Trumps Mauer wird auch Tiere voneinander trennen

Zaun in Puerto Anapra
"Eine durchgehende Mauer würde Populationen auf beiden Seiten isolieren. Sind diese Populationen klein, laufen sie Gefahr auszusterben.

Eine durchgängige Mauer, wie sie zwischen USA und Mexiko entstehen soll, wird auch für viele Tiere zur schwer überwindbaren Grenze. Bereits heute gibt es Probleme in dem Gebiet, das für seinen Artenreichtum bekannt ist.

Vom Kalifornischen Rotbein-Frosch bis zur seltenen Wildkatze Jaguarundi - entlang der US-Grenze zu Mexiko ist der Tierreichtum immens. Im südlichsten Zipfel von Texas etwa, im Rio Grande Tal, leben so viele verschiedene Tierarten wie an wenigen Orten Nordamerikas.

Mehr als 700 Wirbeltier-Spezies gibt es im Schutzgebiet Lower Rio Grande Valley, einem der drei Naturschutzreservate, die sich den östlichen Teil der Grenze entlang zum Golf von Mexiko erstrecken. Das Schutzgebiet reicht hinab bis an den Rio Grande, der den eigentlichen Grenzverlauf markiert.

Trumps Mauer wird auch Tiere voneinander trennen
Aerial view of the metal fence between Mexico (L) and the United States (R) taken in Puerto Anapra, Chihuahua state, February 19, 2017. ATTENTION EDITORS: This image is part of an ongoing AFP photo project documenting the life on the two sides of the US/Mexico border simultaneously by two photographers traveling for ten days from California to Texas on the US side and from Baja California to Tamaulipas on the Mexican side between February 13 and 22, 2017. You can find all the images with the keyword : BORDERPROJECT2017 on our wire and on www.afpforum.com / AFP PHOTO / YURI CORTEZ
Doch schon seit 2009 durchschneidet ein massiver, mit nur schmalen Durchlässen versehener Grenzzaun große Teile des Reservats. Fünfeinhalb Meter hoch, aus Stahlplanken zusammengefügt, soll er Schmuggler und illegale Einwanderer aus dem Süden abhalten.

Wegen der vielen Flusswindungen und der Überschwemmungsgefahr folgt der Zaun nicht dem Fluss und Grenzverlauf, sondern zieht sich geradliniger und oft mehrere Meilen nördlich des Rio Grande durchs Land. Zu beiden Seiten des Zauns ist ein breiter Streifen gerodet, nachts teils auch dauerbeleuchtet.

Trumps Mauer wird auch Tiere voneinander trennen
A section of the US/Mexico border fence is seen at San Luis Rio Colorado, Sonora state, on February 15, 2017 in northwestern Mexico. Attention Editors: this image is part of an ongoing AFP photo project documenting the life on the two sides of the US/Mexico border simultaneously by two photographers traveling for ten days from California to Texas on the US side and from Baja California to Tamaulipas on the Mexican side between February 13 and 22, 2017. You can find all the images with the keyword : BORDERPROJECT2017 on our wire and on www.afpforum.com / AFP PHOTO / GUILLERMO ARIAS
Wissenschafter beklagen seit Jahren die negativen Auswirkungen dieser Barriere auf Tiere. Denn die Durchlässe sind für größere Tiere, etwa Dickhornschafe oder Pumas zu schmal. Kleineren Tieren fehlt der Schutz durch Gras- und Buschland, wenn sie über die gerodeten Streifen laufen. An anderen, bisher weniger stark gesicherten Stellen weiter im Westen wurden Bisons gesichtet, die auf der Suche nach Futter und Wasser über Stacheldraht-Barrieren zu gelangen versuchten.
Über 1.200 Kilometer hinweg ist die insgesamt 3.144 Kilometer lange Grenze bereits per Einfach-, Doppel- oder gar Dreifach-Zaun abgeschottet, hinzu kommen Areale mit Wachtürmen und Sensorfeldern. "Das alles hat die Situation in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert", sagt Umweltwissenschafter Rick van Schoik, der an der San Diego University für das Worldwatch Institute 2004 eine erste große Studie zur Artenvielfalt entlang der Grenze durchgeführt hatte und schon damals mehr bilaterale Zusammenarbeit im Umwelt- und Artenschutz forderte.

Sogar Vögel betroffen

Betroffen seien sogar Vögel, etwa die kleinen, am Boden lebenden Kanincheneulen. "Wenn ihr Lebensraum abgetrennt wird, schaffen sie es nicht, über die Mauer zu fliegen", sagt van Schoik. Auch der in den USA sehr seltene Brasil-Sperlingskauz leide an der Beschneidung seines Lebensraumes.

