Türkische Regierung: Verfassungsgericht hat "Grenzen überschritten"

Vize-Regierungschef Bozdag kritisiert die Entscheidung über die Freilassung von zwei türkischen Journalisten.

Die türkische Regierung hat die vom Verfassungsgericht angeordnete Freilassung von zwei türkischen Journalisten aus der Untersuchungshaft scharf kritisiert. Mit der Entscheidung in den Fällen der Journalisten Sahin Alpay und Mehmet Altan "hat das Verfassungsgericht die von der Verfassung und den Gesetzen vorgegebenen Grenzen überschritten", erklärte Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag am Freitag.

Das Verfassungsgericht hatte seine Entscheidung am Donnerstag damit begründet, durch die U-Haft werde das Recht der Angeklagten auf persönliche Freiheit und Sicherheit verletzt. Dass Grundlage für die U-Haft Artikel und Aussagen der Beschuldigten seien, verstoße gegen die in der Verfassung verankerte Meinungs- und Pressefreiheit. Elf der Richter hatten die Entscheidung unterstützt, sechs hatten dagegen gestimmt. Alpay und Altan sind wegen Terrorvorwürfen inhaftiert.

Yücel klagt gegen Untersuchung

Der Fall ist auch für Deutschland relevant, weil der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel ebenfalls vor dem Verfassungsgericht gegen seine Untersuchungshaft klagt. In dem Fall hatte die Regierung ihre Stellungnahme zu Jahresbeginn eingereicht. Die Frist für die Reaktion von Yücels Anwälten läuft in der kommenden Woche ab.

Das Gericht betonte, es habe nur über die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft entschieden. Bozdag warf dem Gericht dagegen via Twitter vor, es habe die strafrechtlichen Fälle und die Beweislage bewertet, was Aufgabe eines erstinstanzlichen oder eines Berufungsgerichts wäre. Es habe sich daher wie ein "Super-Berufungsgericht" verhalten.

"Schlechte und falsche Wiederholung"

Bozdag kritisierte weiter, der Beschluss sei "eine schlechte und falsche Wiederholung des Can-Dündar-Urteils". Das Verfassungsgericht hatte den damaligen Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" im Jahr 2016 aus der Untersuchungshaft entlassen. Dündar lebt inzwischen im Exil in Deutschland.

Alpay und Altan waren am Freitag weiterhin in Untersuchungshaft. Die für die beiden Fälle zuständigen Istanbuler Strafgerichte setzten die Entscheidung des Verfassungsgerichts in Ankara zunächst nicht um. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu begründeten sie den Schritt damit, dass der ausführliche Beschluss des Verfassungsgerichts noch nicht übermittelt worden sei.

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