Empörung über Neonazi-Polizeichef

Das Azow-Bataillon – gegründet von der Neonazi-Organisation "Patrioten der Ukraine" – unterstellte sich später dem Innenministerium.
Zivilgesellschaft protestiert gegen Ernennung von rechtsextremem Miliz-Führer: "Ein Schlag ins Gesicht".

Er hat den Tarnanzug gegen schlichtes Grau getauscht. Seit Wadim Troyan in die Politik gegangen ist, gibt er sich bürgerlich: im Anzug. Mit der Politik wurde es dann aber doch nichts. Jetzt soll der 35-Jährige eine Polizeiuniform anlegen. Polizeichef der Region Kiew soll er werden: Er ist die Wunschbesetzung von Innenminister Arsen Awakow für diesen Posten – das sorgt für Wirbel.

Troyan war bis zuletzt Vize-Kommandant des Freiwilligen-Bataillons Azow, einer Miliz, die von der Organisation "Patrioten der Ukraine" gegründet wurde und sich großteils aus ihren Rängen rekrutiert. Es handelt sich um eine an sich legale, aber ideologisch eindeutige Neonazi-Organisation mit Verbindungen zur "Wotanjugend" und dem ukrainischen Ableger der Skinheadorganisation "Misanthropic Front". Das bietet nicht nur Futter für russische Propaganda, die Troyans Ernennung dankbar aufnimmt, sondern lässt auch die ukrainische Zivilgesellschaft hellhörig werden.

Troyan ist langjähriges Mitglied der Organisation. Menschenrechtler beschuldigen ihn, an Übergriffen beteiligt gewesen zu sein, die der Organisation zur Last gelegt werden. Dazu zählen Angriffe auf Migranten und politische Gegner sowie Überfälle auf Zeitungskioske.

Offener Brief

In einem offenen Brief der Kharkiwer Menschenrechtsgruppe heißt es, die Besetzung sei ein "Schlag ins Gesicht" jener, die für die "Europäische Wahl" der Ukraine eingestanden seien und bei der Revolution im vergangenen Winter ihr Leben riskiert hätten. Maksim Butkewitsch, profilierter Menschenrechtsaktivist in Kiew, äußert sich besorgt, dass die Wahl gerade auf einen Vertreter des Azow-Bataillons gefallen ist. "Es gibt keinen Zweifel an der Motivation dieser Menschen als Freiwillige", sagt Butkewitsch. Es gebe aber auch keinen Zweifel an ihrer politischen Gesinnung.

Es ist aber vor allem die Motivation und der Einsatz, die in Zeiten, da Teile der Ukraine besetzt sind, die Armee daniederliegt und die Angst vor einem weiteren Vormarsch der Separatisten umgeht, auch in der öffentlichen Meinung zählen. Und so argumentiert auch der Innenminister: Troyan habe sich durch seinen Einsatz an der Front vor allem bei der Rückeroberung und Verteidigung der Hafenstadt Mariupol hervorgetan. Menschenrechtler glauben, dass Troyan dafür belohnt werden sollte – oder dafür entschädigt, dass er auf der Liste der Volksfront von Premier Jazenjuk bei den Parlamentswahlen nicht den Einzug ins Parlament geschafft hat.

Der Reformdruck auf Innenminister Awakow jedenfalls ist nach den Worten Butkewitschs enorm. Laut der beschlossenen Antikorruptions-Reform sollen bis zu einer Million Staatsdiener ausgetauscht werden – ein Großteil im Sicherheitsapparat.

Laut Butkewitsch wie auch der Kharkiwer Menschenrechtsgruppe ist diese Reform an sich auf gutem Weg. Grundsätzlich sei sie mit Vertretern der Zivilgesellschaft ausgearbeitet worden, sagt er. Und auch bei vorangegangenen Neubesetzungen sei die Zivilgesellschaft wie vereinbart miteinbezogen worden. Das sei im Falle Troyans aber in keiner Weise geschehen, sagt Butkewitsch. Wieso, kann er nicht sagen: "Schwer zu sagen, was hinter der Besetzung steht, wir wissen nicht, was in ihren Köpfen vorgeht."

Die Anfang Dezember startende EU-Beratermission "EUAM Ukraine" zur Reform des Polizei- und Justizwesens in der Ukraine könnte ohne Österreich stattfinden. Nach Informationen der Tageszeitung Der Standard hat das Innenministerium bisher noch keine Freigabe für die rund 240.000 Euro, die die Mission für ein Jahr kosten würde, bekommen.

Die Grünen orten laut Standard eine Blockade durch das Finanzministerium, das die Mittel für die Entsendung unbewaffneter Sicherheitsberater - kolportierter Kostenpunkt: zweimal 240.000 Euro für jeweils fünf Personen - bis dato nicht freigebe. Für Freitag sind drei parlamentarische Anfragen der Grünen an die involvierten Ressorts angekündigt.

Das Finanzministerium sehe sich nicht zuständig. Planung und Finanzierung des Projekts würden beim Innenministerium liegen, erklärte eine Sprecherin laut Standard.

Das Innenministerium erklärte am Donnerstagabend gegenüber der APA, dass alle Vorbereitungen für die Beteiligung getroffen sein, die formale Grundlage - ein Ministerratsbeschluss - liege jedoch nicht vor. Wenn sich das Finanzministerium für nicht zuständig erkläre, dann gehe man davon aus, dass das Finanzministerium nichts gegen einen entsprechenden Ministerratsvortrag haben könne.

Konkret sollten Polizisten und Sicherheitsexperten aus den EU-Ländern Kiew zwei Jahre lang im Rahmen von "EUAM Ukraine" helfen, Sicherheitskräfte westlichen Zuschnitts aufzubauen. 46 Berater aus 13 EU-Ländern - darunter Deutschland, Italien, Ungarn, Schweden und Großbritannien - bereiten sich laut "Standard" seit Wochen in Kiew auf die Mission vor. Bis zu 400 EU-Berater sollen künftig auf dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine operieren.

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