Trumps Mauer wird auch Tiere voneinander trennen
View of the metal fence between US and Mexico taken in Puerto Palomas, Chihuahua state on February 19, 2017. Attention Editors, this image is part of an ongoing AFP photo project documenting the life on the two sides of the US/Mexico border simultaneously by two photographers traveling for ten days from California to Texas on the US side and from Baja California to Tamaulipas on the Mexican side between February 13 and 22, 2017. You can find all the images with the keyword : BORDERPROJECT2017 on our wire and on www.afpforum.com / AFP PHOTO / YURI CORTEZ
Nahe des Rio Grande etwa leben die letzten freien Ozelots der USA. Etwa 50 Tiere gibt es noch nördlich des Grenzzauns. Der Zugang zur etwas größeren, genetisch gemischteren Ozelot-Population in Mexiko wird durch den Zaun erschwert. Auch Berglöwen und Jaguare sind in ihrem Bewegungsraum eingeschränkt.

2011 untersuchte ein Forscherteam der University of Texas die Auswirkung der Teil-Barriere auf die Tierwelt. Demnach zählen zu den betroffenen Tierarten vier, die entweder weltweit oder in den USA und Mexiko gefährdet sind, und weitere 23 mit sehr kleinem Bestand. Dazu gehören der Kalifornische Rotbeinfrosch, der Jaguarundi und die Arroyo-Kröte.

Trumps Mauer wird auch Tiere voneinander trennen
The sun rises on a barbed wire fence in Hachita, New Mexico, on February 19, 2017, near the US/Mexico border. Attention Editors, this image is part of an ongoing AFP photo project documenting the life on the two sides of the US/Mexico border simultaneously by two photographers traveling for ten days from California to Texas on the US side and from Baja California to Tamaulipas on the Mexican side between February 13 and 22, 2017. You can find all the images with the keyword : BORDERPROJECT2017 on our wire and on www.afpforum.com / AFP PHOTO / JIM WATSON
Rotluchse wurden beobachtet, wie sie mehrmals am Tag die Grenze überqueren - an Stellen, wo der Grenzzaun noch nicht durchgängig ist. Was nun, wenn Trumps Komplettmauer kommt? "Künftig soll die Mauer ja auch durch bisher unberührte Gebiete, etwa in Bergregionen führen", beklagt van Schoik. Das dürfte noch ganz neue Probleme bringen.

Tim Keitt (University of Texas, Austin) betont: "Eine durchgehende Mauer würde Populationen auf beiden Seiten isolieren. Sind diese Populationen klein, laufen sie Gefahr auszusterben - auch wenn die Spezies andernorts überlebt." Auf lange Sicht sei entlang der Grenze eine Zone mit verringerter Artenvielfalt zu erwarten. Gefährdet seien die Tiere vor allem in Kalifornien, im Madrean Sky Island Archipel im Süden New Mexicos und an der Golfküste.

Das Outside Magazin hat mit Hilfe eines Programms der US-Wildtierbehörde zu berechnen versucht, was der Komplettausbau der Mauer für das Tierreich bedeuten würde. Ergebnis: Unter anderem könnten 111 gefährdete Arten, vier Wildtier-Reservate und Fisch-Brutplätze "potenziell betroffen" sein.

Jeden Abend bildet sich vor der Migrantenherberge der Heilsarmee in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana eine lange Schlange. Die Männer haben Hunger und hoffen auf eine warme Mahlzeit. Viele von ihnen wurden aus den USA abgeschoben. "Heute Abend ist die Herberge voll", sagt Direktor Andres Saldana. Alle Sessel im Speisesaal sind besetzt, die 130 Betten im Schlafsaal belegt.

"Dabei hat uns der Schlag von Trump noch gar nicht getroffen", sagt Saldana. Der US-Präsident hat angekündigt, hart gegen illegale Einwanderer vorzugehen und Millionen in ihre Heimatländer abzuschieben. In den vergangenen Tagen gab es in mehreren Städten in den Vereinigten Staaten bereits Razzien gegen Migranten.

Die Zahl der Abschiebungen sei in den vergangenen Wochen zwar noch nicht gestiegen, sagte zuletzt der mexikanische Außenminister Luis Videgaray. Allerdings würden die Konsulate in den USA viele Beschwerden über die Razzien erhalten.

