Umstrittener Gesetzesplan: Zugriff auf Flüchtlingshandys?

Die CSU hält die Umsetzung für "dringend erforderlich". Strafrechtsexperte Gazeas bezeichnet den Vorstoß der deutschen Bundesregierung als "absolut unverhältnismäßig". Deutscher Innenminister verteidigt Zugriff auf Flüchtlings-Handys.

Die Pläne der deutschen Regierung, Daten der Handys von Asylbewerbern zur Klärung der Identität auslesen zu lassen, verstoßen nach Einschätzung eines Strafrechtsexperten gegen das Grundgesetz. "Ein so massiver Eingriff zur Identitätsüberprüfung ist absolut unverhältnismäßig", sagte der Kölner Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas Zeit Online.

Aus Sicht des Juristen wäre die Maßnahme höchstens zu rechtfertigen, wenn es einen konkreten Verdacht auf falsche Angaben des Flüchtlings und damit einhergehende Straftaten gebe. Dieser Vorbehalt fehle im Gesetzentwurf allerdings. Aber auch dann müsse ein Richter den Zugriff auf das Handy erlauben.

"Dringend erforderlich"

Nach Plänen der deutschen Regierung soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) künftig in bestimmten Fällen die Daten der Handys von Asylbewerbern durchsuchen dürfen. Die bayerische CSU bezeichnete die Umsetzung dieses Plans am Dienstag als "dringend erforderlich". "Wir müssen wissen, wer zu uns kommt", sagte die CSU-Spitzenparlamentarierin Gerda Hasselfeldt der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag.

Mit einem Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht sei auch diese Regelung auf den Weg gebracht worden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag in Berlin. Die Pläne hatte eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Februar beschlossen.

Nach Einschätzung des Juristen Gazeas würden beim erzwungenen Auslesen von Handys zwei Grundrechte verletzt: Zum einen das Fernmeldegeheimnis, das in Artikel 10 des Grundgesetzes jedem Menschen in Deutschland den Schutz seiner privaten Kommunikation garantiert. Zum anderen werde auch das sogenannte Recht auf informelle Selbstbestimmung angegriffen.

De Maiziere verteidigt Zugriff auf Flüchtlings-Handys

Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere hat das geplante Auslesen von Handydaten von Asylbewerbern durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verteidigt. Die große Beachtung des Themas habe ihn etwas erstaunt, sagte der CDU-Politiker am Dienstag auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin.

"Wir haben das im Asylpaket II auch für die Ausländerbehörden schon ermöglicht. Und es besteht überhaupt kein Grund, warum nicht das Bundesamt für Migration das auch können sollte."

Der Minister sagte, es falle auf, dass viele Flüchtlinge - "insbesondere aus Staaten, wo vermutlich keine sichere Bleibeperspektive existiert" - nach langer und gefährlicher Reise zwar ein Handy dabei hätten, aber keinen Pass. "Es ist nicht zu viel verlangt, wenn ein Staat, von dem der Betroffene Schutz begehrt, dass dann diesem Staat gegenüber wahrheitsgemäß gesagt wird, wie man heißt und woher man kommt."

Erfolge dies nicht, dann sei es angemessen, verhältnismäßig und erforderlich, über zusätzliche "Erkenntnisquellen" zu erschließen, woher der Betroffene komme, sagte de Maiziere. Kritiker wie die Linken sehen in den Plänen einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre.

Dürfen die Behörden künftig auf die Handy-Kommunikation des Flüchtlings zugreifen, lässt sich die Nationalität leichter feststellen. Denn das Smartphone ist für Asylsuchende das wichtigste Instrument, um sich auf der Flucht und in der neuen Heimat zu orientieren. Außerdem halten viele von ihnen via Smartphone auch den Kontakt zu ihren Familien in der Heimat.

Das deutsche Recht gibt den Behörden zwar schon jetzt die Möglichkeit, die Datenträger der Asylwerber auszuwerten. Allerdings nur unter einer Bedingung: Der Flüchtling muss einwilligen. Doch diese Erlaubnis gibt natürlich kaum ein Migrant.

Das deutsche Innenministerium schätzt, dass es im Jahr 2016 im Fall von 50 bis 60 Prozent der Asylsuchenden hilfreich gewesen wäre, die Handy-Daten zu durchleuchten. Das wären in Deutschland etwa 150.000 Menschen gewesen.

Auch wenn dieses Vorhaben im Nachbarland auch den Asylbehörden in Österreich die Arbeit erleichtern würde, dürfte es schwierig werden, das auch hierzulande zu realisieren. Warum?

"In Österreich benötigen wir eine strafrechtliche Grundlage, um auf die Daten von Smartphones blicken zu dürfen", erklärt Katharina Nehammer, Pressesprecherin von Innenminister Sobotka, auf KURIER-Anfrage.

Auf Schnellschüsse will sich der Innenminister offenbar nicht mehr einlassen. Er hat aus dem heftigen Widerstand gegen die von ihm beabsichtigte Verschärfung des Demonstrationsrechts seine Lehren gezogen. "Wir prüfen den deutschen Gesetzesvorschlag", lautet die vorsichtigen Antwort aus dem Innenministerium.

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