Übernimmt Kaczynski bald offiziell das Ruder?

Eine angekündigte Rochade in der national-konservativen Regierung sorgt für Nervosität. Bisher war Jaroslaw Kaczynski der politische Drahtzieher im Hintergrund. Jetzt könnte er offiziell die Führung übernehmen.

In Polen herrscht Verunsicherung: Wird Jaroslaw Kaczynski, der Chef der regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), sich bald zum Premier krönen? Die bisherige Amtsinhaberin, Beata Szydlo, hat Anfang der Woche Personalveränderungen angekündigt, seitdem schießen Spekulationen ins Kraut.

Nach Angaben der Zeitung Dziennik, die sich auf PiS-Politiker beruft, sei "das Los Szydlos besiegelt". Die 54-Jährige, die seit November 2015 regiert, hat sich zwar bisher immer dem Willen des Parteichefs und Meisterstrategen unterworfen. Auch gilt sie als recht populär in der Bevölkerung. Doch zur Zeit stört Kaczynski die chronische Uneinigkeit in der Regierungsriege. So hat der Konflikt zwischen Szydlo und ihrem Stellvertreter, Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki, hinter den Kulissen zugenommen. Sie pflegt auch leidenschaftliche Animositäten mit Verteidigungsminister Antoni Macierewicz.

Staatspräsident Andrzej Duda, ehemals Parteimitglied, machte sich zuletzt zu selbstständig und blockierte zwei Gesetzesentwürfe zur Gerichtsbarkeit. Auch verlangt das Staatsoberhaupt mehr Macht für sein Amt. Die konservative Revolution, der Umbau der Gesellschaft, den Kaczynski anstrebt, ist derzeit ins Stocken geraten, ohne dass die Opposition sich besonders mühen muss.

Unpopulärer Macher

Allgemein gilt: Der grimmige 68-Jährige ist nicht der Wunschkandidat der Polen als Regierungschef, aktuell sprechen sich lediglich 31 Prozent dafür aus, während die PiS fast 50 Prozent Zustimmung erfährt. Das sind Rekordwerte, die der Partei zwei Jahre nach Regierungsantritt jederzeit einen Wahlsieg ermöglichen würden.

Dass politische Drahtzieher wie die Kaczynskis plötzlich aus dem Hintergrund ins Rampenlicht treten, hat Tradition. So schob der Stratege nach dem ersten Sieg der PiS bei den Parlamentswahlen 2005 überraschend mit Kazimierz Marcinkiewicz einen unbekannten Physiklehrer aus der Provinz ins Amt, um die Wähler nicht zu verschrecken.

Als Marcinkiewicz zuviel eigenes Profil und Popularität gewann, musste er zurücktreten, und Kaczynski selbst wirkte als Premier bis zu den verlorenen Neuwahlen.

Streit mit EU

Die Opposition sieht in einem Premier Kaczynski auch Vorteile – "man könnte ihn vor ein Staatstribunal stellen", so Ryszard Petru, Vorsitzender der liberalen Partei "Modernes Polen". Kaczynski hat viele umstrittene Gesetze geprägt – wie etwa die Lähmung des Verfassungsgerichts sowie die Umformung der öffentlich-rechtlichen Medien in aggressive Staatsorgane. Beides hat für anhaltende Konflikte mit Brüssel gesorgt und Polen in Europa politisch immer weiter an den Rand gedrängt.

Doch offiziell wirkte er bisher als einfacher Abgeordneter durch seine Anweisungen, rein juristisch traf die Entscheidungen dann das Kabinett. Petru hegt daher Zweifel, ob Kaczynski sich diese Verantwortung zumuten wird. Auch habe der Nationalkonservative ein hohes Schlafbedürfnis, sodass schon einmal Sejm-Sitzungen verschoben werden müssten. Dies würde mit dem Posten des Premiers nicht einhergehen. Allerdings wird mehrfach in den polnischen Medien kolportiert, Szydlo hätte ein Burnout, sie sei den Spannungen innerhalb der Partei nicht mehr gewachsen. Sollte Kaczynski sich zu diesen Schritt entscheiden, dann wird der eingefleischte Innenpolitiker sein Land in Brüssel selbst vertreten. Kaum jemand in Polen glaubt, dass sich das bereits angespannte Verhältnis zwischen Polen und der EU so verbessern würde.

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