Armee bereitet sich auf Offensive der Rebellen vor

Die Separatisten sollen Waffen und Unterstützung von Söldnern aus Russland bekommen haben. Kiew ist alarmiert.

Die ukrainischen Regierungstruppen bereiten sich nach Angaben von Verteidigungsminister Stepan Poltorak auf eine neue Offensive der prorussischen Rebellen vor. Die Einheiten im Osten des Landes würden verlegt, um auf das Vorgehen der Separatisten zu reagieren, sagte der Minister am Mittwoch in Kiew. Die Rebellen hätten in den vergangenen Tagen Verstärkung erhalten. "

Zuletzt war die Lage im Osten der Ukraine wieder eskaliert. Auch am Mittwoch war in der Industriemetropole Donezk heftiger Beschuss zu hören. Am Dienstag hatte die Regierung in Kiew den Rebellen vorgeworfen, neue Kämpfe vorzubereiten. Die Aufständischen hätten Verstärkung durch russische Söldner erhalten, sagte ein Militärsprecher.

Waffenkonvois gesichtet

Auch die NATO bestätigte Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit und Europa (OSZE), wonach Waffen und Kämpfer mit Lastwagen aus Russland in die Ostukraine transportiert werden. "Wir haben Konvois mit russischer Ausrüstung, russischen Panzern, Luftabwehrsystemen der russischen Artillerie und russische Truppen in die Ukraine einfahren sehen", erklärte der NATO-Oberkommandierende, US-General Philip Breedlove am Mittwoch in Sofia.

Bereits am Vortag hatte sich Breedlove "besorgt über die zunehmenden Bewegungen" in dem Krisengebiet geäußert. Breedlove wies dabei auch auf die Konzentration russischer Truppen an der ukrainischen Grenze und die Verlegung russischer Militäreinheiten auf die von Russland annektierte Krim hin.

Neues Aufflammen der Gewalt

In Donezk gab es bei fortwährenden Gefechten zwischen der Armee und Aufständischen mehrere Tote und Verletzte. Örtliche Rundfunksender sprachen von den heftigsten Kämpfen seit Tagen. Insbesondere am geschlossenen Flughafen der Großstadt sei Artilleriebeschuss zu hören. Die Aufständischen bezifferten die Sachschäden seit Beginn der Gefechte im April auf bisher rund 65 Millionen Euro allein in Donezk.

Der Sicherheitsrat in Kiew berichtete von mindestens fünf getöteten Soldaten bei Gefechten in der Ostukraine. In der Nähe der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer wurde örtlichen Medien zufolge ein Frachtschiff von einer heftigen Explosion getroffen. Das Schiff konnte aber weiterfahren; Angaben über Verletzte gab es nicht.

Separatisten bestreiten Aufrüstung

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat am Mittwoch in einem Telefonat mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Russland für zunehmende Spannungen im Krisengebiet verantwortlich gemacht. Moskau versorge die Separatisten weiterhin mit Kämpfern und Waffen, meinte der prowestliche Staatschef nach Angaben seines Presseamtes. Die Aufständischen würden die im September von den Konfliktparteien beschlossenen Friedensschritte ignorieren. Auch Russland fehle der Wille zum mäßigenden Einwirken, heißt es in der am Dienstag in Kiew veröffentlichten Mitteilung. Merkel habe angekündigt, dass die Ukrainekrise beim G-20-Treffen an diesem Wochenende besprochen werde.

Die militanten Separatisten in der Ostukraine haben Berichte über massive militärische Unterstützung aus Russland allerdings erneut zurückgewiesen. Bei den Lastwagenkonvois mit Waffen und Kämpfern im Krisengebiet, die unter anderem von OSZE-Beobachtern gesehen wurden, handle es sich um Kolonnen der Aufständischen und nicht um russische Truppen, sagte einer der Separatistenführer, Boris Litwinow, in Donezk.

"Es ist zwar sowjetische Technik, wie sie auch die russische Armee noch benutzt, aber wir haben sie im Kampf gegen ukrainische Einheiten erbeutet", sagte Litwinow am Mittwoch. "Das sind unsere Trophäen." Die Aufständischen selbst hatten zwar Unterstützung aus Moskau eingeräumt, allerdings handle es sich etwa bei Kämpfern aus Russland um "Freiwillige". Auch Moskau betont immer wieder, dass die Soldaten in der Ukraine maximal „auf Urlaub“, jedenfalls nicht mit offiziellem Mandat dort seien.

Keine neuen Sanktionen

Trotz zunehmender Kämpfe in der Ostukraine will die Europäische Union Russland zunächst nicht mit neuen Sanktionen zum Druck auf moskautreue Separatisten in dem Bürgerkriegsgebiet zwingen. Zwar könnte die Liste von Einzelpersonen erweitert werden, gegen die Einreiseverbote und Kontosperren gelten, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. "Darüber hinaus sind weitere Wirtschaftssanktionen derzeit nicht geplant", betonte sie. Ziel sei es, die seit September geltende - aber brüchige - Waffenruhe zwischen dem ukrainischen Militär und den Separatisten umzusetzen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini riefen Armee und Aufständische auf, sich an die Waffenruhe zu halten. Steinmeier warnte, die Lage an der ukrainisch-russischen Grenze deute auf Vorbereitungen beider Seiten für neue Militäraktionen hin. "Das muss verhindert werden", forderte er.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (ÖVP) hat die Ukraine aufgefordert, "auch von sich aus" Rahmenbedingungen für mehr EU-Investitionen zu schaffen. Das Ex-Sowjetland sei zwar ein "hochinteressanter" aber auch ein "nicht ganz einfacher" Markt, sagte der EU-Erweiterungskommissar am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal mit Blick auf Korruption und fehlender rechtsstaatlicher Strukturen in der Ukraine.

"Wir sind bereit, aber ihr müsst auch euren Beitrag dazu leisten", appellierte er an die Führung in Kiew. "Man kann jemandem nur helfen, wenn er auch will, dass ihm geholfen wird und das war in der Ukraine in der Vergangenheit nicht immer der Fall", so Hahn. Die ukrainische Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren in einer Rezession. Die EU stellte dem Land in diesem Jahr rund 1,4 Milliarden Euro bereit.

In Bezug auf die EU-Sanktionen gegen Russland sagte er nur: Eigentlich sei die EU davon ausgegangen, jetzt über eine Lockerung der Sanktionen zu diskutieren, nach den jüngsten Maßnahmen seitens Moskaus gehe es aber genau in die andere Richtung.

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