Sollte tatsächlich eine Abschiebungswelle aus den USA auf Mexiko zurollen, wären die Migrantenherbergen im Grenzgebiet dem Ansturm kaum gewachsen. Dort gibt es weder genug Räumlichkeiten noch Lebensmittel, um zusätzliche Menschen zu versorgen. In Tijuana sind seit dem vergangenen Jahr zahlreiche Flüchtlinge aus Haiti gestrandet, die Herbergen sind ausgelastet.

Viele der Haitianer hatten bei dem schweren Erdbeben 2010 ihre Existenzgrundlage in dem bitterarmen Karibikstaat verloren. Sie gingen auf der Suche nach Arbeit zunächst nach Brasilien. Als sich dort die wirtschaftliche Lage immer weiter verschlechterte, machten sie sich durch Mittelamerika und Mexiko auf den Weg in die USA.

Nach Angaben der mexikanischen Behörden kamen im vergangenen Jahr etwa 16.000 Haitianer nach Tijuana. Derzeit sind noch rund 4.000 von ihnen in der Grenzstadt. Sie wollen in den USA Asylanträge stellen. Allerdings haben sie kaum Aussicht auf Erfolg. Nach dem Erdbeben 2010 waren Haitianer in den USA geduldet worden. Im vergangenen September begannen die US-Behörden allerdings, Haitianer ohne gültige Aufenthaltserlaubnis wieder abzuschieben.

Zum Abendessen kommt auch Elias Sarmiento in die Herberge der Heilsarmee in Tijuana. 27 Jahre lebte er in den USA, bevor er Ende Jänner abgeschoben wurde. Seine beiden Töchter musste er zurücklassen. Im Speisesaal riecht es nach Eintopf mit Hühnchen, langsam füllen sich die Sitzreihen mit Mexikanern und Haitianern. "Wir alle müssen wieder rüber und wir werden es tun", sagt Sarmiento.

Im vergangenen Jahr schoben die US-Behörden rund 220.000 Mexikaner in deren Heimatland ab. Die Zahl ist rückläufig: Im Jahr 2007 waren es noch 573.000 Abschiebungen gewesen. Präsident Trump will nun zwei bis drei Millionen illegaler Migranten mit Vorstrafen abschieben. Darauf sind die Hilfsorganisationen an der Grenze kaum vorbereitet.

"Jetzt muss die Regierung etwas tun. Sie ist verantwortlich dafür, sich um die Migranten zu kümmern", sagt Jose Moreno von der Koalition zur Verteidigung der Migranten. Wegen der Haitianer gibt es in den Herbergen in Tijuana kaum freie Plätze. Die Unterkunft der Organisation Madre Assunta für Frauen ist auf 45 Personen ausgelegt, derzeit finden dort 150 Menschen Obdach. "Es ist der Wahnsinn", sagt Sozialarbeiterin Mary Galvan.

Am Freitag protestierten Hunderte Mexikaner mit einer Menschenkette an der Grenze zu den USA gegen die Mauerpläne Trumps. In der Stadt Ciudad Juarez bildeten rund 1.500 Schüler, Studenten und Politiker eine "menschliche Mauer" am Ufer des Rio Grande. "Hand in Hand zeigen wir die nationale Einheit, die keinen Unterschied zwischen Menschen macht", sagte der Senator Armando Rios Piter dort.

Viele Migranten richten sich angesichts der harten Linie der neuen US-Regierung und Trumps Mauerplänen bereits auf einen längeren Aufenthalt in Tijuana ein. Er habe keine Probleme gehabt, Arbeit zu finden, sagt Sarmiento. Der Immobilien-Sektor in der Grenzstadt boomt, die Firmen suchen nach Bauarbeitern. Im Haus der Heilsarmee tauchen ständig Vertreter von Fabriken und Callcentern auf. "Die gut ausgebildeten und zweisprachigen Migranten sind für sie ein Schatz", sagt Herbergsleiter Saldana.

Von den Einheimischen in Tijuana werden die abgeschobenen Landsleute allerdings zum Teil kritisch beäugt. "Die Leute in der Grenzregion begegnen den Abgeschobenen nicht immer mit Sympathie. Manchmal werden sie sogar als Gefahr wahrgenommen", sagt Saldana. Migrantenaktivist Moreno hofft, dass die drohende Abschiebungswelle zu mehr Solidarität unter den Mexikanern führt: "Viele Migranten sind gegangen, weil sie hier kein würdiges Leben führen konnten. Nicht, weil sie ihr Land nicht wertschätzen. Nun müssen wir ihnen die Chance geben, sich wieder zu integrieren."

Von Luis Alonso Perez/dpa

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