Der Präsident, der ab sofort am Ausbau seiner Macht feilt
Nach der gewonnenen Wahl vom Sonntag will Recep Tayyip Erdogan im politischen Alltag der Türkei Staatschef, Chef der Regierungspartei AKP und Regierungschef in Personalunion sein. Mit Verfassungsänderungen will er ein Präsidialsystem mit ihm selbst an der Spitze schaffen. Doch einfach wird das für Erdogan nicht.
Er argumentiert, ein Präsidialsystem wie in den USA sei wesentlich effizienter als das parlamentarische System. Erdogan will deshalb die verfassungsrechtliche Stellung des türkischen Präsidenten um wichtige Exekutiv-Funktionen ergänzen. Zu seinen Plänen gehört auch die Aufhebung des derzeitigen Gebotes, wonach der Präsident alle Partei- und Regierungsämter zurücklegen muss.
Anders als in den USA besitzt die Türkei bisher allerdings keine wirksamen politischen Gegengewichte, um die angestrebte Allmacht des Präsidenten einzudämmen: Es gibt weder ein Zweikammer-System des Parlaments noch eine starke regionale Autonomie wie bei den US-Bundesstaaten. Lediglich das Verfassungsgericht kann Einspruch erheben.
Kein Wählerauftrag
Skeptiker wie der Meinungsforscher Murat Gezici verweisen darauf, dass Erdogan am Sonntag ohnehin keinen strahlenden Sieg einfuhr, sondern mit knapp 52 Prozent am unteren Rand der Erwartungen blieb. Aus dem Ergebnis sei kaum ein Wählerauftrag für einen grundlegenden Umbau des Staates herauszulesen, sagte Gezici.

Zunächst will Erdogan nach Bundesgenossen im Parlament suchen. Infrage kommt die Kurdenpartei HDP mit 27 Abgeordneten. Allerdings würden sich die Kurden ihre Zustimmung zu einer Präsidial-Demokratie teuer abkaufen lassen. So könnte die Forderung nach Freilassung des inhaftierten Rebellenchefs Abdullah Öcalan auf die Tagesordnung kommen. Eine Zustimmung dazu würde Erdogan schwerfallen, denn da würden sich viele Nationalisten von ihm abwenden.
Mitten in Tagespolitik
Auf der Suche nach Mehrheiten für ein Präsidialsystem, das lediglich ihm selbst und seiner Partei nützt, kann Erdogan nicht auf die Mithilfe anderer Oppositionsparteien hoffen. Seine Ankündigung in seiner Siegesrede, die Ära von Polarisierung und Anfeindungen zu beenden und eine "neue gesellschaftliche Verständigung" anzustreben, stößt bei Kritikern des bisherigen Premiers auf Skepsis. Schließlich hat Erdogan ausdrücklich angekündigt, dass er als Präsident eben nicht über der Tagespolitik stehen werde, sondern mittendrin.
Am Montag reagierten die Märkte in Istanbul auf den Sieg Erdogans übrigens mit Kursverlusten. Die Ratingagentur Fitch erklärte, die politischen Risiken und Spannungen in der Türkei blieben auch nach Erdogans Sieg bestehen.
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