Tunnel im Gazastreifen: Die unterirdische Bedrohung

Israels Armee entdeckt immer mehr Tunnel, die radikale Palästinenser für Terroranschläge dienten.

In der Nacht auf Dienstag ist es zu den schwersten Kämpfen seit Beginn der israelischen Militäroffensive vor drei Wochen im Gazastreifen gegen die radikal-islamische Hamas gekommen. "Wir werden den Einsatz nicht beenden, bevor wir die Tunnel (der Hamas) zerstört haben", erklärte Israels Premier Benjamin Netanyahu neuerlich. Von diesem operativen Ziel wird sich Israel offenbar nicht abbringen lassen.

Tatsächlich sind die Tunnel, die aus dem Gazastreifen unter der Grenze nach Israel führen, eine ernst zu nehmende Bedrohung für israelische Zivilisten. Nach offiziellen Angaben des israelischen Militärs wurden bisher 32 Tunnel entdeckt, ein Teil davon Verbindungstunnel innerhalb des Gazastreifens. Gut ein Dutzend sind grenzunterschreitende, die in die Nähe von Dörfern und Kibuzzim in Israel führen. Der Zweck: Über die Tunnel können Hamas-Kämpfer eindringen und Terroranschläge verüben. Etwa die Hälfte der Tunnel wurden zerstört.

Tunnel im Gazastreifen: Die unterirdische Bedrohung

Komplexes Netzwerk

Die Tunnel befinden sich zehn bis 20 Meter unter dem Boden und reichen bis zu drei Kilometer nach Israel hinein. Innen sind sie rund 170 mal 80 Zentimeter groß, meist mit Licht und Telefon ausgestattet. Die Tunnel sind oft in Zweier- oder Dreier-Paaren angelegt und miteinander verbunden. Auf israelischer Seite spalten sie sich in verschiedene Ausgänge, offenbar damit Hamas-Kämpfer von mehreren Seiten Siedlungen angreifen können. Eindringen von Hamas-Kämpfern nach Israel hat es schon gegeben, erst vergangene Woche wurden Radikale abgefangen, dabei starben auch israelische Soldaten.

Doch nicht nur unter Israel, sondern auch unter dem Gazastreifen selbst befindet sich ein komplexes Tunnel-Netzwerk, das verschiedene Waffenlager mit den nach Israel führenden Tunneln verbindet.

Israels Armee wirft der Hamas vor, wertvolle Ressourcen für Tunnelbau und Terrorzwecke verschwendet zu haben, anstatt sie in Infrastruktur im Gazastreifen zu investieren. Der Bau eines solchen Tunnels ist keineswegs billig – Israels Militär schätzt die Kosten auf rund drei Millionen US-Dollar je Tunnel.

"Selbst überrascht‘‘

Die Entdeckung dieses Anlagen-Netzes vor knapp zwei Wochen durch den Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen hat ganz Israel schockiert. Zwar sind Tunnel keine kriegstechnische Innovation, aber des Ausmaßes dieser Bedrohung war sich weder das Militär noch der Geheimdienst bewusst. Viele Tunnel aus dem Gazastreifen, das war bekannt, führen nach Ägypten, um Waffen und Drogen zu schmuggeln. Doch die Tunnel, die das Militär sucht, dienen einzig und allein dazu, Terroranschläge auf Zivilisten auszuüben und Terroristen in Israel einzuschleusen.

Tunnel im Gazastreifen: Die unterirdische Bedrohung
An Israeli army officer stands at the entrance of a tunnel said to be used by Palestinian militants for cross-border attacks, during an army organised tour for journalists on July 25, 2014. U.S. Secretary of State John Kerry pressed regional leaders to nail down a Gaza ceasefire on Friday as the civilian death toll soared, and further violence flared between Israelis and Palestinians in the occupied West Bank and Jerusalem. REUTERS/Jack Guez/Pool (POLITICS CIVIL UNREST CONFLICT)
Die Zerstörung der Tunnel ist ein komplizierter Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Technologie zum Aufspüren von unterirdischen Gängen ist laut der israelischen Zeitung Haaretz zwar schon entwickelt, jedoch noch nicht vom Militär in Verwendung. "Man kann die Tunnel nicht auf einmal explodieren lassen‘‘ , erklärt der Pressesprecher der israelischen Armee, Major Arye Sharuz Shalicar, dem KURIER, "denn dabei würden wir gleichzeitig zivile Einrichtungen in die Luft sprengen.‘‘

Warum wurden die Tunnel nicht längst von israelischer Seite aus zerstört? Die meisten wären erst unmittelbar vor einem Anschlag der Radikalen geöffnet worden. Wie viele Tunnel es noch zu entdecken gibt? Shalicar weiß es nicht: "Wir sind selbst überrascht, wie viel da gegraben worden ist.‘‘

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