Prag steuert frontal auf politische Krise zu

epa03759374 Czech economist Jiri Rusnok (R) looks on as President Milos Zeman (L) appoints him as the new Czech Prime Minister at the Prague Castle in Prague, Czech Republic, 25 June 2013. Zeman has been meeting with the heads of the various Czech parties since Necas stepped down 17 June 2013 amid a scandal about blackmail and illegal surveillance. EPA/MATEJ DIVIZNA
Präsident gegen Parlament: Zeman will Sozialisten als Regierungschef, der wird aber abgelehnt.

Präsident Milos Zeman steuert auf Kollisionskurs mit dem Prager Parlament und riskiert eine politische Krise in Tschechien. Nach dem Rücktritt der Regierung von Petr Necas in der Vorwoche sucht man einen neuen Premier. Doch der Staatschef und das Parlament haben in dieser Frage unvereinbare Vorstellungen. Während die bisher regierende rechtsliberale Koalition unter einer neuen Premierministerin weiterarbeiten will und dafür die bisherige Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova nominiert hat, will Präsident Zeman eine sogenannte Expertenregierung ernennen. Als deren Chef und damit zukünftigen Premier stellte er am Dienstag einen alten Vertrauten vor: Jiri Rusnok, vor mehr als zehn Jahren Finanzminister in Zemans damaliger Regierung. Derzeit ist der Sozialdemokrat Chef einer Vereinigung von Pensionsfonds und außerdem Berater des Präsidenten.

„Keine Mehrheit“

Doch während Zeman seinen Kandidaten bei der Vorstellung in höchsten Tönen lobte und der versprach, seine Regierung rasch zusammenstellen zu wollen, ist man im Parlament fest entschlossen, diese Pläne zu durchkreuzen. „Die einzige Regierung, die hier eine Mehrheit bekommt, ist jene von Nemcova“, machte etwa der bisherige Finanzminister, Miroslav Kalousek, deutlich. Man werde jedes Kabinett Rusnoks ablehnen.

Damit droht ein langwieriger Machtkampf zwischen Präsident und Parlament. Lehnt das nämlich Rusnok ab, kann Zeman den nächsten Kandidaten nominieren - und der setzt die Verhandlungen mit dem Parlament fort.

Dieser Prozess könne sich, so kalkulieren politische Beobachter in Prag, über Monate schleppen, vielleicht sogar bis zum nächsten Frühjahr. Dann sind ohnehin Parlamentswahlen in Tschechien angesetzt, und die werden allen derzeitigen Umfragen zufolge die Sozialdemokraten der CSSD haushoch gewinnen. Fast sämtliche Bundesländer sind ohnehin schon sozialdemokratisch regiert. Vorgezogene Neuwahlen wären daher für die CSSD der bevorzugte Weg aus der Krise.

Der neue tschechische Premier Jiri Rusnok (53) ist kein Neuling in der Politlandschaft Tschechiens. In Erinnerung bleibt er vor allem als Finanzminister aus den Jahren 2001 und 2002 in der sozialdemokratischen (CSSD) Regierung, an deren Spitze der heutige Staatspräsident Milos Zeman stand. Danach - 2002 und 2003 - übte Rusnok auch das Amt des Industrie- und Handelsministers im Kabinett von Vladimir Spidla (CSSD) aus.

2003 versuchte Rusnok, den CSSD-Vorsitz zu übernehmen, allerdings konnte er sich auf dem CSSD-Parteitag gegen Spidla nicht durchsetzen. Rusnok galt als Anhänger des pragmatischen Zeman-Flügels innerhalb der Partei, nachdem sich Zeman aus der Politik 2002 zurückzog. Rusnok kritisierte Zemans Nachfolger Spidla und seine Parteiführung. Als Zeman Anfang 2003 bei der Präsidentenwahl eine schwere Niederlage erlitt, weil eine Gruppe von CSSD-Parlamentariern um Spidla nicht für ihn stimmte, legte Rusnok sein Parlamentsmandat nieder.

"Einige Schritte und Aussagen der gegenwärtigen Parteiführung waren, muss ich sagen, starker Tabak", argumentierte Rusnok damals. Es störte ihn vor allem, dass die CSSD nach den Parlamentswahlen 2002 nicht wieder den Oppositionsvertrag mit der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) wie unter Zemans Regierung einging, sondern eine brüchige Koalition mit Christdemokraten und der damaligen Freiheitsunion (US) abschloss.

In der CSSD blieb Rusnok zunächst weiter, engagierte sich aber nicht mehr in der Parteipolitik, sondern wechselte in die Wirtschaft und wurde Präsident einer Pensionsfonds-Vereinigung. Heute herrschen Unklarheiten hinsichtlich seiner Parteizugehörigkeit. Laut der Tageszeitung "Lidove noviny" ist Rusnok "schon seit langem" nicht mehr CSSD-Mitglied, allerdings sagte Rusnok nie konkret, dass er die CSSD verlassen hat.

2009 wurde Rusnok von dem damaligen Premier Mirek Topolanek (ODS) in den Nationalen ökonomischen Regierungsrat (NERV) - ein neu gebildetes Beraterorgan des Kabinetts - berufen. 2012 tauchte Rusnok im Wahlkampfteam von Zeman auf, nach dem Antritt Zemans als Staatspräsident wurde Rusnok Berater des Staatschefs für Wirtschaftsfragen.

Vor 1989 war Rusnok Anwärter auf eine KP-Mitgliedschaft. Der in Ostrava geborene Rusnok absolvierte die Prager Wirtschaftsuniversität (VSE), ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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