Besorgnis in aller Welt über Jerusalem-Entscheidung

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Israels Regierungschef Netanyahu spricht lobend von einem "historischen Tag". Saudi-Arabien nennt Trumps Entscheidung "unverantwortlich". Wie so viele Staatschefs in aller Welt.

Die Weltgemeinschaft hat mit größter Besorgnis auf den historischen Alleingang Donald Trumps zur Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels reagiert. Diplomaten, Politiker und Wissenschafter sehen in der Entscheidung Trumps eine große Gefahr für den Friedensprozess in Nahost.

Der US-Verbündete Saudi-Arabien rief die USA auf, die "unverantworliche" Entscheidung zurückzunehmen. Für die Bemühungen, den Friedensprozess voranzubringen, sei sie ein großer Rückschritt, erklärte das Königshaus am Donnerstag. Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem werde "gefährliche Folgen" haben.

Die NATO-Partner Frankreich und Großbritannien als Vetomächte sowie weitere Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates beantragten eine Sondersitzung des Gremiums in New York. Sie soll bereits am Freitag stattfinden.

Applaus aus Israel

"Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Zeit ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen", hatte Trump am Mittwoch in Washington gesagt. Die Entscheidung des Weißen Hauses erfuhr auch die Rückendeckung des US-Außenministeriums. Applaus kam von jüdischen Verbänden in den USA sowie aus Israel. Premierminister Benjamin Netanyahu sprach von einem "historischen Tag für Jerusalem".

Trump bezeichnete dies als einen "lange überfälligen Schritt", um den Friedensprozess im Nahen Osten voranzubringen. Trump wies das Außenministerium an, mit dem Prozess zur Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen. "Dieser Prozess beginnt sofort", sagte Trump. Eine Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Nahost-Konfliktes werde er unterstützen, wenn sie von beiden Konfliktparteien gewünscht wird.

Trump: Neuer Ansatz

Trump erklärte am Mittwoch, er wolle bei der Lösung des Nahost-Konfliktes einen völlig neuen Ansatz verfolgen. "Wir können unsere Probleme nicht lösen, indem wir dieselben fälschlichen Annahmen und dieselben gescheiterten Strategien aus der Vergangenheit wiederholen."

Sein neuer Kurs sei der beste Weg, den Friedensprozess in Nahost voranzubringen, sagte Trump. "Dies ist ein lange überfälliger Schritt, den Friedensprozess weiterzuführen und auf eine tragfähige Vereinbarung hinzuarbeiten", betonte Trump. Israel sei eine souveräne Nation und habe auch das Recht, seine Hauptstadt frei zu wählen. CNN berichtete am Mittwochabend (Ortszeit), US-Regierungsvertreter hätten eingeräumt, es könne zu vorübergehenden Abstrichen beim Friedensprozess kommen.

Pulverfass Jerusalem

Jerusalem gilt als eines der heikelsten Probleme der Weltpolitik und als einer der fundamentalen Streitpunkte in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Jerusalem wird auch von den Palästinensern als Hauptstadt eines möglichen künftigen Staates beansprucht. Der Ostteil der Stadt ist arabisch geprägt und wird vorwiegend von Arabern bewohnt.

Die bereits zuvor von hochrangigen Regierungsvertretern angekündigte Entscheidung des Weißen Hauses hat mit Ausnahme von Israel in vielen Ländern der Welt teils scharfen Protest hervorgerufen. "Die US-Unterstützung für Israel ist sehr stark, die Kurve steigt immer weiter an", sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Vor allem die arabischen Nachbarn Israels reagierten indes empört.

Mit seiner Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt hat US-Präsident Donald Trump nach Ansicht des palästinensischen Chefunterhändlers "jegliche Chance auf eine Zwei-Staaten-Lösung zerstört". Saeb Erekat sagte am Mittwochabend sichtlich aufgebracht, Trumps Schritt widerspreche völlig den Friedensverträgen zwischen Israel und den Palästinensern.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump scharf kritisiert. "Die amerikanische Regierung hat sich mit dieser Erklärung dazu entschlossen, alle internationalen und bilateralen Resolutionen und Vereinbarungen zu verletzen", sagte Abbas am Mittwoch in Ramallah. "Die Taten Amerikas stellen einen Rückzug von seiner Rolle bei der Unterstützung des Friedensprozesses dar." Das Verhalten Amerikas ermutige Israel dazu, "die Politik der Besatzung, der Siedlungen und der ethnischen Säuberungen voranzutreiben". Die Maßnahmen der Amerikaner dienten den Interessen extremistischer Gruppen, die den Konflikt in der Region in einen "religiösen Krieg" verwandeln wollten.

