Letzte Rede vor UNO: Obama warnt vor Mauerbau
Es war der Anfang eines langen Abschieds, eines Abgangs auf Raten bis zum Jänner – wenn US-Präsident Barack Obama den Schlüssel zum Weißen Haus an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin übergibt. Zum achten und damit zum letzten Mal ergriff der 55-Jährige am Dienstag vor der UN-Generalversammlung das Wort.
In seinem letzten Appell an die Vereinten Nationen warnte der US-Präsident eindringlich vor dem Bau von Mauern und der Abschottung einzelner Staaten: "Eine von Mauern umringte Nation würde sich heute nur selbst einsperren", sagte er in einem Seitenhieb gegen den US-Republikaner Donald Trump, der sich um seine Nachfolge als Präsident bewirbt.
Obama zielte auch gegen Russland und Nordkorea. Er stellte klar, dass selbst die "seltene Supermacht" USA die drängenden Krisen der Welt nicht alleine bewältigen könne. "Wir alle stehen vor einer Entscheidung: Wir können mit einem besseren Modell der Zusammenarbeit und Integration vorwärtsdrängen oder uns in eine scharf geteilte Welt zurückziehen", sagte Obama. Staaten, Herkunft, Stämme und Religion dürften keine Trennlinien internationaler Politik sein. Die Prinzipien offener Märkte, internationalen Rechts und der Demokratie blieben die besten Grundlagen für menschlichen Fortschritt im laufenden Jahrhundert.
"Wandel durch Annäherung"
Er ließ außerdem seine acht Jahre im Oval Office Revue passieren. Und beschwor nochmals sein Konzept des "Wandels durch Annäherung" – etwa am Beispiel des Iran. Viele Fortschritte habe es gegeben in den vergangenen acht Jahren, sagte Obama. "Wir haben die größte Finanzkrise unserer Zeit überstanden", sagte Obama. Man habe sich Kuba angenähert und Kolumbien dabei geholfen, Frieden zu schließen, und zum ersten Mal sei ein frei gewähltes Regierungsmitglied Myanmars heute bei der UNO-Vollversammlung dabei. Nicht zu vergessen, so Obama, die jüngsten Fortschritte bei der gemeinsamen Bekämpfung des Klimawandels.
"Seit dem Ende des Kalten Krieges hat es also einen echten Unterschied gegeben im Leben von Menschen. Und das ist nur durch unsere weltweite Zusammenarbeit möglich gewesen."
"Fehlentwicklungen"
Und doch, so dämpfte der US-Präsident in seiner ruhigen Art jede aufkommende Euphorie, gebe es jede Menge "Fehlentwicklungen". Etwa den andauernden Krieg in Syrien, wo jüngst zuerst ein vermutlich irrtümlicher Luftangriff der von den USA geführten Koalition auf syrische Regierungssoldaten ein schweres Zerwürfnis mit Moskau ausgelöst hatte. Oder das riesige Ungleichgewicht zwischen Armen und Reichen in der Welt. Die USA hätten mit anderen Staaten daran gearbeitet, sagte Obama in seiner Rede, die "Exzesse des Kapitalismus" zurückzuschrauben, indem man strenge Bankenregulierungen vorangebracht und die Korruptionsbekämpfung verstärkt habe.
"Neue Modelle"
"Wir brauchen neue Modelle für den globalen Marktplatz, Modelle, die die Leute mit hereinholen", forderte der US-Präsident. Dies reduziere Armut und zwinge weniger Menschen zu emigrieren.
Überschattet wird Obamas dreitägiger New York-Aufenthalt vom Bombenanschlag in der Millionenmetropole und dem Fund mehrerer Sprengsätze kurz vor Auftakt der Vollversammlung, die die Anspannung rund um die mit enormer Polizeipräsenz bewachte Veranstaltung noch vergrößerten.
Dutzende Staats- und Regierungschefs sind wie jedes Jahr zu dem UN-Event angereist. Das bietet Obama zahlreiche bilaterale Gesprächsgelegenheiten – einige vielleicht zum letzten Mal in seiner Präsidentschaft, wie bereits am Montag die Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi und Chinas Premierminister Li Keqiang.
Netanyahu bei Obama
Am Mittwoch steht auch ein Treffen mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu auf dem Programm. Die Beziehung der beiden Politiker gilt als schwierig, monatelang haben sie nicht miteinander gesprochen. In der vergangenen Woche hatten die USA den Israelis allerdings über die kommenden zehn Jahre Militärhilfe in Rekordhöhe zugesichert. Obama und Netanyahu würden bei dem Treffen "die engen Verbindungen" zwischen ihren beiden Ländern diskutieren, hieß es aus dem Weißen Haus. Auch der Nahost-Konflikt steht natürlich auf dem Gesprächsplan.
Noch hat Barack Obama einige Monate im Amt zu absolvieren, aber bei seiner letzten UNO-Vollversammlung werden wohl viele Beobachter schon erste außenpolitische Bilanzen ziehen. Erfolge beim Klimaschutz mit dem Pariser Abkommen und im Konflikt mit dem Iran sehen da viele Experten auf der Pro-Seite. Dagegen stehen unter anderem keine Fortschritte im Nahost-Konflikt, der andauernde Krieg in Syrien und die Bedrohungen durch die Terrormiliz "Islamischer Staat".
Von seiner UNO-Botschafterin bekommt Obama dagegen nur Lob. Vor seinem Amtsantritt seien die USA international isoliert gewesen, sagt Samantha Power. Obama habe eine "neue Ära des Engagements" ausgerufen und sein Versprechen auch in die Tat umgesetzt. "Ich glaube, dass es schwierig ist, den umgestaltenden Effekt, den sein Ansatz gehabt hat, zu überschätzen."
Kommentare