierte CNN den Vertreter des US-Militärs weiter. Vermutlich hätten sie Ölfelder in der Region einnehmen wollen.

Assad-Truppen töteten weitere Zivilisten

Trotz internationaler Kritik haben die syrischen Regierungstruppen ihren Beschuss der Rebellenhochburg Ost-Ghouta unvermindert fortgesetzt. Allein am Mittwoch wurden in den östlichen Vororten von Damaskus 27 Zivilisten getötet, darunter zwölf Kinder,

Auch am Donnerstag hat Syriens Luftwaffe erneut ein Rebellengebiet nahe der Hauptstadt Damaskus angegriffen und dabei Beobachtern zufolge mindestens 60 Zivilisten getötet. Der schwerste Angriff am Donnerstag, bei dem allein 22 Menschen gestorben seien, habe dabei einen Markt in der Stadt Arbin getroffen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Damit seien in den vergangenen vier Tagen mindestens 210 Zivilisten durch den Regierungsbeschuss im Rebellengebiet gestorben, so die Beobachtungsstelle, die ihre Informationen von einem breiten Netzwerk in Syrien bezieht.

USA kämpfen offiziell nur gegen Terrormiliz IS

Die USA vertreten in Syrien die Linie, sich aus dem Bürgerkrieg herauszuhalten und nur gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu kämpfen. Schon im vergangenen Jahr hatten sie aber regierungstreue Milizen angegriffen und das als Verteidigungsmaßnahme bezeichnet.

Das US-Militär arbeitet im Kampf gegen den IS eng mit den SDF zusammen. Diese werden von der Kurdenmiliz YPG angeführt.

Die USA wollen aber auch nach einem Sieg über die Dschihadisten an dem Bündnis festhalten und mit der SDF eine "Grenzschutztruppe" aufbauen.

Dies stößt nicht nur in Damaskus, sondern auch in Ankara auf scharfe Kritik, da die Türkei eine weitere Stärkung der syrischen Kurden verhindern will und in der YPG den syrischen Zweig der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sieht.

Erdogan: "Aufwärmübung" in Afrin

Die türkische Armee geht seit Jänner gegen YPG-Kämpfer in der nordwestlichen Region Afrin vor. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Donnerstag, das bisherige Vorgehen in Afrin sei nur eine "Aufwärmübung", in den kommenden Tagen werde es "weitere Schritte" geben. Er hatte schon wiederholt gedroht, die Offensive auch auf die Stadt Manbij auszudehnen.

Anders als in Afrin sind in Manbij US-Soldaten zur Unterstützung der SDF-Einheiten stationiert. Ein türkischer Angriff könnte damit zu einer direkten Konfrontation zwischen den Nato-Partnern führen. Um dies zu vermeiden, werden kommende Woche US-Außenminister Rex Tillerson und Sicherheitsberater H.R. McMaster zu Gesprächen in die Türkei reisen.

Die türkische Regierung teilte am Donnerstag zudem mit, dass Erdogan bei einem Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin vereinbart habe, dass sie demnächst in Istanbul mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani zu einem Dreiergipfel zusammenkämen. Auch mit Rouhani habe sich Erdogan telefonisch über ein solches Treffen verständigt. Die drei Länder setzen sich seit Anfang 2017 für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts ein.

Forderung nach Waffenruhe

Das US-Außenministerium unterstützte in einer Stellungnahme die UN-Forderung nach einem Waffenstillstand in Ost-Ghouta. Die gemeinsamen Angriffe der syrischen Regierung und russischer Streitkräfte "müssen jetzt aufhören", sagte Sprecherin Heather Nauert.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia bezeichnete eine solche Waffenruhe aber als "nicht realistisch". Russland sei zwar für eine Waffenruhe; er sei aber nicht sicher, dass "die Terroristen" einverstanden seien.

Der UN-Sicherheitsrat wollte später am Donnerstag hinter geschlossenen Türen über die humanitäre Lage sprechen, nachdem die UN-Vertreter in Damaskus eine einmonatige Kampfpause gefordert hatten, um Hilfslieferungen zu erlauben. Allein in Ost-Ghouta leben rund 400.000 Menschen seit Jahren unter Belagerung, landesweit sind 13 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.

US-Luftschlag tötete mehr als 100 Assad-Kämpfer
Landkarte Grenzgebiet Syrien und Türkei mit kontrollierten Gebieten und Siedlungsgebieten der Kurden GRAFIK 0091-18, 88 x 90 mm

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