Der frühere US-Diplomat Nicholas Burns, der unter George W. Bush im Außenministerium arbeitete, dazu auf Twitter:

"Trumps Jerusalem-Entscheidung wird die Glaubwürdigkeit der USA schwächen, Wut in der muslimischen Welt entzünden und unsere eigenen amerikanischen Diplomaten in Gefahr bringen. Zutiefst unklug."

Netanyahu: "historischer Tag"

Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu hat die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, als "historisch" begrüßt. Dies sei ein "historischer Tag", erklärte Netanyahu am Mittwoch mit Blick auf Trumps Ankündigung.

Israels Präsident Rivlin hat die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump begrüßt. "Es gibt kein passenderes oder schöneres Geschenk, jetzt wo wir uns 70 Jahren Unabhängigkeit des Staates Israel nähern", sagte Rivlin am Mittwochabend. "Jerusalem ist nicht und wird niemals ein Hindernis für Frieden sein, für die, die Frieden wollen."

Hamas-Chef verurteilt Trumps Entscheidung

Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas hat die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump verurteilt. "Trumps Entscheidung (...) wird die historischen und geografischen Fakten nicht verändern", sagte Hamas-Chef Ismail Haniyeh am Mittwochabend. "Das palästinensische Volk weiß angemessen auf die Missachtung seiner Gefühle und Heiligtümer zu reagieren." Haniyeh hatte bereits vor der Entscheidung zu einem neuen Palästinenseraufstand aufgerufen. Ein Hamas-Führer sprach offen von einer "Kriegserklärung".

Besorgnis in aller Welt über Jerusalem-Entscheidung
Palestinian men walk past a graffiti by street artist Lushsux, depicting US President Donald Trump kissing Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu drawn on the controversial Israeli separation barrier separating the West Bank town of Bethlehem from Jerusalem, on October 29, 2017. / AFP PHOTO / Musa AL SHAER

Internationale Reaktionen

"Diese Maßnahme ist ein Schlag für die arabisch-amerikanischen Beziehungen und für die amerikanische Rolle als Vermittler zwischen Palästinensern und Israelis. Sie erschüttert das Vertrauen der Araber in die Neutralität der Amerikaner", sagte Ahmed Abu al-Ghait, Generalsekretär der Arabischen Liga. Auch der Papst äußerte sich kritisch. "Diese Maßnahme ist ein Schlag für die arabisch-amerikanischen Beziehungen und für die amerikanische Rolle als Vermittler zwischen Palästinensern und Israelis. Sie erschüttert das Vertrauen der Araber in die Neutralität der Amerikaner." Ein Sprecher des Kremls in Moskau äußerte sich besorgt.

Die radikal-islamische Hamas erklärte, das palästinensische Volk werde angemessen reagieren. Der Iran hat die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch Trump scharf verurteilt und vor einer neuen Spirale der Gewalt in der Region gewarnt. "Diese irrationale und provokante Entscheidung wird zu einer weiteren Intifada sowie mehr Extremismus und Gewalt führen", erklärte das iranische Außenministerium am Mittwoch. Mit seiner Entscheidung werde Trump auch seine Verbündeten, die an den guten Willen der USA bezüglich einer Zweistaatenlösung und Frieden in Palästina geglaubt hatten, vergraulen. "Das war zwar immer schon eine politische Fata Morgana, aber auch die wurde mit dieser Entscheidung Trumps zunichte gemacht", stellte das Ministerium fest. Jerusalem habe einen besonderen Status für die Muslime, da die Stadt mit der Al-Aksa-Moschee einer der drei heiligsten Orte für Muslime sei. Über eine Milliarde Muslime weltweit könnten und würden daher nicht zulassen, dass diese Entscheidung die Ausübung ihrer religiösen Pflichten in dieser Moschee gefährde, so das Außenministerium laut Nachrichtenagentur ISNA.

