Türkei setzt Hobbyagenten auf Terroristen an

Im Visier der türkischen Regierung: "Cumhuriyet"
Für erfolgreichen Kampf gegen den Terror setzt die Türkei auf Mithilfe ihrer Bürger. Über eine Hotline kann man Topterroristen anzeigen und wird dafür mit Bargeld belohnt

Dramatische Musik, verwaschene Fahndungsfotos, rote Blutspritzer und Eisenketten - was wie der Vorspann für einen düster-spannenden Thriller aussieht, ist ein Werbespot der türkischen Sicherheitskräfte. Er soll Bürger dazu animieren, mutmaßliche Terroristen zu denunzieren. Der Spot steht online auf einer Internetseite, die von Innenministerium, Polizei, Gendarmerie und Küstenwache betrieben wird.

Die Zahl der Gefängnisinsassen in der Türkei ist den vergangenen 15 Jahren, seit das Land von der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung und ihrem Parteichef Recep Tayyip Erdogan regiert wird, um 275 Prozent gestiegen. 59.429 Personen waren im Jahr 2002 inhaftiert, am 15. Juli 2017 waren es nach offiziellen Angaben bereits 223.451. Auch wenn die Haftanstalten chronisch überfüllt sind, dürften noch weitere mutmaßliche Terroristen dazukommen - Kritiker sprechen von politischen Häftlingen.

Denunzieren via Internet

Damit möglichst viele von ihnen dingfest gemacht werden können, erwarten die türkischen Sicherheitsbehörden die Mithilfe ihrer Bürger. Auf der Internetseite kann man sich nicht nur über die verschiedenen Möglichkeiten der Denunziation informieren, es gibt auch eine Liste samt Fotos derjeniger Personen, die wegen Terrorverbrechen in der Türkei gesucht werden.

Die Gejagten sind in fünf verschiedene Dringlichkeitsstufen eingeteilt, von rot bis grau. Als Topterroristen werden 41 Personen gesucht, natürlich die Chefs der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), aber auch der in den USA ansässige muslimische Prediger Fethullah Gülen, der in der Türkei für den Putschversuch vom 15. Juli letzten Jahres verantwortlich gemacht wird. Aber auch Mitglieder linker Terrororganisationen sowie des "Islamischen Staats" sind darunter. Über einige der Gesichter ist ein roter Stempel mit der Aufschrift "außer Gefecht gesetzt" gedrückt. Insgesamt sind es über 700 Terroristen, nach denen auf diesem Weg gefahndet wird. Die Anzahl variiert, eine Laufschrift informiert über den neuesten Stand.

Belohnung für Aufenthaltsort

Am 31. August 2015 ist ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem Bürger dazu aufgefordert werden, ihre Mitbürger genau im Auge zu behalten und seither ist auch geregelt, dass die wachsamen Bürger eine Belohnung erhalten. Zwischen umgerechnet rund 100.000 und 250.000 Euro locken, wenn man den Aufenthaltsort einer gesuchten Person kennt und denunziert. Auch für Personen, die nicht auf der Internetseite abgebildet sind, kann man eine Belohnung einstreichen, wenn sich herausstellt, dass die Anzeige gerechtfertigt gewesen ist. Auch wenn Terroranschläge aufgrund sachdienlicher Hinweise verhindert werden können oder entsprechende Verbrechen aufgeklärt werden können, winkt bares Geld. Insgesamt sollen bereits über umgerechnet rund drei Millionen Euro ausbezahlt worden sein.

Aber noch etwas sticht ins Auge. Der Internetauftritt ist nicht nur auf Türkisch verfügbar, sondern auch in englischer, arabischer und deutscher Übersetzung. Auch ins Ausland geflüchtete Täter sollen sich nicht sicher fühlen. Interessant ist diese Tatsache vor allem auch deswegen, weil es bereits zuvor den Vorwurf gab, dass die Türkei sich im Ausland, auch in Österreich, ein Spitzelnetz aufbauen würde.

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