Mit Kopftuch oder Vollbart in die Amtsstube

Premier Erdogan kündigt an, Rechte kleinerer Minderheiten und Volksgruppen verbessern zu wollen.
Das Demokratiepaket von Premier Erdogan hebelt die Trennung von Staat und Religion weiter aus.

An den Hochschulen dürfen es Studentinnen schon seit Oktober 2012 tragen, seit Jänner auch Anwältinnen, und jetzt können viele Angestellte im öffentlichen Dienst ebenfalls mit Kopftuch zur Arbeit erscheinen. Ausnahmen: Richterinnen, Staatsanwältinnen, Lehrerinnen, Polizistinnen und Soldatinnen. Auch männliche Beamte dürfen künftig ihren Job mit Vollbart ausüben. Das ist ein zentrales Element des „Demokratiepaketes“, das der türkische Premier Tayyip Erdogan am Montag in Ankara präsentierte.

Doch nicht nur für sein religiöses Klientel hatte der Regierungschef Zuckerln, auch für dieKurden. Sie können in Privatschulen in ihrer Sprache unterrichtet werden. Wahlwerbung auf Kurdisch wird ebenfalls erlaubt. Und die Verwendung der Buchstaben q, w und x des kurdischen Alphabets ist nicht mehr verboten. Ob die Zehn-Prozent-Marke für den Einzug ins Parlament gesenkt wird – daran scheiterten schon diverse Kurdenparteien –, blieb zunächst offen.

Weitere Punkte des Pakets, das seitens der EU begrüßt, von der türkischen Opposition aber skeptisch aufgenommen wurde: Die Errichtung eines Zentrums für Roma-Kultur und -Sprache; eine Erhöhung der Strafe für „Hass-Verbrechen“ (auf religiöser oder ethnischer Grundlage) von einem auf drei Jahre; eine Limitierung der Datennutzung durch Behörden.

Im Prinzip wurden auch die Rahmenbedingungen für Versammlungsfreiheit gelockert: Demonstrationen dürfen jetzt offiziell bis Mitternacht dauern und müssen nicht zu Sonnenuntergang enden. Allerdings könnte das totes Recht sein – wenn die Regierung wie in der jüngsten Vergangenheit missliebige Proteste ohnehin gewaltsam auflöst.

Kommentare