Türkei: Anerkennung "null und nichtig"

Die Türkei warf Trump vor, internationales Recht zu brechen. Ministerpräsident Binali Yildirim hat die Erklärung von US-Präsident Donald Trump zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels als unverantwortlich zurückgewiesen. "Die Erklärung des US-Präsidenten zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die damit verbundenen Schritte sind für die Türkei null und nichtig", hieß es in einer Mitteilung Yildirims am Donnerstag.

"Mit dieser Entscheidung wurde in der Region die Büchse der Pandora geöffnet". Der Schritt sei ein Beispiel für "totale Verantwortungslosigkeit" und werde schwere Konsequenzen für den Frieden in der Region haben, sagte der türkische Ministerpräsident.

Vor dem US-Generalkonsulat in Istanbul kam es in der Nacht zu Protesten gegen die Entscheidung Trumps. Die USA hatten ihre Bürger in der Türkei bereits davor gewarnt, sich von möglichen Demonstrationen wegen Trumps Erklärung fernzuhalten.

Macron spricht von Rechtsbruch

Auch in Europa reagierten die Regierungen mit Besorgnis. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Regierungssprecher via Twitter erklären: "Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln ist." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde deutlicher: "Diese Entscheidung verletzt internationales Recht und alle UN-Resolutionen."

Der französische Präsident Emmanuel Macron wurde noch deutllicher und kritisierte die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA als Rechtsverletzung. Es handle sich um eine einseitige Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, sagte Macron am Mittwochabend beim Abschluss seines Algerien-Besuchs in Algier. "Diese Entscheidung verletzt internationales Recht und alle UN-Resolutionen." Macron rief zur Ruhe auf. "Wir müssen um jeden Preis Gewalttätigkeiten vermeiden und den Dialog bevorzugen." Macron hatte sich bereits nach einem Telefongespräch mit Trump zu Wochenbeginn dafür ausgesprochen, dass der Status Jerusalems im Rahmen der Friedensverhandlungen von Israelis und Palästinensern festgelegt werden müsse.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich für einen Dialog aus und verwies auf die Position der EU. "Eine Lösung im Nahostkonflikt kann nur durch direkte Gespräche zwischen beiden Seiten erzielt werden", teilte Kurz am Mittwoch mit. Die Festlegung des Status von Jerusalem solle das Ergebnis direkter Verhandlungen beider Seiten sein. Es brauche ein behutsames Vorgehen und es müsse alles dafür getan werden, eine mögliche weitere Eskalation zu vermeiden.

Erdogan droht, Trump brennt

Die türkische Regierung hat scharfe Kritik an der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Donald Trump geübt. "Wir verurteilen die unverantwortliche Stellungnahme der US-Regierung", teilte das Außenministerium in Ankara am Mittwochabend mit. Die Entscheidung, wonach außerdem die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt werden soll, werde negative Folgen "für den Frieden und die Stabilität in der Region" haben. Die USA müssten ihre "falsche Entscheidung" überdenken. Das Ministerium teilte weiter mit, Trump verstoße mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels gegen internationales Recht und gegen UN-Resolutionen. In mehreren UN-Resolutionen sei betont worden, dass ein Palästinenserstaat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt Voraussetzung für eine Lösung des Nahost-Konflikts sei. "Es ist inakzeptabel, dass die USA, ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, diese Tatsache ignorieren."

Das Außenministerium kündigte an, die Entscheidung Trumps werde ausführlich beim Sondergipfel der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) besprochen werden. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat das außerordentliche OIC-Spitzentreffen wegen der Krise um Jerusalem für Mittwoch kommende Woche in Istanbul einberufen. Die Türkei hat derzeit den Vorsitz der OIC inne. Erdogan und der jordanische König Abdullah II. hatten kurz vor der Erklärung Trumps vor einer Eskalation der Gewalt im Nahen Osten im Fall einer Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels gewarnt. "So ein Schritt wird nur in die Hände der Terrororganisationen spielen", sagte Erdogan nach einem Treffen mit König Abdullah II. in Ankara. Bereits am Dienstag hatte Erdogan mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel gedroht und gesagt: "Herr Trump, Jerusalem ist die rote Linie der Muslime."

Mehrere palästinensische Gruppierungen haben aus Empörung über die US-Entscheidung von Mittwoch an zu drei "Tagen des Zorns" aufgerufen. In der Nähe von Bethlehem kam es zu einer Konfrontation zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. In Bethlehem verbrannten Demonstranten schon am Dienstagabend Bilder von Trump. In Gaza zündeten am Mittwoch Hunderte Demonstranten Trump-Bilder und US-Flaggen an.

