Kiew ringt in Minsk und Wales um seine Zukunft

Donezk
Poroschenko wirbt bei der NATO um Beistand während Russland in Minsk eine für Kiew schmerzhafte Konfliktlösung offeriert.

Die Ukraine kämpft dieser Tage an zwei diplomatischen Fronten. Auf der einen Seite in Wales, beim Gipfel der NATO-Staaten; auf der anderen Seite in Minsk, wo sich am Freitag erneut die Ukraine-Kontaktgruppe (Ukraine, Russland, Separatisten, OSZE) treffen wollte. In Wales wollte Kiew für eine Mitgliedschaft in dem westlichen Militärbündnis werben; in Minsk sollte es am Freitag um einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien gehen – basierend auf einem am Mittwoch von Russlands Präsident Putin vorgelegten Sieben-Punkte-Plan.

Ukraines Präsident Petro Poroschenko absolvierte am Donnerstag in Wales seine großen Auftritte vor den Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten. Mehrere bilaterale Unterredungen waren dabei geplant – darunter mit US-Präsident Obama, dem britischen Premier Cameron, Deutschlands Kanzlerin Merkel oder Frankreichs Präsident Hollande. Poroschenko wollte dabei für eine Mitgliedschaft der Ukraine oder zumindest engere Beziehungen zwischen der Ukraine und der NATO werben. Zuletzt hatte ja der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk eine Vollmitgliedschaft der Ukraine in der NATO als außenpolitisches Ziel Kiews formuliert.

In Wales äußerte sich Poroschenko im Zusammenhang mit einem von Putin vorgelegten Plan vorsichtig optimistisch. Nötig sei aber eine unverzügliche Freilassung Gefangener und ein Abzug aller russischer Truppen. Ein erster Schritt zu einer Einigung könnte heute gesetzt werden. Da steht im weißrussischen Minsk ein Treffen der Kontaktgruppe an, bei dem es um Putins Vorschläge zur Lösung der Krise gehen soll. Ziel: ein Waffenstillstand. Poroschenko zeigte sich dazu bereit. Auch die Separatisten kündigten an, einen solchen akzeptieren zu wollen.

Der Plan Putins sieht kurz gefasst ein Ende der Kämpfe, eine internationale Kontrolle der Waffenruhe, humanitäre Korridore sowie einen Gefangenenaustausch vor. In Punkt 2 des Plans heißt es aber: Die ukrainischen Truppen müssten sich auf eine Entfernung zurückziehen, von der aus ein Beschuss bewohnter Punkte durch Artillerie und automatische Feuersalven ausgeschlossen ist – was anhand des Arsenals der Ukraine einen Rückzug von 15 bis 100 Kilometern bedeuten würde. Das käme einer Kapitulation der Armee gleich, die – auch, wenn sie zuletzt Boden verloren hatte – nach wie vor in den Außenbezirken der Großstädte Donezk und Lugansk steht.
In der ukrainischen Regierung gibt es daher beträchtliche Vorbehalte – vor allem, was Putins Glaubwürdigkeit angeht. Julia Timoschenko, Chefin der Regierungspartei Batkiwtschyna, sprach von einem Versuch, den Konflikt einzufrieren.

Letztlich könnte aber aus der Sicht der Ukraine eine ganz pragmatische Frage ausschlaggebend sein: Seit dem mehr oder weniger offenen Eingreifen Russlands in den Krieg vor etwas mehr als einer Woche (wobei Moskau nach wie vor betont, in dem Konflikt keine Partei zu sein) sind die Separatisten in der Offensive, die Großstadt Mariupol wird belagert, in Vororten kam es am Donnerstag zu ersten Kämpfen. In Minsk könnte Kiew eine, wenn auch schmerzhafte, Notbremse ziehen.

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