Tumulte bei Protest gegen Abschiebung von Afghanen

Die Polizei geing in Nürnberg gegen protestierende Schüler vor
Neun verletzte Polizisten bei Einsatz gegen Schüler-Sitzblockade in Nürnberg. In Deutschland setzte nach dem Anschlag von Kabul eine Debatte um einen Stopp der Rückführungen von Afghanen ein.

Mit einer Sitzblockade und einer spontanen Demonstration haben mehrere Hundert Menschen in Nürnberg (Bayern/Franken) versucht, die Abschiebung eines 20-jährigen Afghanen zu verhindern. Die Folge war am Mittwoch ein größerer Polizeieinsatz, es kam zu tumultartigen Szenen. Neun Polizisten wurden verletzt, fünf Menschen vorübergehend festgenommen. Als Reaktion auf den Vorgang gab es massive Kritik von SPD, Grünen, Linken sowie dem Flüchtlingsrat.

Die Polizei wollte den 20-Jährigen am Morgen in einer Berufsschule während des Unterrichts abholen. Mitschüler hätten sich daraufhin auf die Straße direkt vor den Streifenwagen gesetzt und die Abfahrt blockiert, schilderte ein Polizeisprecher. Auf Facebook und Twitter verbreitete sich ein Aufruf, sich an der Schüler-Aktion zu beteiligen. Die Polizei sprach von zeitweise bis zu 300 Teilnehmern.

Die Einsatzkräfte seien mit einem Fahrrad und zahlreichen Flaschen beworfen worden. Einem Beamten sei ein Zahn ausgeschlagen worden. Die Polizei setzte Pfefferspray und Hunde mit Beißschutz ein. Zur Abwehr von Angriffen seien auch Schlagstöcke verwendet worden. Von den Demonstranten sei aber niemand verletzt worden.

Debatte um Abschiebestopp

Der verheerende Bombenanschlag in Kabul hat in Deutschland erneut eine Debatte um einen Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan entfacht. Politiker von SPD und Grünen sowie Menschenrechtsgruppen verlangten, keine Afghanen mehr in das Bürgerkriegsland zurückzuschicken. In Österreich regte sich dagegen nur wenig Kritik. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag wurden Mittwoch 17 Afghanen abgeschoben.

In Deutschland war ein für Mittwoch geplanter Abschiebeflug nach Afghanistan wegen des Anschlags mit mindestens 90 Toten und Hunderten Verletzten verschoben worden. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) will aber weiter abgelehnte Asylbewerber zurückschicken. Er sagte, angesichts des Anschlags in der Nähe der deutschen Botschaft in Kabul hätten die Mitarbeiter der Botschaft in Kabul derzeit Wichtigeres zu tun, als sich mit Abschiebungen zu beschäftigen. "Deshalb habe ich entschieden, diesen Flug abzusagen. Er wird aber bald möglichst nachgeholt."

Herrmann: "Zumutbar"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Abschiebungen nach Afghanistan seien "immer noch zumutbar".

Zweifel daran äußerten einzelne Vertreter der SPD, sowie die Grünen. "Der grausame Anschlag in Kabul macht es aus meiner Sicht zwingend, dass die Bundesregierung ihre Sicherheitseinschätzung überprüft", sagte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling. Ähnlich äußerte sich Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (beide SPD).

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour warf der Bundesregierung Schönfärberei vor. "Der schlimmste Anschlag seit dem Fall der Taliban zeigt die Dramatik der Sicherheitslage in Afghanistan", sagte er der "Heilbronner Stimme" (Donnerstag). "Es ist nur noch zynisch, wenn die Bundesregierung ihre für Abschiebungen geschönte Einschätzung der Sicherheitslage nicht endlich korrigiert."

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl forderte einen kompletten Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan und eine Freilassung möglicher Abschiebehäftlinge aus dem Land.

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