Ungarn: "Das ist finanzielle Erpressung"

Ungarn muss Flüchtlinge aufnehmen, Premier Orbán will dagegen vorgehen.
Eiertanz der Regierung um das EuGH-Urteil. Rufe nach Mittel-Kürzungen für Ungarn.

Wieder und wieder stellen die zunehmend ungeduldigen Journalisten dem zunehmend genervten Zoltán Kovács, Presseminister der ungarischen Regierung, bei seinem Besuch in Brüssel dieselbe Frage: Was bedeute es genau, wenn Kovács sagt: "Die ungarische Regierung anerkennt den Spruch der Europäischen Gerichtshofes, aber sie missbilligt ihn zutiefst, und sie wird mit allen legalen und politischen Mitteln dagegen vorgehen."

Konkret geht es um das Urteil des EuGH, das Ungarn so wie alle anderen EU-Staaten dazu verpflichtet, Flüchtlinge aus der Verteilungsquote aufzunehmen. Nach einem "Nein" des ungarischen Außenministers hatte Premier Viktor Orbán korrigiert: Ungarn erkenne das Urteil an, will aber dagegen vorgehen.

Es geht um 1300 Flüchtlinge

Um knapp 1300 Flüchtlinge geht es, die Ungarn aus Griechenland oder Italien holen müsste. "Kein Land führt seine Quote aus", beharrte Kovács, "weil das ganze System nicht funktioniert." Ende September endet offiziell das im Herbst 2015 EU-weit eingeführte Verteilungsprinzip. Gegen die vorübergehende Verteilung wehrt sich Ungarn ebenso wie gegen eine mögliche ständige Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU. Wie aber Budapest dies verhindern will, konnte Kovács, wortgewandtes Sprachrohr Orbáns, nicht erklären. Urteile des EuGH sind in der auf einen gemeinsamen Rechtekanon aufgebauten Europäischen Union die letzte Instanz – und zu akzeptieren.

Störmanöver

Dass Ungarn dagegen hält, ärgert nicht nur Brüssel. Auch Deutschlands Kanzlerin Merkel drohte erneut: Angesichts der Störmanöver Ungarns und Polens müsse die Möglichkeit angedacht werden, die EU-Fördermittel für die beiden Staaten zu kürzen. Zoltán Kovács findet dies empörend: "Das ist schlicht finanzielle Erpressung."

Wenig Freude hat man in Budapest auch mit dem Besuch einer Delegation des EU-Parlaments. Die Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses wollen nachprüfen, ob die ungarischen Behörden EU-Fördermittel korrekt verwendet haben. Im Vorfeld des Besuches hatte es erhebliche Unstimmigkeiten zwischen EU-Abgeordneten – darunter die Österreicherin Claudia Schmidt (ÖVP) – und Budapest gegeben, welche Projekte besucht werden dürfen. Die EU-Parlamentarier blieben unnachgiebig und besuchen nun sieben Projekte. Darunter die knapp sechs Kilometer lange, umstrittene Schmalspurbahn in Viktor Orbáns Heimatort Felcsút. 30 Personen fahren im Schnitt täglich mit ihr (2000 hätten es laut Plan sein sollen), die EU hat für das Projekt zwei Millionen Euro aufgebracht.

Einige Abgeordnete der regierenden FIDESZ-Partei bezeichneten den Besuch als "politischen Angriff", den wahren Feind aber ortet die Regierung weiter beim US-Milliardär George Soros. Gegen ihn startet sie nun neuerlich eine Kampagne. In einer rechtlich unverbindlichen "nationalen Konsultation" sollen die Ungarn zum vermeintlichen "Soros-Plan" befragt werden. Der besteht aus Perspektive der Regierung darin, Ungarn mit Flüchtlingen zu überschwemmen.

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