Trump gegen Clinton: Showdown am Eriesee

Clinton-Fans umringen ihr Idol
US-Präsidentschaftswahlkampf in Ohio: Wer den Bundesstaat gewann, zog seit 1960 immer ins Weiße Haus ein.

Mike drückt sich gerne deutlich aus, auch und gerade, wenn es um Politik geht. "Trump ist einfach ein Idiot", sagt der Bauer, während er stolz vor dem Trump-Wahlplakat auf seiner Wiese Stellung bezieht: "Doch ich müsste ja verrückt sein, Hillary zu wählen." Mike hat auch für die Demokratin ein paar Bezeichnungen parat, gegen die ist Idiot geradezu liebevoll. Doch der Ärger über Clinton ist nur die Draufgabe für das ohnehin unverrückbare Weltbild des Landwirts, und darin haben die Demokraten keinen Platz. Seine Waffen wird sich Mike – das kommt als allererstes – von diesen Linken nicht nehmen lassen, und auch nicht seine Ablehnung von Abtreibung oder von dieser Wahnidee einer staatlichen Krankenversicherung.

Zeitreise in die 1950er

Trump gegen Clinton: Showdown am Eriesee
US-Wahlkampf Ohio
"Wir sind konservativ hier, gläubige Bauern halten unsere Werte hoch", so hört sich das dann in der Version von John O’Brien im lokalen Wahlkampfbüro der Republikaner an: "Wir wollen die Vergangenheit für die Zukunft erhalten." Und diese Vergangenheit ruht hier, scheinbar selig, in den grünen Hügeln im Nordwesten Ohios, des US-Bundesstaates am Lake Erie: Bauernhäuser wie aus US-TV-Serien der Fünfzigerjahre, Rinderweiden und Dörfer, in denen es deutlich mehr Kirchen als Wirtshäuser gibt.

Dass viele der Bauernhäuser längst leer stehen, das Rindfleisch nichts mehr wert ist und viele Junge weg sind, das sind Probleme, die man den Politikern im fernen Washington lieber nicht anvertrauen will. Dem Milliardär Trump dagegen, dem trauen einige Bauern wenigstens zu, dass er die Wirtschaft und damit auch die Landwirtschaft wieder in Schwung bringt. Und außerdem ist der doch eine Art Verbündeter gegen die Washingtoner Elite. Hillary dient hier bestenfalls als Hexe für die Halloween-Dekoration vor einigen Farmhäusern.

Trump als Feindbild

Kaum eine halbe Stunde von dieser ländlichen Idylle entfernt, in einem ärmlichen Vorort der Hauptstadt Columbus, dient dagegen Donald Trump bestenfalls als Feindbild. Vor der örtlichen Wahlbehörde ist schon jetzt, zehn Tage vor der Wahl, viel Betrieb. Viele nützen die in Ohio besonders lange Frist, in der man schon vor dem eigentlichen Wahltermin seine Stimme abgeben kann. Bernadine Kent, die örtliche Kandidatin der Demokraten, die heute hier persönlich Aufstellung bezogen hat, muss weniger um Stimmen werben als Hände schütteln und Küsschen verteilen. Ihre Hillary-Sticker wird sie nicht so richtig los, die tragen die meisten schon an der Jacke, wenn sie zum Abstimmen kommen.

Bildungsmisere

Religion oder Abtreibung sind hier keine Themen, und Waffen würde man in diesem Viertel zwischen Diskont-Supermärkten und schäbigen Sozialbauten lieber früher als später streng kontrollieren. "Bei uns geht es um Jobs, um die Probleme mit der Krankenversicherung und natürlich um öffentliche Schulen, denen es an allem fehlt", schildert James, Bernadines Parteikollege, seine täglichen Wahlkampf-Gespräche.Mischt man sich in ein paar von denen ein und fragt nach etwaigen Sympathien für Donald Trump, bekommt man meistens nur ein irritiertes Kopfschütteln als Antwort. Dass sich Trump gerade den Afro-Amerikanern in ärmlichen Vierteln als Retter angeboten hat, bringt dem Republikaner in diesem Viertel bestenfalls Ärger, aber sicher keine Stimmen ein.

"Ohio ist nicht umsonst seit Jahrzehnten der politisch meist umkämpfte Bundesstaat", erklärt James seine Sicht der ganz speziellen politischen Landschaft, "hier gibt es völlig getrennte Lebenswelten nur ein paar Kilometer voneinander entfernt. Und in diesen beiden Welten gibt es beinahe gleich viele Wähler."

Faustregel

Seit 1960 ist kein US-Präsident mehr gewählt worden, der Ohio nicht für sich entschieden hatte. Die alte Faustregel, "so wie Ohio entscheidet, entscheidet das Land", ist immer noch gültig. Viele Bundesstaaten sind dabei, sich politisch zu verändern. Im Süden der USA etwa könnten Arizona oder North Carolina sich durch die Zuwanderer aus Lateinamerika diesmal für Hillary entscheiden. In Ohio dagegen gibt es diese Zuwanderung nicht. Der Bundesstaat, erläutert die Politologin Angela Bos vom College in der Stadt Wooster die Ausgangslage für die Wahl, "ist heute weißer, älter und weniger gebildet als der US-Durchschnitt."

Trump gegen Clinton: Showdown am Eriesee
A woman holds up a sign before Republican presidential nominee Donald Trump spoke at a campaign event in Geneva, Ohio, U.S., October 27 2016. REUTERS/Carlo Allegri
Ein gutes Pflaster für Trump. Während der Republikaner in anderen umkämpften Bundesstaaten weit hinten liegt, liefert er sich in Ohio ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Clinton. Daran scheinen auch die jüngsten Skandale, die ihm anderswo schwer geschadet haben, nichts zu ändern. "Die Polarisierung zwischen den Lagern ist in Ohio besonders stark. Die Feindseligkeit gegenüber der anderen Partei so groß, dass man nicht einmal daran denkt, deren Kandidaten zu wählen", skizziert die Politologin den politischen Stellungskrieg: "Da finden sich sogar die Republikaner lieber mit Donald Trump und seinen Skandalen ab."

Beide Lager mobilisieren

Es wird also bei dieser voraussichtlich knappen Entscheidung vor allem darum gehen, die eigenen Wähler besser zu mobilisieren, vielleicht auch noch ein paar Unentschlossene zu gewinnen. Trump peilt da vor allem die ehemaligen Arbeiter in den heruntergekommenen Industrieregionen an, verspricht ihnen, die Arbeitsplätze in der Schwerindustrie aus China zurückzuholen. Clinton dagegen setzt auf junge weibliche Wähler. Doch jene, die sich von Trumps sexistischen Sprüchen tatsächlich abschrecken lassen, seien jene, so die Politologin, die zuvor schon eher Hillary gewählt hätten: "Republikanische Wählerinnen hier, die finden sich lieber mit Trumps Skandalen ab."

Nicht viel Platz für Bewegung also zwischen diesen zwei Welten in Ohio, zwischen Großstadt und Land. Auch wenn die nur 30 km von einander entfernt sind, für John, den Republikaner, etwa führt kein Weg in diese andere Lebenswelt: "So wie die in der Stadt leben soll ich? Und mich jeden Tag umschauen, bevor ich auch nur aus der Tür rausgehe, weil’s so gefährlich ist? Das ist nur was für Demokraten."

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