USA

"Trump hat ein Monster geweckt"

Nach dem Wahlsieg des Republikaners häufen sich in den USA die Übergriffe auf Muslime, Latinos, Schwarze.

Die junge Muslima, die über den Campus der Uni von Michigan ging, glaubte im ersten Moment, sich verhört zu haben. "Nimm den Schleier ab, sonst zünde ich dich" an, sagte ein unbekannter, emotional aufgebrachter Mann zu ihr. Um kein Risiko einzugehen, nahm die Studentin entsetzt den Hijab, die typische Kopfbedeckung, ab und floh.

"Eure Eltern werden abgeschoben, weil sie illegal hier sind, und ihr kommt ins Heim", sagte ein Sportlehrer den Sechstklässlern einer Schule im Süden von Los Angeles, die vorwiegend von Latinos besucht wird.

"Das Leben von Schwarzen zählt nicht", sprühten Unbekannte in Durham, North Carolina, an eine Schulwand, "eure Stimmzettel auch nicht. Geht zurück nach Afrika."

"Make America Great Again", schrieb ein weißer Student an 150 afro-amerikanische Erstsemester der Uni von Pennsylvania – und fügte seinen Text-Mitteilungen Fotos von Lynch-Justiz aus den 1960er-Jahren bei.

200 Zwischenfälle

Seit der Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten Amerikas hat sich ein Ventil geöffnet. Dutzendfach werden Hass-Attacken gegen Schwarze, Latinos und andere Minderheiten gemeldet. Die renommierte Beobachtungsstelle für Rassismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, das "Southern Poverty Law Center" in Montgomery, Alabama, hat seit Mittwoch mehr als 200 solcher Zwischenfälle registriert. "Es gibt Vandalismus, Drohungen, Einschüchterung", sagt Richard Cohen, der Leiter, "alles ermutigt durch Donald Trumps Rhetorik im Wahlkampf."

Vor allem bei rechtsextremen, neonazistischen Gruppen, etwa dem Ku-Klux-Klan, habe Trumps Strategie verfangen, der "politischen Korrektheit" ein Ende zu setzen. "Seine Attacken gegen Minderheiten haben dazu beigetragen, dass rassistische Parolen wieder salonfähig geworden sind." Der Ku-Klux-Klan plant Anfang Dezember eine große Pro-Trump-Kundgebung in Raleigh, North Carolina.

Aus der nach der Niederlage von Hillary Clinton am Boden liegenden demokratischen Partei kommt nur vereinzelt Widerstand. "Ich habe in wenigen Stunden mehr Geschichten von Amerikanern gehört, die Angst vor ihrer eigenen Regierung und manchen Mitbürgern haben, als in den vergangenen 50 Jahren", schreibt der bald abtretende Chef der Demokraten im Senat, Harry Reid.

Wie er, so ziehen auch Bürgerrechtsorganisationen "eine direkte Linie" zwischen den Hassverbrechen und Trumps Plan für ein Einreiseverbot für Muslime und der Androhung, bis zu elf Millionen "Illegale" abzuschieben, die Mehrzahl Latinos. 3 Millionen sollen sofort ausgewiesen oder eingesperrt werden, sagte er gestern. "Die Angst vieler Latinos", so Reid, "ist rational, weil Trump unverhohlen darüber gesprochen hat, schlimme Dinge mit ihnen zu machen."

Einer, der den genauen Überblick hat, ist Shaun King, Afro-amerikanischer Aktivist und Reporter der New York Daily News. Seit Trumps Wahl füllt sich der digitale Briefkasten Kings im Stundentakt mit hässlichen Szenen:

Pennsylvania

Eine muslimische Frau wird beinahe von einem Auto überfahren. Der Lenker hält an, ruft: "Das ist ab sofort Trumps Amerika."

Minnesota

An einer Highschool besprühen Unbekannte die Toiletten: "Geht zurück nach Afrika. Nur für Weiße."

Texas

Ein Student ruft dazu auf, gegen ethnische Vielfalt vorzugehen: "Es wird Zeit, Einsatztruppen zu rekrutieren, die abartige Studentenführer teeren und federn."

New York

In Wellsville prangt auf dem Rasen eines Softball-Platzes der Spruch: "Macht Amerika wieder weiß." In Queens werden schwarze Schülerinnen beschimpft, als sie den Schulbus besteigen: "Habt ihr nicht im hinteren Teil zu sitzen, jetzt, wo Trump Präsident ist?"

Philadelphia

Ein Schaufenster wird mit Hakenkreuzen und "Sieg Heil"-Parolen beschmiert.

Kalifornien

An einer Highschool in Redding erhalten hispanisch-stämmige Schüler getürkte Abschiebungsanordnungen.

North Carolina

Ein Homosexueller findet einen Zettel an seinem Auto: "Kann es nicht erwarten, bis eure ,Ehe‘ annulliert wird von einem echten Präsidenten. Schwule, brennt in der Hölle!"

Richard Cohen vom Southern Poverty Law Center fragt sich, wie lange Trump unwidersprochen hinnimmt, dass sich erwiesene Volksverhetzer wie der Ku-Klux-Klan auf ihn berufen. In seiner Rede in der Wahlnacht hatte Trump betont, Präsident "für alle Amerikaner" sein zu wollen.

Bevor die Lage weiter eskaliert, fordern Kommentatoren, dass sich Trump so schnell wie möglich in einer Rede an die Nation eindeutig von den Auswüchsen distanziert und die extremistischen Zirkel ausgrenzt. "Es ist schockierend, dass wir an einen gewählten Präsidenten diesen Appell richten müssen", schreibt die Zeitung St. Louis Post-Dispatch, "aber Trump hat ein Monster geweckt. Jetzt muss er es bezwingen."

"Trump hat ein Monster geweckt"
Demonstrators march to protest against President-elect Donald Trump in Los Angeles on November 12, 2016. Americans spilled into the streets Saturday for a new day of protests against Donald Trump, even as the president-elect appeared to back away from the fiery rhetoric that propelled him to the White House. / AFP PHOTO / RINGO CHIU

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