Besorgnis in aller Welt über Jerusalem-Entscheidung
Palestinian protesters burn pictures of US president Donald Trump at the manger square in Bethlehem on December 5, 2017. US President Donald Trump told Palestinian leader Mahmud Abbas in a phone call that he intends to move the US embassy from Tel Aviv to Jerusalem, Abbas's office said. / AFP PHOTO / Musa AL SHAER

Israel hatte 1967 während des Sechs-Tage-Kriegs den arabisch geprägten Ostteil der Stadt erobert und später annektiert. Es beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Unter anderem erkennen die Vereinten Nationen nicht ganz Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem ihre künftige Hauptstadt.

UNo-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten betont. "Es gibt keinen Plan B", sagte Guterres am Mittwoch in New York kurz nach Trumps Ankündigung. "Ich habe mich immer wieder gegen einseitige Maßnahmen ausgesprochen, die die Aussichten auf einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern gefährden würden", sagte Guterres. Der endgültige politische Status Jerusalems müsse durch direkte Verhandlungen beider Seiten auf Grundlage von UNO-Resolutionen beschlossen werden. "Nur indem wir die Vision zweier Staaten umsetzen, die in Frieden, Sicherheit und gegenseitiger Anerkennung mit Jerusalem als Hauptstadt Israels und Palästinas Seite an Seite leben", könnten die Ziele beider Völker erreicht werden, sagte Guterres.

Warum macht Trump das? Was könnten seine Gründe sein?

Trump löst ein Wahlversprechen ein und wird damit vor allem seine evangelikale Basis begeistern, ebenso wichtige republikanische Großspender wie den Kasinobesitzer Sheldon Adelson. Für sie ist Jerusalem als Hauptstadt schlicht gesetzt. Anders als andere republikanische Präsidenten vor ihm hält sich Trump an das, was er als Kandidat versprach, und handelt gegen das außenpolitische Establishment. Andererseits muss Trump um seine Kernwählerschaft im Moment eigentlich nicht bange sein - und die USA nehmen eine schwere Eskalation in Nahost wenigstens billigend in Kauf. Trump verprellt eminent wichtige US-Partner nicht nur in der arabischen Welt. Von praktisch allen Seiten wird die Anerkennung Jerusalems mit einem Ende des Friedensprozesses gleichgesetzt. Das ist ein sehr hoher Preis.

Warum ist Jerusalem die Lunte am Pulverfass Nahost?

Die Stadt ist Juden, Christen und Muslimen heilig. In der Altstadt liegt der Tempelberg (Al-Haram Al-Sharif: Das edle Heiligtum). Er gilt Juden und Muslimen als bedeutendes Heiligtum. Nach islamischem Glauben ritt der Prophet Mohammed von dort aus in den Himmel. An dieser Stelle steht heute der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel. Daneben befindet sich die Al-Aksa-Moschee. Die Stätten bilden das drittwichtigste islamische Heiligtum. Für die Juden ist der Ort ebenfalls von höchster Bedeutung, weil dort zwei jüdische Tempel standen. Die Klagemauer am Fuß des Tempelbergs ist der Überrest der ehemaligen westlichen Stützmauer des zweiten Tempels, der von den Römern im Jahr 70 zerstört wurde.

Wie waren die ersten Reaktionen auf die Ankündigung der Anerkennung?

International - mit Ausnahme Israels - ausnahmslos sehr kritisch bis verständnislos. Viele Anrainer in Nahost, aber auch Länder wie Deutschland oder Frankreich verwiesen auf das gewaltige Eskalationspotenzial nach Trumps Entscheidung. Die Türkei drohte Israel mit einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Die Arabische Liga berief eine Dringlichkeitssitzung für Samstag in Kairo ein. Der UN-Nahostgesandte Nikolaj Mladenow rief zu neuen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts um Jerusalem auf. Der Papst warnte vor der Anerkennung und rief alle Parteien dazu auf, den "Status Quo" der Stadt zu respektieren. Israels Erziehungsminister Naftali Bennett sagte, die Entscheidung sei "ein sehr guter Schritt nach vorn, aber ein natürlicher".

