"Belege für Beteiligung Russlands"

EU-Staaten beraten über eine neuerliche Verschärfung der Wirtschaftssanktionen.

Angesichts der jüngsten Ereignisse in der Ukraine beraten die EU-Staaten eine neuerliche Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland. In einer gemeinsamen Stellungnahme verurteilten die 28 Staats- und Regierungschefs am Dienstag den jüngsten „wahllosen“ Beschuss der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol. Als Reaktion auf die Tötung von Zivilisten drohten sie dem Kreml weitere Schritte an: „Wir haben Belege für eine zunehmende Unterstützung der Separatisten durch Russland, was Russlands Verantwortung unterstreicht.“

Außenminister beraten

Die EU-Außenminister sollen am Donnerstag bei einem Sondertreffen die Lage neu bewerten und „geeignete Aktionen, vor allem weitere restriktive Maßnahmen“ beratschlagen. Eine Ausweitung der bestehenden Wirtschaftssanktionen (siehe Artikel rechts) müsste von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden. Ihr planmäßig nächster Gipfel findet in zwei Wochen statt.

Konkrete Vorschläge für schärfere Sanktionen gibt es noch nicht. Ob eine Ausweitung vor allem Einzelpersonen oder ganze Wirtschaftsbereiche treffen würde – schon jetzt ist etwa der Zugang russischer Unternehmen und Banken zu den EU-Kapitalmärkten erschwert –, ist offen. Russland droht heuer wegen der Sanktionen des Westens und der eingebrochenen Ölpreises schon jetzt eine schwere Rezession. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte Russlands Kreditwürdigkeit am Montag auf „Ramschniveau“ herab.

Österreich vorsichtig

Eine Einigung auf schärfere Maßnahmen gegenüber Moskau dürfte nicht einfach werden: Die EU-Staaten sind tief gespalten, was die Wirtschaftssanktionen anbelangt. „Wir können nicht einfach dasitzen und zusehen. Was dort vor sich geht, ist faktisch Krieg“, sagte die lettische Regierungschefin Laimdota Straujuma zu neuen Sanktionen. Lettland führt derzeit den Vorsitz bei den EU-Ministertreffen; die baltischen Staaten haben sich gemeinsam mit Polen immer wieder für einen härteren Kurs gegenüber dem Kreml stark gemacht.

Bundeskanzler Werner Faymann hingegen äußerte sich zurückhaltend zu schärferen Wirtschaftssanktionen: „Ich selbst setze nicht auf die Ausweitung dieses Teils des Instruments“, sagte Faymann am Dienstag. Denkbar seien aber weitere Schritte gegen Einzelpersonen. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl argumentierte, schärfere Sanktionen würden die Gräben vertiefen.

In Brüssel stößt der rot-weiß-rote Ansatz auf teils heftige Kritik – etwa durch EU-Ratspräsident Donald Tusk: „Wieder einmal hat die Beschwichtigungspolitik den Aggressor zu größerer Gewalt ermutigt“, sagte Tusk nach dem Angriff auf Mariupol. „Es ist Zeit, dass wir unsere Linie an kalten Fakten ausrichten, nicht an Illusionen.“

Die EU-Maßnahmen gegen Russland

Konto-Sperren Seit dem Frühjahr 2014 haben die EU-Staaten eine Reihe von Sanktionen gegen Russland erlassen. Ein erster Schritt waren Einreise- und Kontosperren – davon sind mittlerweile 132 Russen bzw. mit Russland kooperierende Ukrainer betroffen. Die Guthaben von 28 Organisationen sind eingefroren.

Wirtschaftssanktionen Sie sind seit dem Sommer gegen Russland gültig und zielen vor allem auf den Finanz-, Rüstungs- und Energiesektor. Anleihen von u. a. Gazprom dürfen auf den EU-Märkten nicht mehr gehandelt werden, einige Güter, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind, wurden mit einem Export-Verbot belegt.

Der Krieg in der Ostukraine ist voll entfacht – nicht nur entlang militärischer Fronten. Immer mehr geraten die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in die Mühlen dieses Krieges. Zum einen beklagen sie selbst, inmitten eskalierender Kämpfe einen Blauhelm-Job zu machen, für den sie weder Mandat noch Ausrüstung hätten – zum anderen werden sie nun von den pro-russischen Separatisten scharf angegriffen. Die Vertreter der OSZE seien in eine Verschwörung mit der ukrainischen Seite getreten, so Andrej Purgin, Vorsitzender des Donezker Volksrates.

"Belege für Beteiligung Russlands"
Unmittelbarer Anlass des Zerwürfnisses ist ein OSZE-Bericht über den Beschuss der Stadt Mariupol am Wochenende. Darin heißt es, Krater-Analysen ließen den Schluss zu, dass die Raketen, die die Stadt trafen und 30 Menschen töteten, aus Separatisten-Gebiet abgefeuert wurden. In einem Interview mit der Welt warf OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier den Separatisten zudem Blockade vor. Die Beobachter würden nur an solche Orte gelassen, „wo sie uns haben möchten“. Vor allem würden die OSZE-Teams nicht in die Nähe der Grenze zu Russland gelassen. Damit riskiere man, dass die Mission als „Propaganda-Instrument“ missbraucht werde. Dahingehende Vorwürfe werden umgekehrt auch seitens ukrainischer Stellen lauter.

In Kiew beschloss das Parlament indes eine Erklärung, in der Russland als „Aggressor-Staat“ eingestuft wird. Zudem werden die organisatorischen Strukturen der Separatisten als Terrororganisationen qualifiziert. Russland sprach von einer „unbedachten und verantwortungslosen“ Maßnahme.

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