Türkisches Parlament billigt Verfassungsreform-Artikel

Abgeordnete bei der Abstimmung über die Verfassungsreform
Die Opposition will lieber Neuwahlen als ein Präsidialsystem.

Das türkische Parlament hat drei weitere Artikel der umstrittenen Verfassungsreform gebilligt. Die Artikel zu den Kontrollrechten des Parlaments, der Parteizugehörigkeit des Präsidenten und den künftigen Befugnissen des Staatschefs wurden in der Nacht zum Freitag mit den Stimmen der regierenden AKP und der ultrarechten MHP gebilligt.

Damit wurde bereits über acht der 18 Artikel der Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems abgestimmt. Der besonders umstrittene Artikel 8 legt fest, dass alle Befugnisse, die bisher beim Ministerpräsidenten lagen, auf den Präsidenten übergehen. Dieser erhält künftig den Titel "Staatsoberhaupt". Das Staatsoberhaupt soll künftig Minister ernennen und entlassen, Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen, Gesetze zur Überarbeitung ans Parlament zurückschicken und das Verfassungsgericht mit der Prüfung von Gesetzen beauftragen können.

Präsident darf Partei angehören

Artikel 7 legt fest, dass ein Kandidat für das Präsidentenamt türkischer Staatsbürger, mindestens 40 Jahre alt sein und einen Universitätsabschluss besitzen muss. Demnach darf der Präsident künftig seine Parteizugehörigkeit behalten - bisher war er zu politischer Neutralität verpflichtet. Außerdem erhält der Präsident künftig das Recht, zwölf der 15 Richter des Verfassungsgerichts zu ernennen.

Die oppositionelle CHP befürchtet, dass die Türkei zu einem autoritären Parteienstaat unter Kontrolle eines einziges Mannes wird. "Der Staat wird auf eine politische Partei reduziert und diese Partei wird sich zur Staatspartei verwandeln. Das ist gefährlich", sagte der CHP-Abgeordnete Deniz Baykal. Dass der Präsident auch die Mitglieder des Verfassungsgerichts ernennen und entlassen könne, sei "inakzeptabel".

Artikel 6 reduziert die Befugnisse des Parlaments und seine Möglichkeiten zur Kontrolle der Regierung. Demnach kann das Parlament künftig keine Misstrauensvoten mehr ansetzen. Die Abstimmung über die Artikel verlief relativ ruhig, nachdem es in der Nacht zum Donnerstag heftige Tumulte im Parlament und eine Schlägerei zwischen Abgeordneten von Opposition und Regierung gegeben hatte.

Anlass der Auseinandersetzung waren Vorwürfe der Opposition, dass AKP-Abgeordnete gegen das Gebot der geheimen Stimmabgabe verstoßen hätten. Medienberichten zufolge gibt es in der AKP Vorbehalte gegen die Verfassungsreform, weshalb die Parteiführung bemüht ist sicherzustellen, dass sich alle Abgeordneten an die Parteilinie halten. Auch bei der MHP gibt es Abweichler, die gegen die Pläne stimmen.

Referendum im April

Der Entwurf für die Reform wurde gemeinsam von AKP und MHP eingebracht. Zusammen haben sie 355 Abgeordnete und damit genug, um ein Referendum über die Reform anzusetzen. Dafür sind 330 Stimmen nötig. Das Referendum soll Anfang April stattfinden. Eine Zustimmung der Bevölkerung erscheint derzeit ungewiss. Die CHP ebenso wie die prokurdische HDP lehnen das Präsidialsystem entschieden ab.

Der MHP-Vorsitzende Devlet Bahceli und der AKP-Abgeordnete Mustafa Sentop sagten am Donnerstag, sollte die Reform nicht vom Parlament gebilligt werden, würden Neuwahlen fällig. Der stellvertretende CHP-Chef Özgür Özel sagte daraufhin, seine Partei wolle liebe vorgezogene Neuwahlen, als der Reform zuzustimmen. Auch der HDP-Sprecher Ayhan Bilgen sprach sich für Neuwahlen aus.

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