Wie ist die Situation in Jerusalem entstanden?

Israel eroberte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem Ost-Jerusalem und annektierte es später. Die internationale Gemeinschaft erkennt diesen Schritt nicht an. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen unabhängigen Staat Palästina in Ost-Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen. Israel beansprucht die ganze Stadt für sich. Die Altstadt mit der Klagemauer und dem Tempelberg liegt in Ost-Jerusalem.

Wie kann es nun weitergehen?

Das ist vollkommen unklar. Die USA selbst warnen über ihre Botschaft in Israel vor Gewaltausbrüchen am Mittwoch infolge der Entscheidung. Die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen ruft zum Aufstand auf. Wenige Themen sind in Nahost aufgeladener und konfliktträchtiger als Jerusalem. Es ist nicht klar, welchen Weg sich Washington nach diesem Alleingang verspricht oder vorstellt.

Der Streit um den Tempelberg (Al-Haram Al-Sharif: Das edle Heiligtum) hat in der Vergangenheit immer wieder Gewalt ausgelöst. Wann und wie?

Im September 2000 besuchte der damalige Oppositionsführer Ariel Sharon demonstrativ den Tempelberg. Die Palästinenser empfanden das als Provokation. Die zweite Intifada brach aus. Mehr als 3.000 Palästinenser und 1.000 Israelis kamen in den folgenden viereinhalb Jahren durch Gewalt ums Leben. Im Herbst 2015 löste ein Streit um Nutzungs- und Besuchsrechte eine neue Gewaltwelle aus. Seither starben rund 50 Israelis bei palästinensischen Attacken, meist mit Messern geführt. In dem Zeitraum wurden auch rund 300 Palästinenser getötet, die meisten bei ihren eigenen Anschlägen. Im Juli führte ein Streit um neue Sicherheitskontrollen zu Unruhen, bei denen vier Palästinenser starben. Ein Palästinenser erstach drei Mitglieder einer israelischen Familie im Westjordanland.

Jerusalem gilt als zentrale Frage in einem möglichen Friedensprozess. Welche Lösungsvorschläge gab es für die Stadt in der Vergangenheit?

Die Vereinten Nationen wollten Jerusalem nach dem Teilungsplan von 1947 international verwaltet sehen. Im Jahr 2000 schlug der damalige US-Präsident Bill Clinton vor, Jerusalem aufzuteilen. "Was jüdisch ist, bleibt jüdisch, was arabisch ist, wird palästinensisch", lautete seine Formel. Ähnlich sah dies auch die "Genfer Initiative" vor, die 2003 von israelischen und palästinensischen Vertretern erarbeitet wurde. Jüdische Stadtviertel in Ost-Jerusalem sollten zudem unter israelische Hoheit fallen. Saudi-Arabien soll nun kürzlich den alten Vorschlag wieder aufgegriffen haben, Abu Dis, einen Ort am östlichen Stadtrand von Jerusalem, zur Hauptstadt der Palästinenser zu machen. Dies berichtete die "New York Times".

Wer wohnt wo in Jerusalem?

In ganz Jerusalem leben nach Angaben des Zentralen Israelischen Statistik-Büros ungefähr 866.000 Menschen, davon 542.000 Juden und 323.700 Araber. Ost-Jerusalem ist arabisch geprägt, West-Jerusalem jüdisch. In Ost-Jerusalem leben heute schätzungsweise mehr als 200.000 israelische Siedler und rund 300.000 Palästinenser.

Aktuell gibt es keine Botschaften in Jerusalem. Aber wie war das in der Vergangenheit?

Wenn die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt wird, wäre sie nicht die erste Botschaft in der Heiligen Stadt, aber zumindest aktuell die einzige. In der Vergangenheit waren zeitweise sogar mindestens 16 Botschaften zeitgleich dort angesiedelt, schreibt die "Haaretz". Unter anderem Kenia, Bolivien, die Niederlande und Haiti hätten in den 1950er-Jahren Botschaften in Jerusalem eröffnet. Allerdings seien die Vertretungen wieder geschlossen worden, die meisten nach der Annexion Ost-Jerusalems im Jahr 1980. 2006 verließen mit Costa Rica und El Salvador die letzten Botschaften West-Jerusalem.

US-Präsident Trump torpediert Nahost-Frieden - ohne

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