Türkei: "Töten in Syrien muss ein Ende finden"

Die Türken an der Grenze zu Syrien leben mit Tausenden Flüchtlingen und bangen um Bekannte im kriegserschütterten Nachbarland.

Ohne Intervention von außen wird Assad bleiben“, meint Asim Guzelbay, der Bürgermeister von Gaziantep, einer anatolischen Provinzstadt, 45 Autominuten von der syrischen Grenze entfernt. Der Bürgermeister ist ein mächtiger Mann in der Region. Er unterstützt die Pläne des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan für eine militärische Aktion. „Das Töten muss ein Ende finden, einem Waffenstillstand ist ja nicht zu trauen.“ Bis zu 100.000 Flüchtlinge aus Syrien werden in der Türkei erwartet, sagen Berater von Premier Erdogan. Und das soll auch das militärische Eingreifen rechtfertigen. Die Türkei ist NATO-Land, und an einer „Koalition der Willigen“ werde gearbeitet, heißt es in Ankara. Seit Wochen hat Bürgermeister Guzelbay keinen Kontakt mehr zu Freunden in Syrien. Nervös tippt er einige Telefonnummern in sein iPhone, er hört nur eine krächzende Automatenstimme auf Arabisch. „So geht es mir täglich. Ich kann unseren Leuten, die in Syrien arbeiten, nicht mehr helfen. Mein Freund, ein türkischer Hotelbesitzer in Aleppo, wurde von marodierenden Soldaten vertrieben, das Hotel geplündert. Er weiß nicht einmal, ob es die syrische Armee war oder Soldaten der Opposition."

Todesopfer

Aufhorchen lässt der Bürgermeister mit der Zahl der Todesopfer in Syrien. „Von verschiedenen Seiten wissen wir, dass es mehr als 25.000 sind – und nicht bloß rund zehntausend.“ „Es gibt so viele Regionen in Syrien, über die es keine Nachrichten gibt. Der syrischen Opposition und ihren Angaben ist nicht zu trauen“, bemerkt der Chefredakteur einer großen anatolischen Regionalzeitung. In Gaziantep geht die Angst um. Die Menschen fürchten sich vor Übergriffen syrischer Truppen, die Flüchtlinge verfolgen. Knapp 6000 sind in der Region in Zelten oder bei Familien untergebracht, täglich werden es mehr. „Wir sind den Syrern so nahe, es gibt niemanden, der nicht Verwandte oder Freunde jenseits der Grenze hat. Die gegenseitigen Kontakte haben uns früher wirtschaftlich genützt“, sagt die Englisch-Lehrerin Aysel C. Geschäftsleute beklagen enorme Einbrüche: 65.000 Syrer kamen wöchentlich nach Gaziantep, um einzukaufen oder Ärzte aufzusuchen.

Seit Monaten kommt niemand mehr. Groß ist die Wut nicht nur auf Assad, sondern auch auf die EU. „Warum verhält sich die EU so passiv? Warum hilft sie uns nicht?“, heißt es. „Wirtschaftssanktionen sind zu wenig. Die EU ist doch ein Projekt, das für Humanität steht“, wundert sich der Banker Murat Sahlim. „Glaubwürdig ist die EU nicht. Kein Wunder, dass bei uns das Interesse an der EU nachlässt.“

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